Jutta Ditfurth

Jutta Ditfurth
Jutta Ditfurth bei der ZDF-Talkshow Markus Lanz (2011)

Jutta Ditfurth (Geburtsname Jutta Gerta Armgard von Ditfurth; * 29. September 1951 in Würzburg) ist eine deutsche Sozialwissenschaftlerin, Publizistin und Politikerin (ÖkoLinX). Sie ist Mitbegründerin der Partei Die Grünen und war von 1984 bis 1989 eine der drei gleichberechtigten ehrenamtlichen Bundesvorstandssprecher der Grünen.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ditfurth ist die Tochter der Fotografin Heilwig von Raven und des Arztes und Wissenschaftsjournalisten Hoimar von Ditfurth, der dem Adelsgeschlecht Ditfurth entstammt. Ihr Bruder ist Christian von Ditfurth. 1978 versuchte sie, ihren Namen ändern zu lassen, dies wurde abgelehnt. Sie nennt sich Jutta Ditfurth. In einem Interview mit dem Magazin Stern 1999 sagte sie, sie habe auch die Aufnahme in den Adelsverband im Alter von 18 Jahren abgelehnt, da sie von elitärem Denken abgestoßen werde.[1]

Jutta Ditfurth studierte Soziologie, Politik, Kunstgeschichte, Wirtschaftsgeschichte und Philosophie in Heidelberg, Hamburg, Freiburg, Glasgow, Detroit und Bielefeld mit dem Abschluss 1977 als Diplomsoziologin. In der Folge arbeitete sie als Sozialwissenschaftlerin an den Universitäten Freiburg, Bielefeld und Marburg. Im Winter 1977 zog Ditfurth nach Frankfurt am Main und war dort zwei Jahre in unterschiedlichen Firmen und Funktionen tätig. Parallel dazu arbeitete sie als Journalistin und Autorin für Printmedien und Rundfunk, ab 1980 hauptberuflich.

Interview mit Jutta Ditfurth auf der Grünen-Wahlparty zur Bundestagswahl 1987

Politisch aktiv war sie seit Anfang der siebziger Jahre im Umfeld der undogmatischen Linken. Ihr Engagement erstreckte sich von der internationalistischen Bewegung über die Frauenbewegung (hier beispielsweise gegen den § 218 - Ditfurth selbst hatte nach eigenen Aussagen zweimal eine Schwangerschaft abgebrochen)[2] bis hin zur Anti-AKW-Bewegung. Nach dem Deutschen Herbst von 1977 wurde sie 1978 Mitgründerin der Grünen Liste Wählerinitiative für Demokratie und Umweltschutz (GLW) und der Grünen Liste Hessen (GLH) sowie 1979/1980 Mitbegründerin der Grünen. Neben Thomas Ebermann und Rainer Trampert war sie eine der bekanntesten Symbolfiguren des linken, „ökosozialistischen“ Flügels der Partei. Sie bezeichnete sich selbst als Radikalökologin und Feministin, ihre Gegenspieler in der oft als Realo-Fraktion benannten Strömung (abgeleitet von „realpolitisch“) um den späteren Außenminister Joschka Fischer zählten sie zu den sogenannten Fundis (abgeleitet von „fundamentalistisch“).

Nachdem sie bei der Bundestagswahl 1990, bei der die westdeutschen Grünen den Einzug in den Bundestag verfehlten, auf der Liste der bayerischen Grünen für den Bundestag kandidiert hatte, verließ sie die Partei im April 1991 aus Protest gegen eine ihrer Ansicht nach „Rechtsentwicklung“ der grünen Bewegung.

Danach war sie zeitweise ehrenamtliche Funktionärin der Gewerkschaft IG Medien, so von 1992 bis 1995 eine von drei gleichberechtigten Bundesvorsitzenden der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union.[3]

Sie ist Publizistin und Mitglied der politischen Kleinpartei Ökologische Linke, die sie 1991 mit politischen Freunden gründete. Von 1991 bis 1999 war sie Herausgeberin der Zeitschrift ÖkoLinx der Ökologischen Linken. Von einem linkssozialistischen Standpunkt aus kritisierte sie in Büchern und Reportagen die Politik der Grünen. Sie griff außerdem rechtskonservatives und rechtsextremistisches Gedankengut an, für das auch linksorientierte neue soziale Bewegungen anfällig seien, was sich in esoterischen und irrationalen Tendenzen äußere. So gebrauchte sie den Ausdruck „Ökofaschismus“ unter anderem für Rudolf Bahro[4] ebenso wie für die Ökologisch-Demokratische Partei, Franz Alt, Fritjof Capra, Jakob von Uexküll, Hubert Weinzierl, Baldur Springmann sowie die Unabhängigen Ökologen Deutschlands.[5] In einigen Fällen zogen die Betroffenen wegen der Behauptungen vor Gericht und erreichten eine Schwärzung der verleumderischen Stellen.[6]

Bei der Europawahl 1999 kandidierte Ditfurth als politische Aktion als „Gegnerin des Nato-Krieges mit deutscher Beteiligung gegen Jugoslawien“ auf Einladung eines linken Bündnisses (NAR) in Griechenland auf einer internationalen Liste.

Ende 2000 beteiligte sie sich an der Bildung der Wählervereinigung ÖkoLinX-Antirassistische Liste, für die sie im April 2001 als ehrenamtliche Stadtverordnete in das Frankfurter Stadtparlament einzog und die Fraktion ÖkoLinX-ARL im Römer bildete.

Der Stadtverordnetenvorsteher von Frankfurt am Main erteilte ihr im Oktober 2004 eine Rüge, nachdem sie als einzige Vertreterin der Fraktion ÖkoLinX-Antirassistische Liste im Römer geäußert hatte, Hartz IV zwinge die Betroffenen in einen „Reichsarbeitsdienst“. Zudem hatte sie die darin vorgesehenen Ein-Euro-Jobs als „staatlich verordnete Zwangsarbeit“ bezeichnet.

2007 veröffentlichte sie nach sechs Jahren Recherche eine Biografie über Ulrike Meinhof.[7][8]

Im Mai 2008 legte sie ihr Amt als Frankfurter Stadtverordnete nieder.[9]

Politische Positionen

Inhaltlich steht Jutta Ditfurth für eine ökologisch-sozialistische Grundposition, wie sie sie beispielsweise 1996 in ihrem Buch Entspannt in die Barbarei ausgedrückt hat:

„Es gibt eine lange Tradition von Linken, auch wenn sie nicht die Mehrheitslinie bildeten und bilden, die begriffen haben, dass die soziale nicht von der ökologischen Frage zu trennen ist, weil die Wurzel der Ausbeutung des Menschen und der Natur dieselbe ist: die kapitalistische Produktionsweise mit ihrer Profitlogik und ihrem Verwertungszwang.“

Jutta Ditfurth[10]

Ditfurth gilt als scharfe Kritikerin des später dominanten Realo-Flügels der Grünen um Joschka Fischer, sie führte ein eigenes Archiv über die Grünen und kritisiert eine Aufweichung und Entstellung der ursprünglichen Ziele der Grünen bis zur Unkenntlichkeit (etwa Friedenspolitik, Anti-AKW-Bewegung) seit 1985. Ihre Abrechnung mit Joschka Fischer und den Grünen veröffentlichte sie 1999 als Fortsetzungsserie im Boulevardmagazin Neue Revue.[11] Statt an einem grundlegenden Wandel in der Gesellschaft seien die Grünen in den 1990er Jahren eher an Machtpositionen und Verteilung von staatlicher Förderung an Freunde (Nepotismus) interessiert gewesen. Zudem habe eine Gruppe aus dem Frankfurter Sponti-Milieu um Joschka Fischer und Daniel Cohn-Bendit sowie um die damalige Redaktion der Zeitschrift Pflasterstrand viele der ursprünglichen Grünen aus der Partei vertrieben. Sie nutzte eine Artikelreihe in der Neuen Revue für ihre „Abrechnung mit Junker Joschka“, von dem (nach ihrer Darstellung) auch der Begriff Fundi (Fundamentalismus) für parteiinterne Kritiker seines Kurses – wie sie – stammte.[11]

Ebenso kritisiert sie die Generation in den Grünen um Oswald Metzger, Matthias Berninger oder Cem Özdemir, die ihrer Meinung nach nichts mehr mit den ursprünglichen Zielen der Grünen zu tun habe. Diese „pragmatischen Jungpolitiker“ hätten auch in der FDP oder CDU Parteikarrieren machen können, so Ditfurth. Oswald Metzger ist im April 2008 tatsächlich zur CDU übergetreten.

Siehe auch

Veröffentlichungen

Weblinks

 Commons: Jutta Ditfurth – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Stern: Was macht eigentlich…Jutta Ditfurth?. 25. April 1999
  2. Interview mit Cosmopolitan, Ausgabe 8/1988
  3. 50 Jahre gewerkschaftlich organisierte Journalistinnen und Journalisten, Chronik der dju (PDF-Datei)
  4. Jutta Ditfurth: Ein grüner Adolf? Rudolf Bahro zwischen Esoterik und Ökofaschismus. in Junge Welt, 5. November 1994
  5. Das waren die Grünen. Abschied von einer Hoffnung. Econ, München 2000, ISBN 3-548-75027-3
  6. so die Zitate betreffend Max Otto Bruker, siehe Zeitschrift Gesundheitsberater, Ausgabe 2/1996, Seite 3
  7. Stern: Ditfurth über Meinhof: „Sie war die große Schwester der 68er“. 18. November 2007
  8. Reinhard Mohr in Spiegel Online: Ditfurth über Meinhof: Terroristen ausmisten. 20. November 2007
  9. Brief an das Wahlamt der Stadt Frankfurt/Main vom 26. Mai 2008
  10. Jutta Ditfurth: Entspannt in die Barbarei. Konkret-Literatur-Verlag, Hamburg 1996, S. 157
  11. a b Zahltag, Junker Joschka!. Zuerst veröffentlicht in der Neuen Revue. 1999

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