Jugoslawienkrise

Jugoslawienkrise
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Die Bevölkerungsgruppen Jugoslawiens 1991

Als Jugoslawienkriege (oft auch Jugoslawienkrise oder Balkankonflikt genannt) wird eine Serie von Kriegen auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien gegen Ende des 20. Jahrhunderts bezeichnet.

Im einzelnen handelte es sich um die folgenden Kriege:

Nach dem Fall der Berliner Mauer und dem Ende der sozialistischen Ära in Europa forderten vor allem Slowenien und Kroatien unter Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker den Umbau Jugoslawiens zu einer Konföderation und eine Umorientierung hin zur parlamentarischen Demokratie und Marktwirtschaft. Montenegro und Serbien setzten sich hingegen weiterhin für den Fortbestand des sozialistischen jugoslawischen Gesamtstaates ein.

Nach den ersten freien Wahlen erklärten zunächst Slowenien und Kroatien am 25. Juni 1991 ihre Unabhängigkeit, gefolgt von Bosnien und Herzegowina und Mazedonien.

Im Laufe der Konflikte versuchte die Jugoslawische Volksarmee (JNA), unter der Führung von Veljko Kadijević und Blagoje Adžić, die Unabhängigkeitsbestrebungen in Slowenien (10-Tage-Krieg) und Kroatien militärisch niederzuwerfen. 1992 weitete sich der Krieg auch auf Bosnien und Herzegowina aus.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Die Jugoslawienkriege wurden unter anderem durch die schweren ökonomischen Probleme verursacht, denen sich Jugoslawien in den 1980er Jahren ausgesetzt sah, verbunden mit einer nationalistischen Politik und Propaganda, die vor allem von der damaligen serbischen und kroatischen Macht-Elite, aber auch von Politikern anderer Teilrepubliken ausging. Offiziellen Verlautbarungen zur Folge lag eine wesentliche Ursache des Streits zwischen den Republiken in der Verteilung der finanziellen Mittel zwischen den Teilrepubliken (ähnlich dem deutschen Länderfinanzausgleich). Angesichts der aufgrund der Hyperinflation immer geringeren zur Verfügung stehenden Mittel beanspruchten Kroatien und Slowenien als die wohlhabenderen Teilrepubliken größere Teile der bei ihnen erwirtschafteten Mittel für sich, während die ärmeren Länder Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, Montenegro sowie Serbien mit seinen beiden autonomen Provinzen Kosovo und Vojvodina einen höheren Anteil als Ausgleich für die schlechte Wirtschaftslage für sich verlangten. Dieser Konflikt konnte, auch aufgrund eines nicht klar etablierten Regierungssystems nach Titos Tod 1980, nicht politisch gelöst werden.

In dieser bereits aufgeheizten Atmosphäre veröffentlichte 1986 die Serbische Akademie der Wissenschaften und Künste das Sanu-Memorandum, in dem das politische System Jugoslawiens angegriffen wird und von einer systematischen Benachteiligung des serbischen Volkes die Rede ist. Es sprach von einem „Genozid“ an den Serben im Kosovo. Dieses Memorandum war eine der Initialzündungen für einen immer stärker aufkommenden Nationalismus innerhalb der albanischen und serbischen Volksgruppe, aber auch der anderen jugoslawischen Völkern. Besonders durch die Politik von Slobodan Milošević, der seit 1984 Leiter der Belgrader Regionalgruppe und seit September 1987 Parteisekretär des Bundes der Kommunisten Serbiens war, wurden diese nationalistischen Spannungen verschärft. Einen weiteren Auftrieb erhielten diese, als 1989 unter Milošević mit dem Ziel seiner Machterweiterung initiierte Änderung der serbischen Verfassung die seit 1974 bestehende Autonomie des Kosovo und der Vojvodina abgeschafft wurde. Dies geschah im Rahmen der so genannten Antibürokratischen Revolution. Die politische Führung der Regionen wurde durch Gefolgsleute von Milošević ersetzt. Zusätzlich angeheizt wurde das politische Klima auch durch nationalistische, antiserbische und antisemitische Äußerungen des späteren kroatischen Staatspräsidenten Franjo Tuđman, der etwa mehrfach betonte, dass er stolz bzw. glücklich sei, „weder mit einer Jüdin noch einer Serbin“ verheiratet zu sein.

Im Sog der politischen Umwälzungen in den anderen sozialistischen Staaten Osteuropas 1989/90 bildeten sich auch in Jugoslawien neue Parteien, und es kam 1990 zu ersten freien Wahlen in einigen Teilrepubliken, die in Kroatien und Slowenien mehrheitlich von nationalistisch agierenden sowie zur staatlichen Unabhängigkeit strebenden Parteien gewonnen wurden. Nachdem in Referenda in Slowenien und Kroatien (die Krajina-Serben boykottierten jedoch das Referendum) jeweils mit großer Mehrheit für die Loslösung aus dem Staat Jugoslawien gestimmt hatten, proklamierten am 25. Juni 1991 zunächst Slowenien und dann Kroatien ihre Unabhängigkeit, was von Teilen der jugoslawischen Führung als Verfassungsbruch angesehen wurde. Dies war aufgrund unklarer Formulierungen in der Verfassung von 1974 möglich, in der zwar das Selbstbestimmungsrecht der Völker Jugoslawiens festgeschrieben war, aber Modalitäten für einen Austritt der einzelnen Republiken aus der Föderation nicht einmal in Erwägung gezogen worden waren. Die Belgrader Führung versuchte unter maßgeblichem Einfluss von Milošević, die Unabhängigkeit mit Hilfe der Jugoslawischen Volksarmee (JNA) zu verhindern. So kam es im Juni 1991 in Slowenien zu ersten Kämpfen zwischen der jugoslawischen Armee und den slowenischen Streitkräften. Die weiteren in Jugoslawien vorhandenen Konflikte entwickelten sich zum offenen Krieg. Insbesondere in den Republiken mit ethnisch weitgehend heterogener Bevölkerung (Bosnien-Herzegowina, Kroatien) wurden die Kämpfe hart und lang andauernd geführt. So forderte dieser Balkankrieg allein in Bosnien um die 100.000 Todesopfer. Es kam zu Massenfluchten, Vertreibungen und Zerstörungen. Da die seinerzeit nominell viertgrößte Armee Europas, die JNA, jugoslawisch orientiert war, mussten die Republiken Slowenien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina eigene Armeen aus Polizei und Territorialverteidigung improvisieren. Oberbefehlshaber der JNA war Veljko Kadijević. Bei der Territorialverteidigung handelte es sich um eine parallel zur Armee existierende Institution, welche mit einer der Feuerwehr ähnlichen Organisationsform im Falle eines Angriffes schnell und unbürokratisch die Verteidigung bis zum Eintreffen der Armee organisieren sollte und dem Befehl der Gemeindeverwaltung unterstand. Die Waffen der kroatischen Territorialverteidigung wurden bereits im Mai 1990 von der JNA beschlagnahmt, die der bosnischen wenig später. Lediglich die Polizei behielt ihre leichte Bewaffnung. Die Kroatische Armee wurde seit 1990 jedoch schrittweise verstärkt und aufgerüstet. Die meisten westlichen Staaten waren im Jahr 1991 noch fest entschlossen, Jugoslawien als Staat zu erhalten, kamen jedoch mit der Zeit zur Einsicht, dass dies nicht mehr zu verwirklichen war. Die im Jahr 1992 von der EU eingesetzte Badinter-Kommission stellte abschließend fest, dass die Grenzen der ehemaligen Teilrepubliken Jugoslawiens als zwischenstaatliche Grenzen der nun souveränen Nachfolgestaaten zu betrachten seien.

Chronologie der innerjugoslawischen Konflikte nach 1945

Massaker von Bleiburg

Die Reste der verschiedenen Kämpfer (und die mit ihnen verbundenen Zivilisten), die nicht auf Seiten der Partisanen standen und sich in das von den Alliierten kontrollierte Österreich geflüchtet hatten, werden von britischen Offizieren auf Titos Verlangen zu Tausenden nach Jugoslawien zurückgeschickt und innerhalb von Stunden nach ihrer Ankunft massakriert. Insgesamt werden 1945/46 bei Massenerschießungen, „Todesmärschen“ und in den Gefangenenlagern Titos nach verschiedenen Schätzungen bis zu mehreren hunderttausend Menschen getötet (siehe: Massaker von Bleiburg).

Diese Ereignisse, wie auch ein Teil der während des zweiten Weltkriegs von Jugoslawen an Jugoslawen ausgeübten Kriegsverbrechen, werden in den folgenden Jahren öffentlich weitgehend totgeschwiegen. Tatsächliche oder vermeintliche politische Gegner der kommunistischen Regierung werden darüber hinaus durch Einschüchterung, Zwangsarbeit, willkürliche Festnahmen und Strafen bekämpft. Auch Führer und aktive Mitglieder der Religionsgemeinschaften werden in den ersten Jahren starkem Druck ausgesetzt. Als potentielle Gegner betrachtete muslimische Gläubige werden zum Teil ohne Untersuchung oder Gerichtsverhandlung getötet.

Widerstand der „Jungen Muslime“ 1949

Die Studentenorganisation „Mladi Muslimani“ (dt. „Junge Muslime“), die Verbindung zu Vereinigungen aus islamischen Staaten hat, leistet der Kampagne gegen den Islam Widerstand. Ihr wird eine pro-islamische Revolte vorgeworfen. Vier Mitglieder werden zum Tod verurteilt, mehrere hundert zu Haftstrafen.

Erste Bestrebungen zur Unabhängigkeit 1967

Kroatische Sprachwissenschaftler und verschiedene Studentenorganisationen fordern die Wiedereinführung der kroatischen Sprache und verlangen ein Abschaffen der Bezeichnung des Serbokroatischen in Kroatien.

Gleichzeitig hatte sich die mazedonische Kirche gegen den Willen des serbischen Patriarchats für autokephal erklärt. Auch von den anderen orthodoxen Kirchen - einschließlich des Patriarchats von Konstantinopel - wurde die selbständige mazedonische Kirche bisher nicht anerkannt.

Franjo Tuđman wird aus der kommunistischen Partei (KP) wegen seiner politischen Thesen, die eine Unterdrückung von Kroaten durch Serben behaupteten und die bereits in jener Zeit als kroatisch-nationalistisch bezeichnet wurden, ausgeschlossen.

1970

In Sarajevo veröffentlicht Alija Izetbegovic sein Buch Islamische Deklaration (Islamska deklaracija).

Kroatischer Frühling 1971

Tausende kroatische Studenten und Intellektuelle, unter denen sich auch der heutige Präsident Kroatiens Stipe Mesić befand, demonstrierten während des kroatischen Frühlings für mehr Souveränität des kroatischen Volkes innerhalb Jugoslawiens und forderten gleichzeitig, dass ein größerer Teil des in Kroatien erwirtschafteten Kapitals für Investitionen in Kroatien (z. B. Autobahnen und andere infrastrukturelle Projekte) verwendet werden sollte. Dem Staatspräsidenten Josip Broz Tito gelang es nach Massenverhaftungen, diese politische - aus seiner Sicht separatistische und nationalistische - Bewegung niederzuschlagen. Zu den Hauptangeklagten, die nach der Beendigung der kroatischen antikommunistischen Bewegung wegen „konterrevolutionärer Umtriebe“ verhaftet wurden, zählten sowohl Franjo Tuđman als auch der heutige kroatische Staatspräsident Mesić.

Gleichzeitig wurde eine illegale Veröffentlichung eines kroatischen Wörterbuches, das von jugoslawischen Behörden verboten wurde, bekannt.

Weitere Autonomiebestrebungen 1974

Initiiert vom Zentralkomitee des BdKJ beschloss die Bundesversammlung 1974 eine neue Verfassung, mit der die einzelnen Teilrepubliken ein höheres Maß an Autonomie erhielten. Die Republik Serbien wurde mit der Autonomieausrufung des Kosovos und der Vojvodina dreigeteilt. Ein Grund hierfür waren Autonomiebestrebung von Albanern und Ungarn, die zum damaligen Zeitpunkt drei Viertel (laut Zensus von 1971: 73,7 %[1]) bzw. circa ein Fünftel (laut Zensus von 1981: 16,9 %[2]) der dortigen Bevölkerung ausmachten.

Weitere Geschehnisse bis 1980

Morde an Dutzenden von Exilkroaten und Exilalbanern durch den jugoslawischen Geheimdienst UDBA und gewalttätige Vergeltungsaktionen von Exilkroaten in und außerhalb Jugoslawiens, gegen jugoslawische Einrichtungen und Zivilisten werden durchgeführt.

Tod Titos 1980

Am 4. Mai stirbt Jugoslawiens Staatspräsident Josip Broz Tito im Alter von 88 Jahren. Ein kollektives Staatspräsidium mit jährlich wechselndem Vorsitz (Serben, dann Kroaten, dann Slowenen) übernimmt die Regierung in Jugoslawien.

Erste Unruhen im Kosovo 1981

In der Sozialistischen Autonomen Provinz Kosovo kommt es zu Unruhen. Albaner verlangen die Schaffung einer mit den anderen Teilrepubliken gleichberechtigten Teilrepublik Kosovo und den Status eines Staatsvolks. Dies wird von allen Teilrepubliken sowie der jugoslawischen Bundesregierung verweigert; Proteste werden niedergeschlagen und der Ausnahmezustand über die Region verhängt. Zahlreiche Menschen wurden dabei getötet. Albanische Aktivisten wurden wegen konterrevolutionärer Aktivitäten zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

Klage gegen Alija Izetbegović 1983

In Bosnien wird ein Gerichtsprozess wegen „feindseliger und konterrevolutionärer Handlungen aus muslimisch-nationalistischen Gründen“ gegen 13 muslimische Aktivisten durchgeführt. Hauptbeklagter ist Alija Izetbegović, der 13 Jahre zuvor seine „Islamische Deklaration“ geschrieben hatte. Die Angeklagten, von denen einige am Ende des Zweiten Weltkriegs zu der Organisation „Junge Muslime“ gehört hatten, werden beschuldigt, die Ziele einer „terroristischen“ Organisation wiederbelebt zu haben. Izetbegović wird gleichzeitig vorgeworfen, die Einführung einer parlamentarischen Demokratie westlichen Stils befürwortet zu haben. Das Gericht verurteilt ihn zu einer 14-jährigen Gefängnisstrafe, die nach der Berufung auf elf Jahre reduziert wird.

1986

Serbische Intellektuelle fordern im Sanu-Memorandum ein Ende der so genannten „Diskriminierungen des serbischen Volkes“. Das Memorandum behauptet unter anderem einen Genozid am serbischen Volk im Kosovo und eine Verschwörung Kroatiens und Sloweniens gegen Serbien. Eine Revision der jugoslawischen Verfassung von 1974 wird gefordert. Gleichzeitig wird der Kosovo-Albaner Sinan Hasani routinemäßig zum jugoslawischen Staatsoberhaupt gewählt.

Aufheizung der Stimmung 1987

Im April 1987 bereist Slobodan Milošević den Kosovo und lässt sich auf verschiedenen Veranstaltungen im Beisein der Medien die Sorgen der Serben und Montenegriner mitteilen. Die orthodoxe Bevölkerung berichtet von einem massiven wirtschaftlichen, politischen und psychischen Druck durch die Albaner. Nach einer Rede im Kulturhaus von Kosovo Polje wird die Stimmung endgültig angeheizt: Eine aufgestachelte serbische Menschenmenge provoziert die mehrheitlich mit Kosovo-Albanern besetzte Polizei mit Steinwürfen. Die Polizei geht daraufhin mit Schlagstöcken gegen die serbischen Nationalisten vor. Als Milošević vor das Gebäude tritt und die Menschen rufen „Sie schlagen uns!“, antwortet er: „Niemand darf euch schlagen!“ („niko ne sme da vas bije“). In den kommenden Monaten knüpft Milošević engere Beziehungen zur orthodoxen Kirche und nutzt seine Kontakte zu den Medien zu einer zunehmend nationalistischen, pro-jugoslawischen Kampagne. Slobodan Milošević wird zudem Vorsitzender der serbischen Kommunistischen Partei.

1988

Slobodan Milošević wird Präsident der Teilrepublik Serbien. Im Oktober 1988 veranlasst Slobodan Milošević die Regierungen der Vojvodina und Montenegros durch seine Gefolgsleute zu ersetzen. Alija Izetbegovic wird derweil zur Beruhigung der angespannten Lage im Kosovo frühzeitig aus der Haft entlassen.

Erste große Unruhen 1989

Im Februar 1989 stimmt das Parlament der SR Serbien einer Verfassungsänderung zu. Damit wird die 1974 beschlossene Autonomie der Sozialistischen Autonomen Provinz Kosovo und der Sozialistischen Autonomen Provinz Vojvodina wieder rückgängig gemacht. Darauf flammen im Kosovo Unruhen auf, der Ausnahmezustand wird verhängt. In der Folgezeit werden die Albaner von Serben aus nahezu allen Bereichen des öffentlichen Lebens verdrängt.

Am „Vidovdan“ (St.-Veits-Tag) findet eine von hunderttausenden Serben besuchte Kundgebung in Gazimestan auf dem Amselfeld statt. Slobodan Milošević verlangt auf dieser Veranstaltung mehr Rechte und Einfluss für die Serben im jugoslawischen Staatsverband und betont in seiner Rede: „(...) heute befinden wir uns wieder in Kriegen und werden mit neuen Schlachten konfrontiert. Dies sind keine bewaffneten Schlachten, obwohl diese nicht ausgeschlossen werden können.“[3]

Innenpolitisch wird die Situation in Serbien verschärft. Die Medien werden gleichgeschaltet, kritische Journalisten entlassen. Oppositionelle Personen haben Hetzkampagnen zu befürchten. Die ultranationale „Tschetnik-Bewegung“ unter Vojislav Šešelj kann sich als Partei registrieren lassen.

Viele Slowenen und Kroaten fühlen sich durch den serbischen Machtanspruch bedroht. Bei ihnen wächst der Wunsch, den jugoslawischen Staat zu verlassen. Slowenien diskutiert die „asymmetrische Föderation“ (nicht jede Republik soll auf gleicher Art in die jugoslawische Föderation eingebunden sein) und schafft als erste Teilrepublik das Parteimonopol ab und setzt freie Wahlen an. Der Demokratisierungsprozess gerät zunehmend in Konflikt mit der zentral organisierten, traditionell kommunistischen Obrigkeit. Es kommt im Laufe des Jahres mehrfach zu Ereignissen, durch die sich die Beziehungen zu Serbien verschlechtern (z. B. im Februar eine Veranstaltung, bei der die Situation der Albaner im Kosovo angeprangert wird; im Sommer der Prozess gegen Redakteure der Jugendzeitschrift „Mladina“ wegen der Publikation von Armeedokumenten, in denen die geplanten Aktivitäten im Falle von Massendemonstrationen beschrieben waren). Im September und Oktober wird eine neue slowenische Verfassung entworfen und verabschiedet, in der Slowenien sich legislative Souveränität gibt und ausdrücklich das Recht auf Sezession erklärt. Als die slowenische Polizei im Dezember 1989 ein geplantes „Meeting Brüderlichkeit und Einheit“ in Ljubljana verbietet, bricht der schwelende Konflikt aus. Serbien boykottiert slowenische Produkte und bricht wissenschaftliche und kulturelle Kontakte ab.

Die kroatische Führung hält sich in dieser Zeit der Spannungen noch stark zurück. In Knin (zum Teil von Serben besiedelt) findet Mitte 1989 sogar ein „Meeting“ statt. Besonders der Slogan „Das hier (dieses Gebiet) ist Serbien“ stößt in Kroatien auf Verbitterung. Tschetniks, die dabei auftauchen, werden in der Belgrader Presse noch als „Statisten des kroatischen Fernsehens“ abgetan.

Die Hyperinflation verschärft 1989 die wirtschaftlichen Probleme. Der Staatsbankrott kann nur durch eine Intervention des Internationalen Währungsfonds abgewendet werden. Im Dezember 1989 wird der Dinar, der mittlerweile als wertloses Papiergeld in dicken Bündeln kursiert (am 19. Dezember 1989 bekam man für 1 DM (umgerechnet 0,51 €) immerhin 70.000 Dinar), im festen Verhältnis 7:1 an die Deutsche Mark gekoppelt, und es werden vier Nullen gestrichen.

Kriegsausbruch

Krisenbeginn 1990

Der politische Zerfall Jugoslawiens

Die wirtschaftliche Talfahrt geht weiter. Die Inflation kann auf einen noch knapp zweistelligen Wert gedrückt werden. Aber der feste, realitätsfremde Wechselkurs zur Deutschen Mark erschüttert die bisher weitgehend stabile Wirtschaft in der SR Slowenien und der SR Kroatien, die bisher sehr exportorientiert waren und erhebliche Deviseneinnahmen aus dem Tourismus erzielen konnten.

Die Teil-Republiken Slowenien und Kroatien beginnen 1990, zunächst nicht mehr die vollen Steuern und Zölle an die Bundeskasse abzuführen und stellen ihre Zahlungen, auch die in den Republikenausgleichsfonds, dann ganz ein. Die Sparer, die von jeher ihre Ersparnisse überwiegend in Devisen angelegt haben, verlieren ab Mitte 1990 immer mehr das Vertrauen in das marode System. Immer mehr Sparer ziehen ihre Deviseneinlagen von den Banken ab oder vertrauen sie spekulativen Unternehmen wie der in Serbien neugegründeten Privatbank Jugoskandik an. Im Oktober 1990 wird die Situation kritisch, innerhalb weniger Tage fließen umgerechnet über 3 Milliarden Dollar ab. Als damit die Devisenreserven des Bundesstaates immer schneller dahinschmelzen und der Staatsbankrott nun nicht mehr abwendbar scheint, bleibt der Regierung Marković nichts anderes übrig, als sämtliche Devisenkonten zu sperren. Damit werden sämtliche Sparer, die sich ihre Einlagen noch nicht haben auszahlen lassen, faktisch enteignet.

Am 22. Januar 1990 verlassen die Delegierten der slowenischen und kroatischen Kommunisten den außerordentlichen Parteikongress des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens, weil ihre Reformvorstellungen abgelehnt werden. Der Kongress wird vertagt, ohne dass er jemals wieder seine Arbeit aufnimmt. Diese Entwicklungen führen zum Auseinanderfallen der Kommunistischen Partei Jugoslawiens.

Im April 1990 werden erste demokratische Wahlen in den Teilrepubliken Slowenien und Kroatien abgehalten.

In Slowenien wird der Reformkommunist Milan Kučan zum Staatspräsidenten gewählt. Die Regierung wird vom Oppositionsbündnis „Demos“ gestellt. Sie erklärt im Juli die Souveränität Sloweniens und kündigt an, eine jugoslawische Konföderation mit anderen Republiken anzustreben. Dagegen kommen heftige Proteste aus Belgrad. Ein weiterer Konfliktpunkt ist der Wille der slowenischen Regierung, den Dienst ihrer Rekruten nur noch auf die Heimatregion zu beschränken. Es wird begonnen, eine eigene slowenische Bürgerwehr aufzustellen.

In Kroatien geht die Kroatische Demokratische Gemeinschaft (HDZ) unter Vorsitz von Franjo Tuđman als Sieger aus den Wahlen hervor. (Die Kommunisten hatten für sich einen relativen Wahlsieg erwartet und ein Wahlsystem unterstützt, das einen relativen Wahlsieger erheblich begünstigte). Die Serbische Partei erhielt etwa 12 Prozent der Stimmen, was dem serbischen Bevölkerungsanteil in Kroatien entspricht.

Slowenien und Kroatien legen einen Verfassungsentwurf für eine Umwandlung der jugoslawischen Föderation in die losere Form einer Konföderation vor.

Das kroatische Parlament führt in Kroatien Kroatisch als Amtssprache ein und schränkt den administrativen Gebrauch der kyrillischen Schrift ein. In den serbisch besiedelten Gebieten wird versucht, die kyrillisch beschrifteten Ortstafeln durch solche mit lateinischer Schrift zu ersetzen. Die Zahl der Polizisten, die Serben sind, soll auf 12 %, entsprechend dem Anteil an der Bevölkerung, reduziert werden. Das gleiche gilt für leitende Positionen im wirtschaftlichen Bereich. Andererseits wird den Serben kulturelle Autonomie und eigene Verwaltung der von ihnen bewohnten Gebiete angeboten. Den serbischen Parlamentsabgeordneten wird das Amt des stellvertretenden Parlamentspräsidenten und ihre Vertretung in einigen wichtigen Gremien zugesagt. Diese Angebote verhallen jedoch angesichts der auffälligen „Kroatisierungsmaßnahmen“. In einer geplanten Verfassungsrevision wird der serbische Bevölkerungsteil, der zuvor den Status eines „Staatsvolkes“ innehatte, zur „Minderheit“ herabgestuft, was den Verlust einiger staatsbürgerlicher Rechte zur Folge hat. Bei den Serben Kroatiens beginnen Proteste, die mit diesen Maßnahmen begründet werden. Die Proteste werden von Belgrad aus logistisch und ideologisch unterstützt. Ideologisch wird vor allem behauptet, die kroatische Regierung plane einen Völkermord an den Serben ähnlich wie im 2. Weltkrieg. Es kommt zu gewalttätigen Aufständen und Blockaden gegen Kroatien.

In Bosnien-Herzegowina wird der Bosniake Alija Izetbegović Staatspräsident. Im gleichen Jahr ließ er wieder eine Neuauflage der „Islamischen Deklaration“ drucken. Slowenien und Kroatien kündigen für Juni 1991 ihre Unabhängigkeit an, falls es bis dahin nicht zu einer politischen Neuordnung Jugoslawiens kommt. In Slowenien stimmen am 23. Dezember bei einer Volksabstimmung 88,5 % für die staatliche Souveränität Sloweniens und ein endgültiges Ausscheiden, falls die politische Neuordnung nicht erfolgt.

1991

  • Anfang 1991 proklamieren Kosovo-Albaner die unabhängige „Republik Kosova“, die aber weder von Serbien noch international anerkannt wird, außer von Albanien, das Kosovo seither als unabhängigen Staat sieht.
  • Am 28. Februar wird in Knin (Kroatien) die „Serbische Autonome Provinz Krajina“ ausgerufen. Kroatische Familien werden vertrieben und serbische Flüchtlinge aus anderen Teilen des noch-jugoslawischen Bundeslandes Kroatien aufgenommen.
  • Ab März 1991 kommt es in Kroatien zu Zusammenstößen zwischen der kroatischen Polizei, der kroatischen Nationalgarde (Vorläufer der kroatischen Armee) sowie den paramilitärischen Kroatischen Verteidigungskräften auf der einen und Freischärlerverbänden der in Kroatien lebenden Serben, serbischen Freiwilligen und Tschetniks aus Bosnien und Serbien sowie der Jugoslawischen Volksarmee (JNA), welche die Aufstellung einer kroatischen Armee zu verhindern sucht, auf der anderen Seite.
  • Bei den Auseinandersetzungen gibt es teilweise Verletzte, etwa Anfang März in Pakrac. Die serbischen Medien melden von dort mehrere Tote und berichten, kroatische Polizisten hätten mit Maschinenpistolen auf unbewaffnete Zivilisten geschossen. Als sich die Unwahrheit dieser Meldungen herausstellt, kommt es in Belgrad zu großen Demonstrationen der Opposition und großer Teile der Bevölkerung gegen das Regime Milošević. Gegen die Demonstranten werden auch Panzer eingesetzt. Ein Demonstrant und ein Polizist kommen dabei ums Leben – die ersten Todesopfer des Jugoslawien-Konfliktes. Einige Tage danach, während vor allem von Studenten getragene Protestkundgebungen in Belgrad noch andauern, kommt es zu mehreren Zwischenfällen in Kroatien. Die Polizeistation im Naturschutzgebiet Plitvice wird von serbischen Freischärlern überfallen, wobei es zwei Tote gibt.
  • Am 1. April versucht die Bundesarmee angeblich noch, die kämpfenden Parteien in Kroatien zu trennen.
  • In der kroatischen Firmensiedlung Borovo Naselje werden am 2. Mai zwei kroatische Polizisten von serbischen Freischärlern getötet. Eine Gruppe von anderen Polizisten, die nach ihren Kollegen suchen, gerät in einen Hinterhalt. Insgesamt kommen 13 Kroaten und zwei Serben ums Leben.
  • Am 15. Mai scheitert die turnusgemäße Wahl des Kroaten Stipe Mesic zum Vorsitzenden des jugoslawischen Staatenbundes an Serbien.
  • Am 19. Mai entscheidet sich bei einem Referendum in Kroatien die kroatische Bevölkerung mit 93 % der Stimmen für die Trennung vom jugoslawischen Bund. Die serbische Minderheit boykottiert die Abstimmung.
  • In einem Fait accompli proklamieren Slowenien und Kroatien am 25. Juni 1991 ihre Unabhängigkeit. Slowenien übernimmt noch am selben Tag die Gewalt über seine Grenztruppen (wo aber die Überwachung der Grenzübergänge außer der so genannten „Grünen Grenze“ schon laut jugoslawischer Verfassung zur Kompetenz der jeweiligen Republiken gehörte). Am 26. Juni 1991 greift die Jugoslawische Volksarmee (JNA) in Slowenien ein, um die Unabhängigkeit zu verhindern. Von Belgrad aus starten MiG-29-Jagdflugzeuge und beschießen den Ljubljanaer Flughafen. Nach zehn Tagen wird unter Vermittlung der EG ein Waffenstillstand geschlossen. Die Bundesregierung in Belgrad erkennt, dass die Unabhängigkeit nicht mehr aufzuhalten ist. Da in Slowenien keine bedeutende serbische Minderheit lebt, die militärisch aktiv werden könnte, zieht der letzte JNA-Soldat im Oktober 1991 aus Slowenien ab. So verschiebt sich der Krieg nach Kroatien.
  • Besetzung des Gebietes um den Nationalpark Plitvicer Seen durch die Jugoslawische Volksarmee. Die Plitvicer Seen gehören heute zum UNESCO-Weltnaturerbe. Weite Teile dieses einzigartigen Naturparkes werden im Zuge der Kämpfe vermint und verunreinigt. In den folgenden Monaten kommt es zu schweren Konfrontationen zwischen der JNA und kroatischen Verbänden, hauptsächlich in der Lika, Kordun, Banija, Norddalmatien und in Ostslawonien (Osijek, Vukovar).
  • 5. Juli: Die EG verhängt ein Waffenembargo gegen Jugoslawien.
  • Mitte Juli eskalieren die Zwischenfälle in Kroatien zum offenen Krieg. Er wird vor allem um das mehrheitlich von Serben bewohnte Gebiet der Lika, Banovina, Kordun und Norddalmatien geführt. Aber auch größere kroatische Städte sowie Slawonien und West-Dalmatien, wo Serben eine Minderheit darstellen, sind betroffen. Ziel Serbiens ist, die Kontrolle über ein zusammenhängendes Territorium zu bekommen, um so den Anschluss der serbisch besiedelten Gebiete an die später gegründete Bundesrepublik Jugoslawien („Rest-Jugoslawien“) zu vollziehen. Die JNA beteiligt sich zunächst nicht direkt an den Kämpfen, unterstützt aber logistisch serbische Verbände. Als sich Kroatien zur Blockade der Kasernen der JNA auf ihrem Territorium entschließt, tritt die Armee offen als kriegführende Partei in Erscheinung. Sie beteiligt sich an dem Beschuss kroatischer Städte wie Vukovar und Dubrovnik und blockiert kroatische Adriahäfen.
  • 25. Juli: Der serbischstämmige Bevölkerungsteil Kroatiens erklärt aufgrund der sich abzeichnenden Verfassungsänderung die „Souveränität des serbischen Volkes in Kroatien“ und gründet einen Nationalrat.
  • Die deutsche Bundesregierung erwägt die völkerrechtliche Anerkennung von Kroatien und Slowenien, was bisher von der EG abgelehnt wurde.
  • Am 26. Juli wird die kroatische Verfassung geändert, die keine speziellen Gruppenrechte für die serbische Minderheit mehr vorsieht.
  • 23. August: Die kroatische Stadt Vukovar wird von serbischen Streitkräften angegriffen.
  • 24. August: Gewaltsame Unruhen greifen erstmals auf Bosnien und Herzegowina über. Die bosniakischen Truppen mit dem Kommandanten Naser Oric verüben bis 1992 Massaker und Verbrechen in und um Sarajevo, bei denen mindestens 50 serbische Dörfer zerstört werden und zahlreiche serbische Zivilisten getötet werden, 1.000 Opfer sind mittlerweile identifiziert.
  • 30./31. August: Mehrere zehntausend Mütter demonstrieren in Belgrad für die Entlassung ihrer Söhne aus dem Militär.
  • Im September 1991 haben serbische Milizen ein Drittel Kroatiens erobert. Wichtige Verbindungen nach Dalmatien sind unterbrochen.
  • 25. September: Der UN-Sicherheitsrat verhängt ein Waffenembargo gegen Jugoslawien.
  • 26. September: Aus Kräften der kroatischen Polizei und der Nationalgarde wird die kroatische Armee (HV) gebildet.
  • 1. Oktober: Die Altstadt von Dubrovnik wird angegriffen und teilweise zerstört (Schlacht um Dubrovnik). Sie zählt zum UNESCO-Weltkulturerbe und wurde von serbischer Seite aus beschossen.
  • 15. Oktober: Das Parlament Bosnien-Herzegowinas verabschiedet gegen die Stimmen der serbischen Vertreter ein Memorandum zur Unabhängigkeit.
  • 24. Oktober: Die serbische Regierung erklärt, sie wolle ein Jugoslawien unter Einschluss der „serbischen Gebiete in Kroatien und Bosnien-Herzegowina“ schaffen. Bosnische Serben gründen ein eigenes „Parlament“.
  • 12. November: In Sarajevo demonstrieren 100.000 Menschen für ein friedliches Zusammenleben aller drei Volksgruppen in Bosnien-Herzegowina.
  • 18. November: Nach 87 Tagen Belagerung (Schlacht um Vukovar) fällt die völlig zerstörte Stadt Vukovar in serbische Hand. Während der Gefechte wurden viele Kriegsverbrechen von beiden Volksgruppen, mehrheitlich an Kroaten, verübt.
  • Es tritt eine weitgehende militärische Waffenruhe ein, allerdings nicht als Ergebnis des Waffenembargos und der Wirtschaftssanktionen. Vielmehr wurden die serbischen Verbände von Kroaten gestoppt. Außerdem hat die kroatische Armee ihre Verteidigungslinien konsolidiert. Schließlich befindet sich die JNA in einer Umbruchphase von einer jugoslawischen zu einer rein serbisch dominierten Armee, nachdem das Personal der anderen Republiken aus der Bundesarmee zurückberufen oder entlassen wurde. Die JNA muss verstärkt serbische Reservisten mobilisieren.
  • 19. November: Mazedonien erklärt seine Unabhängigkeit.
  • Ende November: Im Kosovo stimmen bei einer geheimen Abstimmung mehr als 90 % der teilnehmenden Albaner für ihre Unabhängigkeit.
  • 3./5. Dezember: Bundeskanzler Kohl verspricht Slowenien und Kroatien unter Berufung an das Selbstbestimmungsrecht der Völker die Anerkennung noch im Jahr 1991. Sie erfolgt am 23. Dezember, ohne dass manche von der EG verlangten Bedingungen (z. B. ausreichender Minderheitenschutz in Kroatien) erfüllt sind.
  • 22. Dezember: Kroatien verabschiedet eine neue Verfassung als einheitlicher und souveräner Staat, die Krajina-Serben erklären sich für autonom und rufen ihrerseits die sogenannte Republik Serbische Krajina aus. Ziel ist die Vereinigung mit den bosnischen Serben und Serbien zu einem gemeinsamen serbischen Staat (Großserbien).
  • 23. Dezember: Bosnien und Herzegowina beantragt bei der EG seine Anerkennung.

1992

Grbavica, Stadtteil von Sarajevo
  • 2. Januar: Der UN-Sonderbeauftragte Cyrus Vance vereinbart mit der Führung in Belgrad und Zagreb einen Friedensplan, der die Stationierung von UN-Truppen (United Nations Protection Forces, UNPROFOR) ermöglicht.
  • 9. Januar: Bosnische Serben proklamieren in ihrem selbsternannten Parlament die Serbische Republik in Bosnien-Herzegowina
  • 15. Januar: Anerkennung Kroatiens und Sloweniens durch die EG
  • 3. März: Verkündung der Unabhängigkeit von Bosnien-Herzegowina, Beginn der militärischen Auseinandersetzungen zwischen bosnischen Serben auf der einen und bosnischen Kroaten und Bosniaken auf der anderen Seite.
Regierungsgebäude von Sarajevo durch serbische Granaten entzündet
  • 5. April: Beginn der Belagerung Sarajevos mit der Einnahme des Flughafens durch die Jugoslawische Volksarmee.
  • 6. April: Die EG beschließt die Anerkennung Bosnien-Herzegowinas. Daraufhin brechen in ganz Bosnien schwere Kämpfe aus.
  • 27. April: Serbien schließt sich mit Montenegro zur Bundesrepublik Jugoslawien zusammen.
  • 2. Mai: Vollständige Belagerung Sarajevos für 1.425 Tage.
  • 5. Mai: Das Staatspräsidium der Bundesrepublik Jugoslawien gibt den Oberbefehl über die Jugoslawischen Streitkräfte in Bosnien-Herzegowina ab. Militärische Infrastruktur, die der bosnischen Territorialverteidigung oder kroatischen Verbänden in die Hände fallen könnte, wird vernichtet. Den bosnischen Serben wird dagegen militärisches Großgerät überlassen.
  • 30. Mai: Der UN-Sicherheitsrat verhängt Sanktionen gegen Serbien und Montenegro.
  • Mitte des Jahres werden ausländische Mudschaheddin nach Bosnien eingeschleust, um auf Seiten der muslimischen (Bosniaken islamischen Glaubens) Streitkräfte zu kämpfen. In der Folge begehen die sich selber als Gotteskrieger bezeichnenden Freiwilligen schwere Gräueltaten an Serben und Kroaten.
  • 3. Juli: Proklamation der Kroatischen Gemeinschaft Herceg-Bosna durch die „Kroatische Demokratische Gemeinschaft“ (HDZ) unter Führung von Mate Boban. Zur Hauptstadt wird Mostar erklärt.
  • 2. August: Der Reporter Roy Gutman berichtet in der amerikanischen Zeitung „Newsday“ erstmals über Massenmorde in von bosnischen Serben betriebenen Internierungslagern, insbesondere Omarska, Keraterm, Trnopolje, Manjaca (alle in der Umgebung von der Stadt Prijedor). Der Sprecher des internationalen Komitees vom Roten Kreuz lässt verlauten, dass alle drei Konfliktparteien in Bosnien-Herzegowina Internierungslager eingerichtet hätten, Kroaten und bosnische Muslime beispielsweise in Čelebići und Slavonski Brod
  • 25. August: In der Nacht wird die Universität von Bosnien-Herzegowina in Sarajevo in Trümmer geschossen. Serbische Artilleristen aus den umliegenden Hügeln beschießen absichtlich das historische Gebäude mit Granaten, und die Bibliothek geht in Flammen auf. Ihr gesamter Bestand – eineinhalb bis zwei Millionen Bücher – verbrennt. Die Asche geht stundenlang auf die Stadt nieder. Die Bibliothek galt als eine der bestausgestatteten Südeuropas.
  • 26./27. August: Jugoslawien-Konferenz in London unter Vorsitz von EG und UNO. Alle Kriegsparteien einigen sich auf 13 Grundsätze zur Konfliktlösung, u. a. Beendigung der Kämpfe, Einhaltung von Menschen- und Minderheitenrechten, Auflösung der Internierungslager, Respektierung der territorialen Integrität aller Staaten der Region. Nachfolgeprobleme der neuen Staaten Ex-Jugoslawiens sollen durch Konsens oder in einem Schiedsverfahren geregelt werden. Ein Lenkungsausschuss unter Vorsitz der beiden Sonderbeauftragten Vance und Owen soll den Verhandlungsprozess zwischen den Kriegsparteien institutionalisieren.
  • 9. Oktober: Der UN-Sicherheitsrat verhängt ein Verbot für militärische Flüge über Bosnien-Herzegowina, welches in der Operation Sky Monitor von der NATO überwacht wird.

1993

Zerstörte Häuser in der Nähe des Flughafens von Sarajevo
UNPROFOR-Truppen in Sarajevo
  • 2. bis 5. Januar: Die beiden Vorsitzenden der Genfer Jugoslawienkonferenz, Owen und Vance, legen einen „Verfassungsrahmen für Bosnien und Herzegowina“ (Vance-Owen-Plan) mit beigefügter Landkarte vor.
  • Ende Januar, kurz vor Ablauf des UN-Mandats, beginnen die Kämpfe in Kroatien von Neuem. Kroatien startete eine Offensive in die serbisch besetzten Gebiete Kroatiens mit dem Ziel, das strategisch wichtige Hinterland von Zadar zurückzuerobern. Anfang Februar weiten sich die Kämpfe auch auf das Hinterland von Split aus.
  • 25. März: Der bosnische Präsident Izetbegović unterschreibt den Vance-Owen-Plan. Damit lehnt nur noch der Serbenführer Karadžić den Gesamtplan ab.
  • 1. April: Der UN-Sicherheitsrat beschließt die militärische Durchsetzung des Flugverbots über Bosnien-Herzegowina. Dazu wird der NATO eine führende Rolle zugewiesen, welche daraufhin die Operation Deny Flight startet.
  • April: Kroatische Streitkräfte unter Tihomir Blaškić greifen zahlreiche bosniakische Gemeinden im zentralbosnischen Lašva-Tal (Lašvanska dolina) an und vertreiben oder ermorden große Teile der Zivilbevölkerung.
  • 6. Mai: Der UN-Sicherheitsrat erklärt Sarajevo und fünf weitere belagerte Städte zu UN-Schutzzonen. Das Parlament der bosnischen Serben lehnt den Vance-Owen-Plan ab.
  • Anfang Juni: Der Leiter des UNPROFOR-Zivilsektors befürchtet eine Ausweitung des Krieges auf Kosovo und Mazedonien. Die Lage in Bosnien-Herzegowina beschreibt er als chaotisch: „Die Bündnisse zwischen den kriegführenden Seiten wechseln von Woche zu Woche.“
  • 16. Juni: Die Präsidenten Serbiens und Kroatiens, Milošević und Tuđman, einigen sich unter Vermittlung von Owen und Stoltenberg, dem Nachfolger von Vance als UNO-Sonderbeauftragter, über die Aufteilung Bosnien-Herzegowinas: In einer losen Konföderation sollen drei auf ethnischen Gesichtspunkten beruhende Staaten miteinander verbunden sein. Nach einer Erklärung Tuđmans soll der bosniakische Staat aus zwei Teilen bestehen, einem im Zentrum des Landes und einem in der Region Bihać. Die kroatische Seite sei bereit, den Bosniaken Zugang zum Adria-Hafen Ploče zu gewähren.
  • 23. Juli: Der UN-Sicherheitsrat verurteilt die Offensive der bosnischen Serben zur Isolierung Sarajevos.
  • Die Machthaber der bosnischen Serben lassen ethnisch gemischte Ehen gesetzlich verbieten. Auch Bosniens Präsident Alija Izetbegovic spricht sich gegen ethnisch gemischte Ehen aus.
  • 17. August: Owen und Stoltenberg legen einen Teilungsplan für Bosnien-Herzegowina vor.
  • Herbst 1993: Heftige Kämpfe zwischen Truppen des „Kroatischen Verteidigungsrats“ HVO und bosniakischen Einheiten in Zentralbosnien. Es kommt zu Massakern an der Zivilbevölkerung. Angriffe von bosnischen Serben in Nordbosnien und in den ostbosnischen Enklaven.
  • 9. November: Kroatische Geschütze zerstören die Altstadt von Mostar, darunter auch die weltberühmte Brücke der Osmanen Stari most. Sie sollte gerade zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt werden. (2002 wurde die Brücke wiedererbaut, finanziert durch Unesco, Weltbank, die Stadt Mostar und kroatische sowie internationale Spender.)

1994

  • 28. Februar: Erste Kampfeinsätze der NATO: US-amerikanische Kampfflugzeuge schießen bei Banja Luka vier serbische Kampfflugzeuge ab.
  • Belagerung der Stadt Goražde. UN-Soldaten werden als Geiseln genommen.
  • März: Kroaten und Bosniaken beenden ihren Konflikt in der Herzegowina und vereinbaren unter US-Vermittlung eine Föderation.
  • Im März wird auch ein erneuter Waffenstillstand zwischen den Krajina-Serben und Kroatien vereinbart, der sich aber wieder als brüchig erweist.
  • 10./11. April: amerikanische Flugzeuge bombardieren serbische Stellungen bei Goražde.
  • 22. April: Der NATO-Rat erklärt Goražde zur militärischen Ausschluss-Zone, aus der alle schweren Waffen der bosnischen Serben abzuziehen seien. Auch Bihać, Srebrenica, Tuzla und Žepa sollen zu solchen Ausschluss-Zonen erklärt werden, falls sie mit schweren Waffen angegriffen werden. In den folgenden Tagen ziehen sich die bosnischen Serben aus der 3-km-Zone um Goražde zurück.
  • 26. April: Die internationale Kontaktgruppe für Bosnien-Herzegowina, der Vertreter der UN, der EU, der USA, Russlands, Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands angehören, kommt in London zu ihrer ersten Sitzung zusammen.
  • 27. April: Der UN-Sicherheitsrat beschließt, die UNPROFOR um fast 7.000 Soldaten zu verstärken.
  • 11. Mai: Vertreter der bosnischen Kroaten und Bosniaken einigen sich in der US-Botschaft in Wien über die politische Führung und die Grenzen einer künftigen Konföderation: Der Bundesstaat soll 58 % des Territoriums Bosnien-Herzegowinas umfassen und aus acht Kantonen bestehen. Von diesen sollen vier von den Bosniaken, zwei von den Kroaten und zwei gemischt verwaltet werden. Die Region um Sarajevo soll mindestens zwei Jahre lang von den UN kontrolliert werden. Repräsentanten der bosnischen Serben, die ca. 70 % des Territoriums besetzt halten, weisen diese Aufteilung zurück.
  • 12. Mai: der US-Senat fordert Präsident Clinton auf, das Waffenembargo gegen Bosnien-Herzegowina einseitig aufzuheben. Diese Forderung wird am 8. Juni auch vom Repräsentantenhaus gestellt.
  • 15. Mai: Ein aus Kroaten und Bosniaken bestehendes gemeinsames Oberkommando wird eingesetzt.
  • 30. und 31. Mai: In Sarajevo findet die konstituierende Sitzung des bosniakisch-kroatischen Parlaments statt. Der Kroate Zubak wird zum Präsidenten der Föderation Bosnien-Herzegowina gewählt.
  • 8. Juni: Unter Vermittlung der UN einigen sich die Führung der bosnischen Serben und der bosniakisch-kroatischen Föderation darauf, einen Monat lang „keine offensiven Operationen“ zu unternehmen. Trotzdem kommt es zu heftigen Kämpfen in Zentralbosnien und Sarajevo.
  • 23. Juni: Der bosnische Ministerpräsident Silaidzić stellt eine „gemeinsame Regierung“ vor, der zehn Bosniaken, sechs Kroaten und ein Serbe angehören.
  • 5. Juli: Die internationale Kontaktgruppe legt gemeinsam mit Griechenland und Belgien einen neuen Teilungsplan für Bosnien-Herzegowina vor: 49 % des Territoriums werden den bosnischen Serben, 51 % der bosniakisch-kroatischen Föderation zugeteilt. Das selbsternannte Parlament der bosnischen Kroaten und das bosnische Parlament stimmen zu, das selbsternannte „Parlament“ der bosnischen Serben lehnt den Plan ab (trotz der Drohung der serbischen Regierung in Belgrad, im Falle der Ablehnung alle Beziehungen mit den bosnischen Serben abzubrechen).
  • 23. Juli: Der ehemalige Bremer Bürgermeister Hans Koschnick tritt sein Amt als EU-Administrator von Mostar an. Die WEU stellt eine 200 Mann starke Polizeitruppe.
  • 4. August: Die Regierung der Bundesrepublik Jugoslawien gibt den Abbruch der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu den bosnischen Serben sowie die Schließung der gemeinsamen Grenze bekannt.
  • 5. August: Einheiten der bosnischen Serben überfallen ein UN-Lager bei Sarajevo und entwenden schwere Waffen. Nachdem daraufhin NATO-Flugzeuge serbische Stellungen angreifen, geben die bosnischen Serben die Waffen zurück.
  • 10. August: Die UN drohen erstmals auch den bosnischen Regierungstruppen mit Luftangriffen, falls sie ihre schweren Waffen nicht aus der 20-km-Zone um Sarajevo abzögen und ihre Vorstöße bei Bihać nicht einstellten.
  • 20. August: Bosnische Regierungstruppen nehmen die zuvor von bosniakischen Separatisten kontrollierte Hochburg Velika Kladuša ein.
  • 27. und 28. August: In den von den bosnischen Serben kontrollierten Gebieten wird ein Referendum über den Friedensplan abgehalten, bei dem angeblich 96 % der Wähler den Plan ablehnen.
  • 8. September: Der serbische Präsident Milošević stimmt der Überwachung der Grenze zwischen Serbien und Bosnien-Herzegowina durch eine „internationale humanitäre Mission“ zu. Die Kontaktgruppe entsendet dazu am 17. September 135 zivile Beobachter in das Grenzgebiet.
  • 11. September: EU-Administrator Koschnick entgeht knapp einem Anschlag durch kroatische Nationalisten.
  • 16. September: Der Führer der bosnischen Serben, Karadžić, kündigt Sanktionen gegen die bosniakische Bevölkerung an, falls die von Jugoslawien verhängte Blockade gegen die bosnischen Serben andauern sollte.
  • 22. September: NATO-Kampfflugzeuge zerstören nach einem serbischen Angriff auf ein UN-Fahrzeug einen leeren serbischen Panzer in der Sperrzone in Sarajevo.
  • 24. September: Der UN-Sicherheitsrat beschließt in der Resolution 943, die Sanktionen gegen Jugoslawien zu lockern, falls die Einhaltung des jugoslawischen Embargos gegen die bosnischen Serben bestätigt werden kann. Aufrecht erhalten bleibt das Handelsembargo.
  • 12. November: Die USA ziehen sich aus der Überwachung des UN-Waffenembargos zurück.
  • 21. November: NATO-Kampfflugzeuge fliegen einen Angriff auf die Landebahn des Flughafens Udbina in der „serbischen Krajina“, von dem aus Serben Luftangriffe gegen Bihać gestartet hatten.
  • 23. November: Kampfflugzeuge der NATO bombardieren Raketenstellungen der bosnischen Serben im Raum Bihać, nachdem zuvor ein britisches Flugzeug beschossen worden war. Als Reaktion blockieren serbische Verbände 350 UN-Soldaten bei Sarajevo und nehmen weitere 55 Blauhelme für mehrere Tage als Geiseln.
  • 2. Dezember: Die kroatische Regierung und die Führung der Krajina-Serben einigen sich mit Hilfe der Vermittler Owen und Stoltenberg auf ein Abkommen, nach dem die Ölpipeline sowie mehrere Straßen und Bahnstrecken, die durch die „Krajina“ verlaufen, wieder in Betrieb genommen werden.
  • 17. Dezember: Verbände der von Fikret Abdić geleiteten „aufständischen“ Bosniaken erobern Velika Kladuša zurück.
  • 20. Dezember: Der ehemalige US-Präsident Carter vermittelt eine siebentägige Waffenruhe zwischen der bosnischen Regierung und der Führung der bosnischen Serben, die am 24. Dezember beginnen soll. Die Krajina-Serben und der bosniakische „Rebellenführer“ Abdić beteiligen sich nicht an dem Abkommen, weshalb die Kämpfe um Bihać anhalten.
  • 31. Dezember: Die bosnische Regierung und die Führung der bosnischen Serben schließen eine „Vereinbarung über die völlige Einstellung von Feindseligkeiten“. Trotzdem kommt es weiterhin zu schweren Kämpfen.

1995

UN-Hilfskonvoi
  • 2. Januar: Auch die Führung der bosnischen Kroaten und Abdić unterzeichnen das Waffenstillstandsabkommen. Es kommt trotzdem weiterhin zu schweren Kämpfen.
  • 11. Januar: Unter Vermittlung der UNPROFOR wird eine weitere Vereinbarung über die Umsetzung des Waffenstillstands getroffen. Die heftigen Gefechte gehen ungeachtet dessen weiter.
  • 12. Januar: Der kroatische Präsident Tuđman kündigt die Beendigung des UN-Mandats zum 31. März 1995 an.
  • 23. Januar: Die Führung der bosnischen Serben verpflichtet sich, die Versorgungswege nach Sarajevo freizugeben.
  • 25. Januar: Die Kontaktgruppe bricht ihre Vermittlungsbemühungen ab.
  • 5. Februar: Vertreter der bosniakisch-kroatischen Föderation einigen sich auf einen Neun-Punkte-Plan zur Stabilisierung der Föderation. Ein internationaler Vermittler soll Differenzen zwischen den beiden Volksgruppen schlichten.
  • 9. Februar: Die Führung der Krajina-Serben teilt die Gefechtsbereitschaft und den Abbruch des Dialogs mit der kroatischen Regierung mit.
  • In Mazedonien kommt es Mitte Februar zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen der albanischen Minderheit und mazedonischen Sicherheitskräften.
  • 21. Februar: Russland erkennt Bosnien-Herzegowina an.
  • 1. März: Die Verteidigungsminister Russlands und Jugoslawiens vereinbaren ein Abkommen über die bilaterale Zusammenarbeit.
  • 6. März: Die Oberkommandierenden der Streitkräfte Bosnien-Herzegowinas und Kroatiens schließen ein Militärbündnis, das einen gemeinsamen Kommandostab vorsieht.
  • 12. März: Die kroatische Regierung stimmt dem Verbleib eines um 10.000 auf 5.000 Soldaten verkleinerten UN-Kontingents zu unter der Voraussetzung, dessen künftige Hauptaufgabe bestünde in der strikten Kontrolle der Grenze zu Bosnien-Herzegowina und der BRJ.
  • 31. März: Der UN-Sicherheitsrat beschließt eine neue Aufgabenbeschreibung der in Kroatien stationierten Blauhelme. Sie tragen zukünftig den Namen „UN Confidence Restoration Operation in Croatia“ (UNCRO).
  • Mai: Die kroatische Armee startet die „Operation Bljesak“ (kroat. „Blitz“) gegen die serbisch kontrollierten Gebiete in Westslawonien und erobert diese zurück. Serbische Einheiten beschießen daraufhin die kroatische Hauptstadt Zagreb mit Raketen, können die kroatische Offensive aber nicht aufhalten. Die serbische Bevölkerung flieht. (Siehe auch: Republik Serbische Krajina). Die zuvor von serbischen Freischärlern und der JNA vertriebene kroatische Bevölkerung kehrt zurück.
  • 22. Mai: Einheiten der bosnischen Serben transportieren schwere Waffen aus einem Waffendepot der UNO ab. Das UNO-Kommando fordert die sofortige Zurückgabe. Die gesetzte Frist wird von den Serben ignoriert.
  • 25. Mai: Die NATO bombardiert ein Munitionsdepot der bosnischen Serben in Pale, nachdem ein Ultimatum zur Rückgabe von aus einem UN-Depot gestohlenen Waffen verstrichen war. Die Serben antworten mit Artilleriebeschuss von Sarajevo und Tuzla und bringen eine Anzahl von Blauhelmen als Geiseln in ihre Gewalt. Die bosnischen Serben betrachten die Blauhelme als Kriegsgefangene und verlangen für ihre Freilassung die Einstellung der Luftangriffe.
  • Im Juni greifen kroatische Verbände von bosnischem Territorium aus Knin, die Hauptstadt der Krajina-Serben, an.
  • 11. Juli: Eroberung der UN-Schutzzone Srebrenica durch serbische Truppen. Dabei kommt es zu dem Massaker von Srebrenica.
  • August: Die USA legen dem UNO-Sicherheitsrat Fotomaterial eines US-Aufklärers vor. Die Bilder lassen auf Massenexekutionen und -gräber in der Region schließen.
  • 4. August bis 7. August: Die Kroatische Armee und Polizei beenden mit der Militäroperation Oluja (kroat. „Sturm“) den Krieg in Kroatien und stellen damit die territoriale Einheit des Staates her. Dem kroatischen General, Ante Gotovina, wirft das ICTY schwere Kriegsverbrechen an serbischen Zivilisten vor. Unter anderem seien etwa 150 Serben getötet, 150.000 bis 200.000 vertrieben worden. Hierzu zählen auch die Mitglieder der schätzungsweise 40.000 Mann starken „Armee der Republik Serbische Krajina“.
  • Unmittelbar nach Beendigung der Militäroperation Oluja wurde gemeinsam mit bosnischen Regierungstruppen die im Abkommen von Split zwischen der bosnischen und kroatischen Regierung vereinbarte Militäroperation Maestral begonnen. Das von Serben kontrollierte Territorium in Bosnien und Herzegowina schrumpfte innerhalb weniger Tage von 70 % auf etwa 47 %.[4]
  • 12. November:Abkommen von Erdut zwischen der Regierung Kroatiens und der Bundesrepublik Jugoslawien zur friedlichen Reintegration der verbliebenen serbisch kontrollierten Gebiete in Ostkroatien
  • 21. November: Vertrag von Dayton. Friedensvertrag unter Vermittlung von Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und den USA. Bosnien-Herzegowina werden dadurch zu einem föderativen Staat mit zwei Entitäten. Daneben sieht der Vertrag die Beendigung des serbisch-kroatischen Konflikts vor. Dem Abschlussdokument war unter starkem amerikanischem Vermittlungsdruck am 12. November ein Abkommen zwischen der Serbenführung in Ostslawonien und der kroatischen Regierung vorangegangen, das die Wiedereingliederung Ostslawoniens in das kroatische Staatsgebiet vorsah. Die Demilitarisierung des Gebietes und die Rückkehr der Flüchtlinge sollte für die Dauer eines Jahres von einer eigens aufgestellten „Implementation Force“ (IFOR) der NATO im Auftrag der UN geleistet werden. Der Vertrag wird am 14. Dezember in Paris von den drei Präsidenten Izetbegović, Milošević und Tuđman unterzeichnet.

seit 1996

  • Im Dezember 1996 wird die IFOR durch die SFOR („Stabilization Force“) abgelöst. Sie übernimmt die Funktion einer internationalen Schutztruppe in Bosnien und Herzegowina mit dem Ziel der Stabilisierung des Landes.

1998

  • Im Januar wird gemäß dem Abkommen von Erdut das seit 1991 serbisch kontrollierte Staatsgebiet im Osten Kroatiens friedlich reintegriert.

1999

Hauptartikel: Kosovokrieg

  • Vom 24. März bsi zum 10. Juni führte die NATO einen Luftkrieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien mit dem erklärten Ziel, eine humanitären Katastrophe im Kosovo zu verhindern. Im Anschluss an den Krieg wurde das Kosovo unter UN-Verwaltung gestellt, blieb aber formal Bestandteil der Bundesrepublik Jugoslawien.

2001

  • 2001 intervenierte die mazedonische Armee gegen aufständische albanische Separatisten im Nordwesten des Landes. Im März 2004 flammt der ethnische Konflikt zwischen Albanern und den Minderheiten im Kosovo (v. a. Serben) kurzzeitig wieder auf, in Folge dessen es zu mehreren Übergriffen auf Einrichtungen beider Seiten kommt. Die Sicherheitslage im Kosovo bleibt bis zum heutigen Tag trotz massiver internationaler Militärpräsenz prekär, wobei neben den serbischen Enklaven immer wieder auch Einrichtungen der UNMIK Ziele von Übergriffen werden.

2004

Kriegsopfer

Zu den Zahlen der Kriegsopfer existieren unterschiedliche Angaben, die mitunter auch interessengeleitet sind.

Folgende offizielle Zahlen der Republiken zu den Kriegsopfern sind bekannt:

  • Bosnien und Herzegowina: 242.330 Tote, 175.286 Verwundete, 36.470 Vermisste, ca. 30.000 vergewaltigte Frauen und ca. 10.000 vergewaltigte Mädchen (Statistisches Amt der Föderation von Bosnien und Herzegowina). Eine von der norwegischen Regierung finanzierte Untersuchung durch das Research and Documentation Center in Sarajevo kam im November 2005 jedoch zu dem Ergebnis, dass während des gesamten Bosnien-Krieges wahrscheinlich 100.000 Menschen ums Leben gekommen seien. 70 Prozent der Toten seien Bosniaken, 25 Prozent bosnische Serben und 5 Prozent Kroaten.
  • Kroatien: 12.131 Tote, darunter 8.100 Zivilisten, 33.043 Verwundete, 2.251 Verschollene auf Seiten der Kroaten und 6.780 auf Seiten der dort lebenden Serben. (kroatische Regierung aus dem Jahr 1995)
  • Slowenien: bei den slowenischen Truppen 19 Tote und 182 Verletzte, bei der jugoslawischen Volksarmee 44 Tote und 146 Verletzte (Schätzungen)
  • Kosovo: 4.000 Leichen oder Leichenteile bis 2002 ausgegraben, etwa 800 albanische Tote wurden bislang in Serbien gefunden (da es bis heute keine genauen offiziellen Zahlen gibt, beruhen die Opferzahlen auf Flüchtlingsberichten und Massengrabfunden).
  • Serbien: Zirka 25.000 getötete Serben in Bosnien und Herzegowina (von der norwegischen Regierung finanziertes Research and Documentation Center 2005); 6.780 getötete Serben in Kroatien, laut ICTY 150.000 bis 200.000 Vertriebene in der Republik Serbische Krajina; die NATO-Operation 1999 führte zu etwa 5 000 Todesopfern in der Bundesrepublik Jugoslawien (NATO-Angaben); nach jugoslawischen Angaben kamen 462 Soldaten, 114 Polizisten und etwa 2.000 Zivilisten ums Leben (Angaben der Jugoslawischen Volksarmee).

Gerichtsprozesse vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag

Der Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien verhandelt seit dem Jahr 1994 einen Teil der während der Kriege individuell als Einzelperson oder Teil einer Befehlskette begangenen Kriegsverbrechen.

13 Jahre nach Einreichung der Klage von Bosnien und Herzegowina gegen die damalige Bundesrepublik Jugoslawien wurde am 26. Februar 2007 von dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag das Verfahren gegen den Staat Serbien und Montenegro beendet. Das Gericht entschied dabei, dass es sich bei dem Massaker von Srebrenica um Völkermord handelte, für den die Führer der Republika Srpska verantwortlich waren. Ein direkter Schuldspruch gegen Serbien wurde nicht gesprochen, allerdings wird Serbien vorgehalten, nicht alles Mögliche unternommen zu haben, den Völkermord zu verhindern.[5]

Die im Jahr 1999 eingereichte Klage Kroatiens gegen Serbien und Montenegro wird derzeit vom Gericht noch geprüft.

Quellen

  1. Çollaku, Bekim. 2003. A Just Final Settlement for Kosovo is Imperative for the Peace and Stability in the Region., M.A. Thesis: University of Newcastle.
  2. Bieber, Florian & Jenni Winterhagen: Ethnic Violence in Vojvodina: Glitch or Harbinger of Things to Come. Flensburg: European Center for Minority Issues. 2006, S. 4.
  3. Deutsche Fassung der Amselfeld-Rede Slobodan Miloševićs 1989 (rtf-Format)
  4. The military structure, strategy and tactics of the warring factions, Abschlussbericht der UN-Expertenkommisssion, 1992
  5. Urteil des Internationalen Gerichtshofs vom 26. Februar 2007

Siehe auch

Weblinks

Zur Rolle der Religion im Konflikt:

Literatur

  • Arbeitsgruppe Sicherheitspolitik der Deutschen Kommission Justitia et Pax (Hrsg.): Der Konflikt im ehemaligen Jugoslawien. Vorgeschichte, Ausbruch und Verlauf. Schriftenreihe Gerechtigkeit und Frieden, Arbeitspapier 66, ISBN 3-928214-41-1 (knappe Übersicht, Stand: Sept. 1993)
  • Hans Benedikter: Die bitteren Früchte von Dayton. Völkermord und Vertreibungsterror in Kroatien und Bosnien-Herzegowina, das Versagen des Westens, ein Friede ohne Gerechtigkeit, Menschenrechte und Demokratiefragen, die Protestbewegung in Belgrad., Autonome Regierung Trentino-Südtirol, Bolzano/Bozen 1997
  • Diana Johnstone:La Croisade des fous : Yougoslavie, première guerre de la mondialisation , Le temps des cerises, 2005
  • Christopher Bennet: Yugoslavia's Bloody Callapse. Causes, Course und Consequences. Hurst & Company, London 1995
  • Johannes Grotzky: Balkankrieg. Der Zerfall Jugoslawiens und die Folgen für Europa. Serie Piper, München 1993
  • Leonard J. Cohen: Broken Bonds. The Disintegration of Yugoslavia. o. O. 1993
  • J. Pirjvec: Le guerre jugoslave, Einaudi, Torino 2002
  • Philip J. Cohen: Serbia's Secret War: Propaganda and the Deceit of History. Eastern European Studies, No 2, ISBN 953-6108-36-4
  • Hajo Funke, Alexander Rhotert: Unter unseren Augen. Ethnische Reinheit: Die Politik des Milosevic-Regimes und die Rolle des Westens. Verlag Das Arabische Buch, o. O. 1999. ISBN 3-86093-219-5
  • James Gow: Triumph of the Lack of Will. International Diplomacy and the Yugoslav War. Hurst & Company, London 1997.
  • Johannes Grotzky: Balkankrieg. Der Zerfall Jugoslawiens und die Folgen für Europa. Sere Piper, München 1993.
  • Nikolaus Jarek Korczynski: Deutschland und die Auflösung Jugoslawiens: Von der territorialen Integrität zur Anerkennung Kroatiens und Sloweniens. Studien zur Internationalen Politik 1/2005, ISSN 1431-3545
  • Sonia Lucarelli: Europe and the Breakup of Yugoslavia. Kluwer Law International, Den Haag 2000.
  • Reneo Lukic, Allen Lynch: Europe from the Balkans to the Urals. The Disintegration of Yugoslavia and the Soviet Union. Oxford University Press, Oxford 1996
  • Norbert Mappes-Niediek: Die Ethno-Falle. Der Balkan-Konflikt und was Europa daraus lernen kann. Ch. Links Verlag, 2005. ISBN 3-86153-367-7
  • Hanns W. Maull: Germany and the Yugoslav Crisis, in: Survival, Vol 37, No. 4, Winter 1995–96, S. 99–130
  • Melčić (Hrsg.): Der Jugoslawien-Krieg. Handbuch zu Vorgeschichte, Verlauf und Konsequenzen. 2., aktualisierte Auflage, VS-Verlag 2007 ISBN 3-531-33219-8
  • Thomas Paulsen: Die Jugoslawienpolitik der USA 1989–1994. Begrenztes Engagement und Konfliktdynamik. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 1995
  • Erich Rathfelder: Sarajewo und danach. Sechs Jahre Reporter im ehemaligen Jugoslawien. Mit einem Nachw. von Hans Koschnick. München 1998. ISBN 3-406-42044-3
  • Jane M. O. Sharp: Honest Broker or Perfidious Albion? British Policy in Former Yugoslavia. Institute for Public Policy Research IPPR, London 1997.
  • Laura Silber, Allan Little: Bruderkrieg. Verlag Styria. ISBN 3-222-12361-6
  • Steven W. Sowards: Moderne Geschichte des Balkans. Der Balkan im Zeitalter des Nationalismus. BoD 2004. ISBN 3-8334-0977-0
  • Angelika Volle, Wolfgang Wagner (Hrsg.): Der Krieg auf dem Balkan. Die Hilflosigkeit der Staatenwelt. Verlag für Internationale Politik, Bonn 1994.
  • Eric A. Witte: Die Rolle der Vereinigten Staaten im Jugoslawien-Konflikt und der außenpolitische Handlungsspielraum der Bundesrepublik Deutschland (1990–1996). in: Mitteilungen Nr. 32, März 2000, des Osteuropa-Instituts München
  • Roy Gutman, David Rieff (Hrsg.): 'Crimes of war - what the public should know', 1999, ISBN 0-393-31914-8

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