Julius Hackethal

Julius Hackethal

Karl-Heinz Julius Hackethal (* 6. November 1921 in Reinholterode, Kreis Heiligenstadt, heute Eichsfeldkreis; † 17. Oktober 1997 in Bernau am Chiemsee) war ein Chirurg, Befürworter der Sterbehilfe und Autor vieler standeskritischer Bücher. Er warf seinen Ärztekollegen zahlreiche Kunstfehler vor.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Julius Hackethal wuchs auf dem Bauernhof seiner Eltern auf. Er und seine Geschwister mussten bei der Bewirtschaftung des 75 Hektar großen Anwesens helfen. Seine Mutter wollte, dass er Landarzt wird.

Er meldete sich freiwillig zur Wehrmacht. Dies war gegen den Wunsch seiner Eltern, die sich daraufhin über einen Verwandten bemühten, dass er doch noch Medizin studieren würde. Er gelangte hierdurch an die militärärztliche Akademie, wo er ein Gehalt erhielt und die Ränge Fahnenjunker, Feldwebel und später Feldunterarzt bekleidete. Hackethal studierte Medizin in Berlin, Würzburg und Göttingen. Bei Kriegsende war er im 8. Semester. Zu dieser Zeit wohnte er in der Nähe von Göttingen und hörte davon, dass die Universität Göttingen Notapprobationen vergab. Er fuhr unter abenteuerlichen Umständen nach Göttingen und bestach die Sachbearbeiter mit einer Kiste Eckstein-Zigaretten, um das Verfahren noch abzuschließen, bevor die Amerikaner anrückten. Seine Dissertation wurde am 19. Juli 1945 veröffentlicht.[1]

Bis 1950 absolvierte er seine chirurgische Ausbildung am Kreiskrankenhaus in Eschwege. 1952 wechselte er an die Orthopädische Universitätsklinik in Münster; 1954 folgte die Habilitation im Fach Orthopädie, 1956 zusätzlich für Chirurgie an der Universität Erlangen-Nürnberg. 1962 wurde er zum außerordentlichen Professor ernannt. 1981 bis 1988 leitete er eine private Krebsklinik am Chiemsee, 1989 gründete er eine eigene Klinik für Ganzheitsmedizin und ausgewählte Chirurgie in Riedering/Spreng.

Er starb im Alter von 75 Jahren an Lungenkrebs.

Beruf

Erlanger Professorenstreit

Er erregte erstmals 1963 Aufsehen, als er in Erlangen dem Klinikchef in der Chirurgie 138 schwere Kunstfehler vorwarf, von denen mehr als die Hälfte tödlich ausgegangen seien. Angesichts der Zustände in Erlangen wollte Hackethal so nicht mehr weiterarbeiten und verweigerte den Gehorsam, worauf er entlassen wurde. Die Auseinandersetzung wurde als „Erlanger Professorenstreit“ öffentlich bekannt. In einem Fall stellte Hackethal sogar Anzeige wegen Mordes. Alle 138 vermeintlichen Kunstfehler wurden innerhalb kürzester Zeit aufgeklärt. Der Klinikchef erwirkte durch eine einstweilige Verfügung, dass Hackethal die Vorwürfe nicht mehr äußern durfte. Hackethals akademische Karriere war damit beendet. Den bis dahin für seine Publikationen benutzten Autorennamen „Karl Heinz Hackethal“ ersetzte er im folgenden, für seine nunmehr rein populären Werke, durch „Julius Hackethal“.[2]

1965 wurde er Assistenzarzt am Städtischen Krankenhaus Lauenburg und arbeitete sich zum Chefarzt hoch. Bis 1974 blieb er Chefarzt der Chirurgie, ehe er eine eigene Praxis eröffnete. Sein Buch Auf Messers Schneide machte ihn 1976 einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Darin plädierte er für Behandlungsalternativen, mehr Ethik in der Medizin sowie eine bessere Patient-Arzt-Beziehung. Ein Jahr später folgte das Buch Nachoperation. Er verarbeitete darin seine Erlanger Erfahrungen mit der Krankenhaushierarchie.

Durch seine zahlreichen öffentlichen Auftritte und Publikationen wurde er zu einem der bekanntesten und auch umstrittensten Mediziner in Deutschland. Er war Sachverständiger in zahlreichen Prozessen wegen ärztlicher Kunstfehler und griff seine Standeskollegen wiederholt scharf an.

Thesen zur Krebsbehandlung

Seine Thesen zur Krebsbehandlung waren u.a., dass man in der etablierten Medizin eine „Verstümmelungsstrategie“ bei der Krebsbehandlung anwenden würde. Die Art der Operationen und die Anwendung der Chemotherapie würden oft unnötige Schäden verursachen. 1981 fuhr er in die Cleveland-Klinik nach Ohio, um sich über die dortige Krebsbehandlung zu informieren. Danach vertrat er die These, dass man einige Krebsarten besser in Ruhe lasse anstatt sie zu operieren. Er prägte hierfür den Begriff „Haustierkrebs“. Seine Thesen zur Krebsvorsorge und Krebsbehandlung, insbesondere von Prostatakrebs, waren sehr umstritten.

Sterbehilfe

Mitte der 1980er Jahre engagierte sich Hackethal in der Sterbehilfe und für die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben. Er setzte sich für aktive Sterbehilfe ein und bekannte, dass er seiner Mutter eine tödliche Spritze gegeben habe. Aufsehen erregte ein von ihm gedrehter Film, der zeigte, wie er einer schwer an Gesichtskrebs erkrankten Frau Zyankali gab. Zu einer Verurteilung kam es nicht, da die Frau den Becher mit dem Gift selbstständig ausgetrunken hatte.[3]

Im Laufe seines Wirkens wurden gegen Hackethal zahlreiche Strafverfahren und auch standesrechtliche Verfahren eingeleitet, unter anderem wegen Tötung auf Verlangen, da ihm vorgeworfen wurde, dass er Todkranken aktive Sterbehilfe geleistet habe; er wurde jedoch nie verurteilt. Weiterhin strengte er selbst zahlreiche Verfahren an. Nach eigenen Angaben gab er im Laufe seines Lebens eine halbe Million DM für Gerichtskosten aus.

Schriften

  • Auf Messers Schneide. Kunst und Fehler der Chirurgen. Rowohlt, Reinbek 1976; Lübbe, Bergisch Gladbach 1995
  • Nachoperation. Noteingriff zur Korrektur eines patientenfeindlichen Gesundheitssystems. Molden, Wien 1977; Lübbe, Bergisch Gladbach 1995
  • Sprechstunde. Fälle, Operationen, Ratschläge. Erfahrungen aus dem Gebiet der Chirurgie des Bewegungssystems. Molden, Wien 1978; Lübbe, Bergisch Gladbach 1994
  • Krankenhaus. Über Patientenschicksale und Zustände in unseren Kliniken. Molden, Wien 1979; Lübbe, Bergisch Gladbach 1994
  • Keine Angst vor Krebs. Kronzeuge Prostatakrebs gegen die schulmedizinische Rabiat-Strategie bei Krebs. Molden, Wien 1978; Lübbe, Bergisch Gladbach 1994
  • Operation – ja oder nein? Ratschläge für Kranke und Gesunde. Goldmann, München 1980; Lübbe, Bergisch Gladbach 1994
  • Humanes Sterben. Mitleidstötung als Patientenrecht und Arztpflicht. Herbig, München 1988
    • Korrigierte Taschenbuch-Ausgabe als: Humanes Leben bis zuletzt. Für ein Selbstbestimmungsrecht des Patienten. Ullstein, Frankfurt am Main 1990; Lübbe, Bergisch Gladbach 1995
  • Der Meineid des Hippokrates. Von der Verschwörung der Ärzte zur Selbstbestimmung des Patienten. Lübbe, Bergisch Gladbach 1992; Taschenbuch ebd. 1993
  • Der Wahn, der mich beglückt. Karriere und Ketzerei eines Arztes. Lübbe, Bergisch Gladbach 1995; Taschenbuch ebd. 1997 (Autobiografie)

Einzelnachweise

  1. Karl Heinz Hackethal: Das histologische Bild bei juvenilen Blutungen. Göttingen 19. Juli 1945, S. 38 (Medizinische Dissertation, Signatur: 4 U 45/48.3886, (hier bestellbar), abgerufen am 26. Mai 2011).
  2. Siehe DNB-Eintrag
  3. Helfen Sie, ich kann so nicht weiterleben. In: Der Spiegel. Nr. 18, 1984, S. 237-246 (online).

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Hackethal — ist der Familienname folgender Personen: Andreas Hackethal (* 1971), deutscher Professor für Finanzen und Dekan der Goethe Business School Christoph Hackethal (1899–1942), deutscher katholischer Pfarrer und Gegner des NS Regimes Franz Hackethal… …   Deutsch Wikipedia

  • Julius — ist ein männlicher Vorname. Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft und Bedeutung des Namens 2 Namenstag 3 Varianten 4 Bekannte Namensträger …   Deutsch Wikipedia

  • Hackethal — Hạckethal,   Karl Heinrich Julius, Mediziner, * Reinholterode (Landkreis Eichsfeld) 6. 11. 1921, ✝ Bernau 17. 10. 1997; ab 1956 als Chirurg in Erlangen (1962 Professor), 1964 80 in Lauenburg/Elbe, danach in Aschau in Chiemgau. Das seit 1981 in… …   Universal-Lexikon

  • Julio — Julius ist ein männlicher Vorname. Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft und Bedeutung des Namens 2 Namenstag 3 Varianten 4 Bekannte Namensträger 4.1 Vorname …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Biografien/Haa–Had — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Liste von bekannten Persönlichkeiten der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg — An der Friedrich Alexander Universität Erlangen Nürnberg haben folgende bekannte Persönlichkeiten studiert oder gelehrt: Bekannte Studenten und Absolventen Siegfried Balleis (* 1953), Oberbürgermeister von Erlangen, Absolvent der Wirtschafts und… …   Deutsch Wikipedia

  • Köhnlechner — Manfred Köhnlecher (* 1. Dezember 1925 in Krefeld; † 10. April 2002 in Grünwald bei München) war ein bekannter Jurist und zu seinen Lebzeiten der bekannteste deutsche Heilpraktiker. Es gilt als sein Verdienst, die Alternativmedizin in Deutschland …   Deutsch Wikipedia

  • Marion Ploch — Mit Erlanger Baby bezeichnete man den Fall einer hirntoten Schwangeren, deren Körper 1992 im Erlanger Universitätsklinikum künstlich am Leben erhalten wurde, um ihr Kind auszutragen. Der Versuch scheiterte jedoch. Inhaltsverzeichnis 1 Sachverhalt …   Deutsch Wikipedia

  • Edi Hornischer — (eigentl. Eduard Hornischer; Pseudonym Eddy Horn, Edi der Freitagsdichter u. a., * 16. Dezember 1934 in Prag; † 24. Februar 2001 in Ochsenfurt) war, wie er selbst schrieb, „von Beruf Rechtsanwaltsknecht, von Berufung jedoch Humorist“. In seinem… …   Deutsch Wikipedia

  • Eichsfeld — Typische Eichsfelder Landschaft: Dörfer zwischen Feldern und bewaldeten Hügeln …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”