Justizvollzugsanstalt Siegburg

Justizvollzugsanstalt Siegburg
JVA Siegburg, Eingangsbereich

Die Justizvollzugsanstalt Siegburg ist eine für 649 Insassen ausgelegte Justizvollzugsanstalt (JVA) in Siegburg.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der Gefängniskomplex wurde im Jahre 1886 als königlich-preußische Strafanstalt eröffnet. Dazu wurden zunächst Gebäude der Abtei auf dem Michaelsberg umgebaut, die dann zwischen 1889 und 1891 um einen Zellentrakt erweitert wurden. 1896 kam es auf Betreiben des Leiters des preußischen Gefängniswesens, Geheimrat Carl Krohne, zu einem Neubau auf dem heutigen Gelände. Ein baulich sehr ähnlicher Gefängniskomplex findet sich auch im niederschlesischen Wolow (Wohlau) nordwestlich von Wroclaw (Breslau).

Belegung

Die JVA Siegburg ist für 649 Insassen ausgelegt und war im September 2006 mit 715 Insassen belegt. Die Anstalt beschäftigt ca. 300 Mitarbeiter. Sie war bis März 2008 die einzige JVA Nordrhein-Westfalens für männliche Inhaftierte, in der der Jugendvollzug parallel zum Erwachsenenvollzug durchgeführt wurde.[1]

Vorfall vom 11. und 12. November 2006

Die JVA Siegburg geriet im November 2006 bundesweit in die Schlagzeilen. Anlass war das Bekanntwerden eines Vorfalls am 11./12. November, bei dem ein 20 Jahre alter Gefangener in seiner Zelle durch drei 17- bis 20-jährige Mithäftlinge über Stunden hinweg systematisch gefoltert, vergewaltigt und schließlich ermordet wurde, indem man ihn zwang, sich zu strangulieren. Dadurch sollte vermutlich Suizid vorgetäuscht werden, welcher für die Täter zu Hafterleichterungen hätte führen können. Das Geschehen blieb bis zum Morgen unbemerkt vom Wachpersonal, obwohl ein Vollzugsbeamter die Zelle laut Medienberichten noch persönlich inspizierte, nachdem sich andere Insassen über Lärm beschwert hatten.

Im anschließenden Prozess vor dem Landgericht Bonn zeigten sich die Männer geständig. Am 4. Oktober 2007 wurde das Urteil verkündet. Der zur Tatzeit 17-jährige Danny K., der als Anstifter der Tat galt, wurde nach Jugendstrafrecht zur Höchststrafe von 10 Jahren Haft verurteilt, Ralf A. wurde zu 14 Jahren, und der als Haupttäter betrachtete Pascal I. zu 15 Jahren Haft verurteilt.[2] Anders als erwartet wurde keiner der beiden zur Tatzeit volljährigen Angeklagten zu lebenslanger Haft verurteilt, was der Richter damit begründete, dass eine Wiedereingliederung beider Täter "möglich" sei. [3] Die Staatsanwaltschaft legte gegen das Urteil Revision zum Bundesgerichtshof ein, der am 13. August 2008 entsprochen wurde. Die Entscheidung über das Strafmaß gegen Pascal I. wurde zurück an das Landgericht Bonn verwiesen, wo dieser am 8. Mai 2009 zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt wurde.[4] Das Landgericht Bonn folgte in seiner Urteilsbegründung der Auffassung des Bundesgerichtshofs, dass die Prognose auf eine erfolgreiche Resozialisierung von Pascal I. nicht auf Tatsachen, sondern auf Vermutungen beruhte.[4]

Die Ermittlungen gegen die diensthabenden Vollzugsbeamten wurden bereits im April 2007 eingestellt, nachdem die Staatsanwaltschaft kein juristisch relevantes Fehlverhalten feststellen konnte.[5][6]

In der Folge kamen neue Debatten zum Thema Überbelegung und Personalmangel in deutschen Gefängnissen auf, insbesondere nachdem sich herausstellte, dass das „nur“ wegen Diebstahls inhaftierte Opfer mit einschlägigen Gewalttätern in einer Zelle saß. Die nordrhein-westfälische Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) geriet zunehmend unter Druck, schloss einen Rücktritt aber dennoch aus.

Der Vorfall wurde 2009 unter dem Titel Siegburg verfilmt. Ein Jahr später wurde die Tat von dem Spielfilm Picco aufgegriffen.

Im Übrigen hat der Vorfall zur Folge gehabt, dass die den heutigen Maßstäben des Jugendstafvollzugs entsprechende Justizvollzugsanstalt Wuppertal-Ronsdorf für jugendliche Untersuchungs- und Strafgefangene in Wuppertal-Ronsdorf errichtet und Anfang August 2011 in Betrieb genommen wurde. Mittelfristig werden dadurch in Siegburg keine jugendlichen bzw. heranwachsenden Gefangenen mehr untergebracht werden, sondern die Anstalt wird ausschließlich dem Erwachsenenvollzug dienen.

Außengelände

Die neben der eigentlichen JVA errichteten Bedienstetenwohnungen, die Beamtenkolonie, ist als Nr.215 in die Liste der Baudenkmäler der Stadt Siegburg aufgenommen worden. Die drei Straßen der Kolonie wurden nach den drei erschossenen luxemburgischen Kriegsgefangenen vom Ulrather Hof benannt.

Weblinks

Quellen

  1. Kölner Stadt-Anzeiger: Stichwort: JVA Siegburg, 15. November 2006
  2. N-TV: Siegburger Foltermord - 15 Jahre Haft für Pascal I., 4. Oktober 2007
  3. Die Zeit: JVA Siegburg: Folter-Pause nur zur "Sportschau", 4.  Oktober 2007
  4. a b Süddeutsche Zeitung: Siegburg: Foltermordprozess - 15 Jahre Haft plus Sicherungsverwahrung, 8. Mai 2009
  5. Der Spiegel: Siegburger Foltermord: „Ich habe schließlich keinen Bock, in der Hölle zu landen“, 1. August 2007
  6. WDR.de: Foltermord in Siegburger: Der Prozess, 21.  August 2007
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