Judenreferent

Judenreferent

Judenberater, vordem auch Judenreferenten genannt, bildeten eine kleine Spezialisten-Gruppe von Mitarbeitern Adolf Eichmanns im „Judenreferat“ des Reichssicherheitshauptamts (RSHA), die im von deutschen Truppen besetzten Ausland eingesetzt wurden, um die dort lebenden Juden zu internieren und ab 1942 deren Deportation in Vernichtungslager zu organisieren.

Inhaltsverzeichnis

Begriffserklärung

Die nationalsozialistische Wortschöpfung „Berater für Judenfragen“, verkürzt auch „Judenberater“, ist erstmals für den August 1940 nachweisbar[1]. Die Bezeichnung verdrängte anfangs ebenfalls gebräuchliche Bezeichnungen wie „Judenreferent“ oder „Sachbearbeiter für Judenfragen“.

Die Bezeichnung „Judenberater“ (bzw. „Berater für Judenfragen“) diente zur Unterscheidung von „Judensachbearbeitern“ der unterschiedlichsten Reichsbehörden und verharmloste und verschleierte zugleich ihre wirkliche Funktion. „Judenberater“ waren keine „Berater“ im Wortsinne: Sie wurden ausschließlich in befreundeten, verbündeten oder besiegten Staaten eingesetzt[2], um dort die Entrechtung, Ausplünderung und Deportation von Juden voranzutreiben. Dabei nahmen sie Einfluss auf die dort belassene Regierung, die zur Kollaboration bereit war.

Die „Judenberater“ erhielten ihre Weisungen ausschließlich vom „Eichmann-Referat“, das sie „durch regelmäßige Tätigkeitsberichte und Lagebesprechungen über ihr Tun“ auf dem laufenden hielten[3]. Sie besaßen meist den Dienstgrad eines SS-Hauptsturmführers.

Einsatzländer und dort tätige „Judenberater“

In Dänemark und Norwegen mit geringer Anzahl von Juden gab es keine „Judenberater“. In Serbien gingen Wehrmacht und Sicherheitspolizei gegen die Juden vor. In Polen, Luxemburg, Elsass-Lothringen und den eroberten sowjetischen Gebiete waren keine „Judenberater“ nötig, da sie sich völlig unter deutscher Kontrolle befanden. In Griechenland, Italien und Ungarn kam es erst spät zur Entsendung von „Judenberatern“. Um dort die Deportationen beschleunigt aufnehmen zu können, wurden den „Judenberatern“ ein 8 bis 15 Mann starkes Einsatzkommando beigegeben.

Täterprofile

Die meisten der später zu „Judenberatern“ aufgestiegenen Täter waren zwischen 1905 und 1913 geboren, hatten sich vor 1933 der NSDAP angeschlossen, erst mit dem Eintritt in die SS eine sichere Stellung gefunden und rückten rasch in Positionen auf, in denen sie Macht ausüben konnten.

Nach Claudia Steur können die „Judenberater“ in zwei Gruppen unterteilt werden. Die Gruppe mit Dannecker, Wisliceny, Brunner und auch Boßhammer und Abromeit als enge Vertrauensleute Eichmanns hatte zugleich Vorbildfunktion für die anderen „Judenberater“[4]. Die anderen wurden relativ spät in Pläne zur Ermordung der Juden eingeweiht. Ihr „Streben nach Macht, Ansehen und sozialem Aufstieg“ sei wichtiges Motiv für ihre spätere Beteiligung am Holocaust gewesen[5]. Sie wuchsen „langsam in eine ständig brutaler werdende Rolle hinein, die sie dann, ohne die Richtigkeit der ihnen gegebenen Anordnungen anzuzweifeln, bis Kriegsende skrupellos und konsequent ausfüllten.“ [6]

Literatur

  • Claudia Steur: Eichmanns Emissäre. Die 'Judenberater' in Hitlers Europa. In: Gerhard Paul, Klaus-Michael Mallmann (Hrsg.): Die Gestapo im Zweiten Weltkrieg. Darmstadt 2000, S. 403 - 436

Einzelnachweise

  1. Claudia Steur: Eichmanns Emissäre. Die 'Judenberater' in Hitlers Europa. In: Gerhard Paul, Klaus-Michael Mallmann (Hrsg.): Die Gestapo im Zweiten Weltkrieg. Darmstadt 2000, S. 403 mit Anm. 1
  2. Claudia Steur: Eichmanns Emissäre.. , S. 404
  3. Claudia Steur: Eichmanns Emissäre.. , S. 404
  4. Claudia Steur: Eichmanns Emissäre.. , S. 432
  5. Claudia Steur: Eichmanns Emissäre.. , S. 434
  6. Claudia Steur: Eichmanns Emissäre.. , S. 434

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