Jorge Rafael Videla

Jorge Rafael Videla
Jorge Rafael Videla (1979)

Jorge Rafael Videla (* 2. August 1925 in Mercedes, Provinz Buenos Aires, Argentinien) ist ein ehemaliger argentinischer General und Diktator.

Inhaltsverzeichnis

Leben

General Videla übernahm in einer Situation politischen wie wirtschaftlichen Niedergangs mit paramilitärisch operierenden Gruppen und einer Inflation von 2000% als Chef einer Junta in einem Militärputsch im Jahr 1976 das Amt des Staatspräsidenten. In der Anfangszeit seiner Regierung genoss der als korrekt, höflich und sehr puritanisch beschriebene Mann im bürgerlichen Lager deshalb durchaus Sympathien. Die Junta begann den sogenannten Prozess der Nationalen Reorganisation, wobei sie sich ideologisch auf die „Doktrin der nationalen Sicherheit“ stützte, die ein radikales Vorgehen gegen linke Oppositionelle vorsah.

Videla selbst sah sich als professionellen Militär, der seine Pflicht im Kampf gegen den Terrorismus und - nach den chaotischen Jahren der Regierung von Isabel Perón - zur Wiederherstellung der sozialen Ordnung erfüllte. „Es müssen so viele Menschen wie nötig in Argentinien sterben, damit das Land wieder sicher ist.“ In den folgenden sieben Jahren (1976–83) „verschwanden“ ungefähr 30.000 Oppositionelle infolge der repressiven Maßnahmen des Militärregimes, darunter ca. hundert Deutsche und Deutschstämmige. Videla wurde im März 1981 von seinem Junta-Kollegen Roberto Eduardo Viola abgelöst.

Während der Fußballweltmeisterschaft 1978 in Argentinien, die von Videla persönlich eröffnet wurde, gab sich das Regime betont offenherzig, freundlich und demokratisch. Die weitgehend unkritische Haltung der anderen teilnehmenden Fußballnationen gegenüber dem Militärregime und dem Diktator ist bis heute Gegenstand von Kritik.

1985, zwei Jahre nach Ende der Militärdiktatur, wurde Videla wegen Menschenrechtsverletzungen (Mord, Folter und Entführung) zu lebenslanger Haft verurteilt, aber 1990 durch das Dekret Nr. 2741/90 von Präsident Carlos Menem begnadigt. Wegen seiner Verantwortung für Kindesraub wurde er 1998 erneut inhaftiert; er hatte im Amt die Zwangsadoption von Kleinkindern inhaftierter Oppositioneller angeordnet, die danach zumeist ermordet wurden. 1998 wurde Videla unter Hausarrest gestellt, 2001 abermals verhaftet; man beschuldigte ihn nun, während seiner Amtszeit der Kopf einer Verschwörung gegen Oppositionelle gewesen zu sein. Zwischenzeitlich konnte er aber wieder in seine Wohnung im Stadtteil Belgrano zurückkehren. Am 10. Oktober 2008 wurde der Hausarrest gegen Videla aufgehoben. Am selben Tag wurde Videla in die Unidad Penitenciaria 34, ein Militärgefängnis auf dem Campo de Mayo, verlegt.

Am 4. März 2004 beantragte die deutsche Bundesregierung offiziell die Auslieferung des einstigen Diktators und zweier weiterer früherer Militärs aufgrund mehrfachen Mordes an deutschen Staatsbürgern, unter ihnen Elisabeth Käsemann. Der Antrag wurde am 17. April 2007 vom obersten Gerichtshof Argentiniens abgewiesen.

Im Juni 2010 begann in Argentinien erneut ein Prozess gegen die Verantwortlichen der Militärdiktatur, darunter auch Videla und der ehemalige General Luciano Benjamín Menéndez.[1] Videla übernahm im Verlauf des Prozesses die volle Verantwortung für Verbrechen, die unter seiner Herrschaft begangen worden sind.[2] Am 22. Dezember 2010 wurde Videla gemeinsam mit Menéndez und 14 weiteren Tätern erneut zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.[3] Die Strafe muss Videla in einer gewöhnlichen Haftanstalt verbüßen.[4][5] Seit dem 28. Februar 2011 steht Videla abermals, dieses Mal gemeinsam mit Reynaldo Bignone, vor Gericht. Dort wird der Vorwurf des mehrfachen Kinderraubs durch den angeordneten Entzug von Neugeborenen von den leiblichen Müttern und die anschließende Weitergabe der Kinder an Familien argentinischer Militärangehöriger verhandelt.[6]

Vermächtnis

Bis zum 24. März 2004 hing ein Bild Videlas offiziell unter den Porträts in einer Galerie der nationalen Offiziershochschule Argentiniens, dem Colegio Militar de la Nación, bevor es dort im Beisein des Staatspräsidenten Néstor Kirchner abgenommen wurde.[7]

Weblinks

 Commons: Jorge Rafael Videla – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Argentinien: Diktator Videla wird der Prozess gemacht. Frankfurter Rundschau 30. Juni 2010
  2. spiegel.de: Argentinien: Die Abrechnung mit dem Schreckensregime, 23. August 2011, abgerufen am 15. September 2011
  3. Argentinien: Lebenslang für Ex-Diktator Videla. Der Standard 22. Dezember 2010
  4. Videla y Menéndez, condenados a prisión perpetua en Córdoba, LaVoz.com.ar, 22. Dezember 2010
  5. Videla fue condenado a prisión perpetua e irá a una cárcel común, LaNacion.com, 22. Dezember 2010
  6. "Junta-Mitglieder wegen Kinderraubs vor Gericht", Deutsche Welle vom 1. März 2011
  7. Militares pidieron el retiro por medida de Kirchner (24. März 2004) auf den Seiten von www.terra.com.ar (span.; abgerufen 12. Oktober 2007); Videoaufzeichnung von der Abnahme der Bilder von Videla und Reynaldo Bignone aus einer Hommage zum dreißigjährigen Bestehen der Madres de Plaza de Mayo (abgerufen 12. Oktober 2007).


Vorgänger Amt Nachfolger
Isabel Martínez de Perón
(Staatspräsidentin)
Führer des argentinischen Militärregimes
19761981
Roberto Eduardo Viola

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