Amtsermittlung

Amtsermittlung

Im politischen und juristischen Sprachgebrauch bedeutet der Ausdruck von Amts wegen (oder lat. ex officio), dass jemand kraft eines ihm übertragenen Amtes bestimmte Funktionen, Befugnisse oder Vollmachten innehat oder wahrnehmen muss bzw. dass eine Behörde oder ein Gericht eine bestimmte Handlung ohne Antrag oder sonstige verfahrenseinleitende Maßnahme von sich aus vornimmt.

Beispielsweise sind die Vorsitzenden der Parlamentsfraktion meist ex officio, also automatisch, Mitglieder ihres Parteipräsidiums. Der Vizepräsident der USA ist ex officio Präsident des Senats. In Deutschland ist der Präsident des Bundesrates kraft seines Amtes Stellvertreter des Bundespräsidenten, der Bundestagspräsident ist automatisch alle fünf Jahre Präsident der Bundesversammlung zur Wahl des Bundespräsidenten.

Ein Beispiel für ein behördliches Handeln ist etwa der Fall, wenn eine Gesellschaft bei Vermögenslosigkeit von Amts wegen aus dem Handelsregister gelöscht wird.

In der Strafjustiz ist das jeweils zuständige Ermittlungsorgan (also bspw. in Deutschland die Staatsanwaltschaft, in den Ländern des romanischen Rechtskreises das Ermittlungsgericht usw.) bei den so genannten Offizialdelikten ex officio, also von Amts wegen und ohne dass ein Strafantrag des Verletzten oder Geschädigten vorliegen müsste, zur Ermittlung und Strafverfolgung verpflichtet, vgl. Legalitätsprinzip.

Nach dem Amtsermittlungsgrundsatz sind Strafgerichte und Anklagebehörden im kontinentaleuropäischen Strafrecht (anders als im angelsächsischen Rechtskreis, in dem auch das Strafverfahren im Wesentlichen als Parteiprozess gilt und die Parteien grundsätzlich alle Beweise selbst beschaffen müssen) dazu verpflichtet, alle der Wahrheitsfindung dienenden bekannten Tatsachen ex officio in das Verfahren einzubringen und gegebenenfalls auch eigene Nachforschungen anzustellen. Auch in vielen Gebieten des Verwaltungsrechtes (vgl. für Deutschland § 24 VwVfG) gilt grundsätzlich diese Inquisitionsmaxime, ebenso auch im Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. für Deutschland § 86 VwGO).

Auch im Zivilprozessrecht spielt der Amts- oder Offizialgrundsatz eine gewisse Rolle. So ist zum Beispiel das Familiengericht in Deutschland ex officio (also unabhängig von einem entsprechenden Antrag der Parteien) zur Durchführung des Versorgungsausgleiches verpflichtet. Ebenso werden die Gerichte im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der Regel von Amts wegen tätig (vgl. für Deutschland § 12 FGG).

Vollzugsbeamte unterliegen in der Regel der Strafverfolgungspflicht (in Deutschland nach dem Legalitätsprinzip des § 163 StPO), das bedeutet, sie sind aufgrund ihres Amtes gezwungen, die Strafverfolgung zu veranlassen, wenn sie von eventuellen Straftaten Kenntnis erlangen. Eine derartige Anzeigepflicht besteht in Deutschland für den „normalen Bürger“ übrigens (entgegen einer weit verbreiteten Anschauung) grundsätzlich nicht, sondern diese beschränkt sich auf bestimmte, besonders schwere Straftatbestände.

Im behördlichen Schriftverkehr werden amtliche (offizielle) Schreiben in manchen Ländern (bspw. den Niederlanden) mit dem Vermerk ex officio gekennzeichnet (abgekürzt e.o.), was hier bedeutet, dass sie von Amts wegen an einen Empfänger außerhalb der Behörde verschickt werden.

Bitte beachte den Hinweis zu Rechtsthemen!

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • von Amts wegen — Der Ausdruck von Amts wegen, abgekürzt v. A. w. (oder lateinisch ex officio; in österreichischer Rechtssprache: „Amtswegigkeit“[1]) bedeutet im politischen und juristischen Sprachgebrauch, dass jemand kraft eines ihm übertragenen… …   Deutsch Wikipedia

  • Schlüssigkeit — (Stringenz) ist ein Begriff der Argumentationstheorie (Logik) sowie angewandt des Prozessrechts. Schlüssigkeit im Sinne der Argumentationstheorie und Logik Schlüssigkeit im Sinne der Argumentationstheorie und der Logik ist eine Eigenschaft eines… …   Deutsch Wikipedia

  • Stringenz — Schlüssigkeit (Stringenz) ist ein Begriff der Argumentationstheorie (Logik) sowie angewandt des Prozessrechts. Schlüssigkeit im Sinne der Argumentationstheorie und Logik Schlüssigkeit im Sinne der Argumentationstheorie und der Logik ist eine… …   Deutsch Wikipedia

  • Beweisführungslast — Die Beweislast regelt prozessuale Beweisrisiken und obliegenheiten. Die objektive oder materielle Beweislast (Feststellungslast) legt fest, welche Partei das Risiko der Nichterweislichkeit einer Beweisbehauptung trägt. Die subjektive oder… …   Deutsch Wikipedia

  • Beweislast — Die Beweislast regelt prozessuale Beweisrisiken und obliegenheiten. Die objektive oder materielle Beweislast (Feststellungslast) legt fest, welche Partei das Risiko der Nichterweislichkeit einer Beweisbehauptung trägt. Die subjektive oder… …   Deutsch Wikipedia

  • Beweispflicht — Die Beweislast regelt prozessuale Beweisrisiken und obliegenheiten. Die objektive oder materielle Beweislast (Feststellungslast) legt fest, welche Partei das Risiko der Nichterweislichkeit einer Beweisbehauptung trägt. Die subjektive oder… …   Deutsch Wikipedia

  • Feststellungslast — Die Beweislast regelt prozessuale Beweisrisiken und obliegenheiten. Die objektive oder materielle Beweislast (Feststellungslast) legt fest, welche Partei das Risiko der Nichterweislichkeit einer Beweisbehauptung trägt. Die subjektive oder… …   Deutsch Wikipedia

  • Freiwillige Gerichtsbarkeit — Mit dem Ausdruck freiwillige Gerichtsbarkeit bezeichnet man in Deutschland die von Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit, aber auch von Notaren und in geringem Umfang von anderen Behörden ausgeübte Tätigkeit in bestimmten Angelegenheiten der …   Deutsch Wikipedia

  • Im Zweifel für den Angeklagten — Der Grundsatz „In dubio pro reo“ (lateinisch für: „Im Zweifel für den Angeklagten“), kurz Zweifelssatz, ist ein schlagwortartiger Ausdruck dafür, dass im Strafprozess ein Angeklagter nicht verurteilt werden darf, wenn dem Gericht Zweifel an… …   Deutsch Wikipedia

  • In dubio pro reo — Der Grundsatz In dubio pro reo (lat. „Im Zweifel für den Angeklagten“), kurz Zweifelssatz, ist ein schlagwortartiger Ausdruck dafür, dass im Strafprozess ein Angeklagter nicht verurteilt werden darf, wenn dem Gericht Zweifel an seiner Schuld… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”