Jüdische Gemeinde Königsberg

Jüdische Gemeinde Königsberg

Die Jüdische Gemeinde Königsberg entstand zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Nach der Gründung des Deutschen Kaiserreiches erlebte sie eine Blütezeit und war nach der Berliner und der Breslauer die drittgrößte jüdische Gemeinde in Deutschland. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde sie vernichtet, in der Sowjetunion unterdrückt.[1]

Inhaltsverzeichnis

Geschichte der jüdischen Gemeinde

Hauptartikel: Synagoge (Kaliningrad)

Um 1540 sind zwei jüdische Ärzte (Isaak May und Michel Abraham) in Königsberg i. Pr. nachgewiesen; doch erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts begannen jüdische Kaufleute aus Litauen und Polen, die Königsberger Messen zu besuchen. 1680 wurde ihnen die Eröffnung eines Gebetsraums während der Messen gestattet. 1704 wurde ein jüdischer Friedhof eingeweiht.

Die ersten Königsberger Juden waren die Familie Friedländer, die seit 1718 in Königsberg lebten; ein prominentes Mitglied dieser Familie war David Friedländer. 1756 fand die Einweihung der ersten Synagoge in der Vorstadt statt, wobei damals in Königsberg 300 Gemeindemitglieder lebten. In den folgenden Jahrzehnten stieg diese Zahl dank zahlreicher Immigranten aus Russland. Seit dem 18. Jahrhundert gab es an der Universität Königsberg jüdische Studenten, darunter Marcus Herz, der bei Immanuel Kant Philosophie studierte. 1800 lebten in Königsberg 900 jüdische Gemeindemitglieder, 1817 deren 1.027. Die erste Vorstadtsynagoge brannte 1811 ab, daraufhin wurde 1815 eine neue Synagoge in der Synagogenstrasse erbaut.

Im Vormärz veröffentlichte Johann Jacoby einen Aufruf zur Emanzipation der Juden. 1871 lebten in Königsberg 4.000 Juden, was einen Anteil von 3,5 % der Bürger Königsbergs ausmachte. 1880 gab es bereits 5.000 Königsberger Bürger jüdischen Glaubens. Bedeutende Königsberger Juden waren die Bankiers Marcus Warschauer, Samuel Simon und Moritz Simon. Von 1879 bis zu seinem Tod 1920 amtierte Eduard Birnbaum als Kantor der jüdischen Gemeinde. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wirkten an der Königsberger Universität bedeutende jüdische Ärzte, darunter Ludwig Lichtheim, Kurt Goldstein, Julius Schreiber, Max Jaffé und Alfred Ellinger. Vor 1914 lebten 13.000 Juden in Ostpreußen und in Königsberg.

Maßgebend war eine grundlegende Spaltung des Judentums in die deutsch-nationalen Mitglieder des Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens und in die Anhänger des Zionismus. 1917 dienten 820 Königsberger Juden in der preußischen Armee, davon 80 als Kriegsfreiwillige. 102 von ihnen erhielten das Eiserne Kreuz 2. Klasse, fünfzehn das EK I. Der Anteil der sog. Ostjuden (Nathan Birnbaum) betrug etwa 25 %.[2]

Ab 1924 gab die Gemeinde das Königsberger Jüdische Gemeindeblatt als Monatsschrift heraus.[2]

Durch die Auswanderung in der Zeit des Nationalsozialismus sank die Bevölkerung auf 3.200 im Jahre 1933 und auf 2.100 im Jahre 1938. Nach dem 9. November 1938 konnten noch 500 Gemeindemitglieder die Stadt Königsberg verlassen. Im Oktober 1941 gelang Hugo Falkenheim als letztem Königsberger Juden die Flucht. Vom Güterbahnhof des Königsberger Nordbahnhofs fuhr am 24. Juni 1942 ein Zug nach Minsk mit deportierten Königsberger Juden, die in den Gruben bei Maly Trostinez ermordet wurden. 763 Königsberger Juden wurden nach Theresienstadt deportiert, von denen 59 bei der Befreiung des Lagers noch am Leben waren. Zu Beginn des Jahres 1944 lebten noch 60 jüdische Familien in der Stadt. Die wenigen Juden, die nach dem Zweiten Weltkrieg noch in Königsberg geblieben waren, wurden 1948 von den Russen zusammen mit den Deutschen vertrieben. Einer der letzten bedeutenden Abkömmlinge der Jüdischen Gemeinde Königsberg war Immanuel Jakobovits (1921-1999), der von 1967 bis 1991 als Oberrabiner von Großbritannien amtierte.

Neben dem erhaltenen ehemaligen Jüdischen Waisenhaus an der Honigbrücke erinnert heute noch der verwüstete und geplünderte jüdische Friedhof im Osten der Stadt an die frühere Jüdische Gemeinde Königsberg.

Bedeutende Königsberger Juden

Rabbiner

  • Solomon Fürst (von 1707 bis 1722)
  • Aryeh (Löb) Epstein ben Mordechai (von 1745 bis 1775)
  • Samuel Wigdor (von 1777 bis 1784)
  • Samson ben Mordechai (von 1784 bis 1794)
  • Joshua Bär Herzfeld (von 1800 bis 1814)
  • Levin Joseph Saalschütz (von 1814 bis 1823)
  • Wolff Laseron (von 1824 bis 1828)
  • Jacob Hirsch Mecklenburg (von 1831 bis 1865)
  • Isaac Bamberger
  • Hermann Vogelstein (von 1897)
  • Reinhold Lewin (* 1888, 1943 deportiert, amtierte von 1921 bis 1938); Lewin gewann 1910 das Preisausschreiben der Universität Breslau über Luthers Stellung zu den Juden.[2]
  • Felix Perles

Andere (z. T. konvertiert)

Jüdische Gemeinde Kaliningrad

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion gründete sich die neue Jüdische Gemeinde Kaliningrad, die sich nach eigenem Selbstverständnis in der liberalen Tradition ihrer ostpreußischen Vorgängerin sieht.[5] Im heutigen Kaliningrad haben die Juden keinen leichten Stand. Viele wollen nach Israel, Deutschland oder in die USA auswandern.[6]

Einzelnachweise

  1. Benjamin Pinkus: The Soviet Government and the Jews 1948-1967. A documented study. Ben-Gurion University of the Negev (Beer-Sheva); Cambridge University Press 1984, ISBN 0 521 24713 6
  2. a b c Robert Albinus: Königsberg Lexikon. Würzburg 2002
  3. Adolf Samter (ADB)
  4. Oskar Samter (SpringerLink)
  5. Ruth Leiserowitz: Juden in Ostpreußen. Von Königsberg und Memel nach Kaliningrad und Klaipeda. Jüdische Zeitung, Dezember 2007
  6. Jüdische Allgemeine (11. März 2010)

Literatur

  • Andrea Ajzensztejn: Die jüdische Gemeinschaft in Königsberg – von der Niederlassung bis zur rechtlichen Gleichstellung. Hamburg 2004
  • Heimann Jolowicz: Geschichte der Juden in Königsberg i. Pr., Posen 1867
  • Hans-Jürgen Krüger: Die Judenschaft von Königsberg in Preußen 1700-1812. Marburg/Lahn 1966
  • Ruth Leiserowitz: Sabbatleuchter und Kriegerverein: Juden in der ostpreußisch-litauischen Grenzregion 1812-1942. Osnabrück 2010
  • Encyclopedia Judaica, Band 10, S. 1128-1130
  • Stefanie Schüler-Springorum: Die jüdische Minderheit in Königsberg/Preußen 1871-1945. Göttingen 1996

Weblinks


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