Julius von Verdy du Vernois

Julius von Verdy du Vernois
Julius von Verdy du Vernois

Adrian Friedrich Wilhelm Julius Ludwig von Verdy du Vernois (* 19. Juli 1832 in Freystadt, Niederschlesien; † 30. September 1910 in Stockholm, Schweden) war königlich preußischer General der Infanterie und preußischer Kriegsminister (1889–1890). Bedeutung erlangte er vor allem durch seine strategischen Studien und Veröffentlichungen, die auch im Ausland große Beachtung fanden.[1]

Inhaltsverzeichnis

Familiärer Hintergrund

Sein Großvater Adrian Maria Francois Chevalier de Verdy du Vernoy (1738–1814)[2] war aus Frankreich über den Hof des Landgrafen von Hessen an den preußischen Hof gelangt, wo er ab 1780 als Kammerherr des Prinzen Ferdinand von Preußen, dem Bruder Friedrichs des Großen, diente. Er hatte mehrere genealogische Schriften verfasst[3] und gehörte bereits ab 1790 der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften an.[4] Ebenfalls 1790 heiratete er Charlotte Freiin von Keller, deren Vater erst nach dem Siebenjährigen Krieg für Verdienste in den Freiherrenstand erhoben worden war. Im darauffolgenden Jahr kam als einziges Kind Adrian Friedrich Wilhelm Ferdinand Louis (1791–1855) zur Welt. Die enge Verbindung der Familie zum Haus Hohenzollern wird daraus deutlich, dass der Taufe des Kindes als Paten unter anderen König Friedrich Wilhelm II. sowie Prinz Ferdinand und Gemahlin beiwohnten. 1813 trat Louis als freiwilliger Jäger in die Garde-Volontair-Eskadron ein und erwarb das Eiserne Kreuz in den Befreiungskriegen. Danach diente er als Offizier im 8. Ulanenregiment und später als Lehrer an der Schule der 16. Division in Koblenz, wo er seine spätere Frau Gertrud Münzel (1795–1870) kennenlernte. Die Familie Münzel stand seit mehreren Generationen als Förster, Jäger und Bauern in kurfürstlich trierischen Diensten. Die Eheschließung dürfte, wenn sie nicht gerade als Mesalliance angesehen wurde, einiges Aufsehen erregt haben. 1837 nahm Louis als charakterisierter Major den Abschied aus dem 3. Ulanenregiment und lebte in ärmlichsten Verhältnissen. Erst 1845 erhielt er vom preußischen König eine höhere Pension. Nach der Verabschiedung schrieb er zahlreiche militärische Werke.[5]

Leben

Vielleicht wegen der angespannten finanziellen Situation wurde das einzige Kind dieser Ehe, Julius, 1844 zur schulischen Ausbildung in die Kadettenhäuser in Potsdam, später Berlin geschickt. Nach dem Abschluss trat er 1850 in Berlin in das 14. Infanterie-Regiment ein, mit dem er im Zuge der Verlegung nach Thorn ging. Dort lernte er seine spätere Frau Louise Zimmermann (* 7. Februar 1837 in Thorn), die Tochter des Kreisarztes und späteren Ehrenbürgers von Thorn, Carl Zimmermann, kennen. Sie heirateten am 27. September 1855[6], unmittelbar bevor Julius v. Verdy an die Allgemeine Kriegsschule in Berlin kommandiert wurde.

Nach Abschluss des Studiums verblieb er an der Akademie, wo er zunächst von 1858 bis 1860 in der kriegsgeschichtlichen Abteilung eingesetzt wurde. Diese Verwendung prägte ihn. Er machte die Kriegsgeschichte zur Grundlage seiner eigenen Forschungen und nutzte sie als Lehrer an der Kriegsakademie, um seinen Schülern strategische und taktische Zusammenhänge zu verdeutlichen. 1860 bis 1861 wurde er in der Topographischen Abteilung des Großen Generalstabs verwendet, bevor er an den Generalstab des IV. Armeekorps in Magdeburg versetzt wurde. Von dort wurde er vom 2. Februar 1863 bis zum 26. Oktober 1865 zum Hauptquartier der russischen Truppen in Warschau kommandiert, worüber er später seine Erinnerungen in Buchform veröffentlichte. Wegen seiner offenbar guten Leistungen lud der russische Zar ihn und seine Frau nach Sankt Petersburg und Moskau ein.

Nach seiner Rückkehr nach Preußen wurde er auf eine Reise durch Süddeutschland geschickt, um Erkenntnisse über den Stand der Kriegsvorbereitung und Kriegstüchtigkeit dieser Gebiete zu sammeln. Diese Reise stand in offensichtlichem Zusammenhang mit dem kurz danach ausbrechenden Krieg von 1866. Seine Berichte sollen so hervorragend gewesen sein, dass er zum mündlichen Vortrag beim König befohlen wurde. Bereits zu dieser Zeit war er Moltke aufgefallen, der sich künftig für ihn einsetzte und ihn förderte. Den Krieg gegen Österreich (1866) machte er als Major im Stab der 2. Armee unter Führung des Kronprinzen mit. In dieser Zeit erwarb er sich das Vertrauen und die Freundschaft des späteren 99-Tage-Kaisers.

Nach dem Krieg erhielt er den Auftrag, das Generalstabswerk über diesen Krieg zu verfassen. Im Krieg 1870, inzwischen zum Oberstleutnant befördert, war er der jüngste Abteilungschef im Großen Hauptquartier.[7] Nach dem Krieg war er zunächst Chef des Generalstabes beim I. Armee-Korps in Königsberg und widmete sich dann wieder der Arbeit als Lehrer an der Kriegsakademie und im Großen Generalstab. Unter anderem fallen in diese Zeit seine Schriften über die Truppenführung und das Kriegsspiel. Ebenfalls in diese Zeit fällt die Geburt seines einzigen Kindes, Fritz von Verdy du Vernois (1873-??).

Um Erfahrungen im praktischen Dienst sammeln zu können, wurde er 1876 als Generalmajor Kommandeur der 62. Infanterie-Brigade in Straßburg im Elsass. Von 1879 bis 1883 war er Direktor des Allgemeinen Kriegsdepartements im Kriegsministerium und wurde in dieser Zeit zum Generalleutnant befördert (1881). Danach übernahm er die 1. Infanterie-Division in Königsberg. Dort diente der spätere Generalfeldmarschall und Reichspräsident Paul von Hindenburg als Generalstabsoffizier unter ihm. 1887 kehrte er als Gouverneur nach Straßburg zurück, wo er sich unter anderem um den weiteren Ausbau der Festungsanlagen bis 1889 kümmerte und 1888 zum General der Infanterie befördert wurde.

Am 8. April 1889 wurde er auf Veranlassung seines Kameraden aus Kadettenzeiten, des Grafen Alfred von Waldersee, zum preußischen Staats- und Kriegsminister berufen. Obwohl er diese Stellung nur eineinhalb Jahre innehatte, fielen in diese Zeit die Neuaufstellungen des XVI. und XVII. Armeekorps, sowie der Infanterie-Regimenter 140 bis 145, der Feldartillerie-Regimenter 33 bis 36 und der Eisenbahnbrigade. Am 4. Oktober 1890 wurde er auf eigenes Abschiedsgesuch mit nur 58 Lebensjahren, jedoch 40 Dienstjahren, vom Kaiser in den Ruhestand entlassen.

Im Ruhestand verfasste er seine auch im Ausland viel beachteten Schriften zu Strategie und Taktik und verschiedene Erinnerungen an die Stationen seines Lebens. Während eines Besuchs bei seinem Sohn, der in Stockholm als Legationsrat an der deutschen Botschaft tätig war, starb er am 30. September 1910, nur ein Jahr nach dem Tode seiner Frau. Die international anerkannte hohe Bedeutung wurde auch durch den Trauerkondukt durch Stockholm deutlich. Unter Begleitung eines schwedischen Garde-Regiments, folgten seinem von Offizieren getragenen Sarg, dem seine Ordenskissen vorangetragen wurden, ein zahlreiches Geleit schwedischer Würdenträger. Er fand seine letzte Ruhe auf dem Invalidenfriedhof in Berlin. Die Grabstelle ist nicht erhalten.

Auszeichnungen

Bereits 1891 wurde ihm der Orden Pour le mérite für Wissenschaft und Künste verliehen[8]. Nach Moltke war Julius von Verdy damit der zweite Offizier, der sowohl die militärische wie die zivile Klasse dieser hohen Auszeichnung verliehen bekam.

1894 verlieh ihm die Albertina (Königsberg) in Königsberg die Ehrendoktorwürde ihrer philosophischen Fakultät. Am 1. März 1909 erhielt er den Verdienstorden der Preußischen Krone.[9]

Bewertung

Julius von Verdy war für seine fesselnde und interessante Art, Vorträge und Unterrichte zu halten bekannt. Neben den militärischen Schriften, durch die er seine herausragende Bedeutung gewann, verfasste er auch historische Erzählungen und Bühnenstücke,[10] in denen er seiner natürlichen rhetorischen Begabung zusätzlichen Schliff verlieh. Seine wirkliche Bedeutung hat er aber durch seine strategischen und taktischen Studien gewonnen, von denen auch Gustav Freytag tief beeindruckt war. Marschall Foch, der Oberkommandierende der französischen Streitkräfte im Ersten Weltkrieg führte seine objektive Methode der Strategie und seine Erfolge im Ersten Weltkrieg auf das Studium der Schriften Verdys zurück. Der deutsche Militärschriftsteller General von Blume hielt ihn posthum nach seiner geistigen Veranlagung für den berufensten Nachfolger Moltkes.

Bis heute wirkt Julius von Verdy du Vernois durch seine Kriegsspiele und seine theoretischen Überlegungen zu dieser Ausbildungsmethode. Es gibt kaum eine Veröffentlichung zu diesem Themenkreis, in der er nicht erwähnt wird.[11]

Werke

  • Studien über Truppen-Führung, Berlin 1873–1875
  • Beitrag zu den Kavallerie-Uebungs-Reisen, Berlin 1876
  • Beitrag zum Kriegsspiel, Berlin 1876
  • Über Praktische Felddienst-Aufgaben, Berlin 1889
  • Studien über den Krieg. Auf Grundlage des deutsch-französischen Krieges 1870/71, Berlin 1891
  • Im Großen Hauptquartier 1870/71. Persönliche Erinnerungen, Berlin 1894, 3. Auflage. Berlin: Mittler, 1896, VI, 296 S.
  • Studien über Felddienst. Neu bearbeitet auf Grund der Felddienst-Ordnung vom 20. Juli 1894, Berlin 1895
  • Im Hauptquartier der Zweiten Armee 1866 unter dem Oberbefehl Seiner Königlichen Hoheit des Kronprinzen Friedrich Wilhelm v. Preußen, Berlin 1900
  • Im Hauptquartier der Russischen Armee in Polen 1863–1865, Berlin 1905
  • Grenz-Detachements, Berlin 1908

Literatur

  • Verdy du Vernois, Julius. In: Meyers Konversations-Lexikon 1905 auf zeno.org
  • Klaus Schlegel: General der Infanterie Dr.phl.h.c. Julius v. Verdy du Vernois, in: Deutsches Soldatenjahrbuch 1982, S. 71 ff.
  • Trevor N. Dupuy: A Genius for War; o.O., o.J.
  • Tim Lenoir, Henry Lowood: Theaters of War, the military entertainment complex; Stanford und Berlin 2003

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Alle folgenden Angaben stützen sich, sofern nichts anderes verzeichnet ist, auf den Artikel von Klaus Schlegel: General der Infanterie Dr.phil.h.c. Julius v. Verdy du Vernois, in: Deutsches Soldatenjahrbuch 1982, S. 71 ff. – DSJB
  2. So noch im Staatshandbuch aufgeführt (DSJB 1982, S. 72)
  3. z. B. Histoire genealogique et chronologique de la Serenissime Maison de Hesse-Hombourg. Pour servir de suite a l‘histoire de Hesse par M. Mallet. Composee d’apres les titres et les manuscrits des Archives de cette Maison, Berlin 1791
  4. Kurzbiographie zu: Verdy du Vernois, Adrien-Marie-François de. In: Werner Hartkopf: Die Berliner Akademie der Wissenschaften: Ihre Mitglieder und Preisträger 1700–1990. Akademie-Verlag, Berlin 1992, ISBN 3-05-002153-5, S. 373.
  5. Unter anderem eine Rang-, Stamm- und Quartierliste des 3. Ulanenregiments, 1839
  6. Familiendaten
  7. Das Große Hauptquartier war die zentrale Befehlsstelle, wo sich neben dem Chef des Großen Generalstabes auch der preußische König aufhielt.
  8. Liste der Ordensträger mit Verleihungsjahr
  9. Kurt-Gerhard Klietmann: Der Verdienstorden der Preußischen Krone, Mitteilung aus dem Institut für Wissenschaftliche Ordenskunde, Der Herold - Band 12, 32. Jahrgang 1989, Heft 9, S.247
  10. z. B. Alarich, König der Westgoten wurde in den 1890er Jahren ein großer Bühnenerfolg in Berlin und Straßburg
  11. z. B. Tim Lenoir, Henry Lowood: Theaters of War, the military entertainment complex. Stanford / Berlin 2003

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