Amsterdamer Schule (Architektur)

Amsterdamer Schule (Architektur)
Häuserblock Het Schip (1917–1921) in Amsterdam, Architekt: Michel de Klerk

Mit Amsterdamer Schule bezeichnet man einen niederländischen Architekturstil der klassischen Moderne, im Besonderen des expressionistischen Bauens. Er wird als Gegenreaktion auf den bis dahin weit verbreiteten Historismus betrachtet.

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung

Scheepvaarthuis (1913–1916) in Amsterdam
Gebäude A von Radio Kootwijk (1920–1922), auch Kathedrale genannt, Architekt: Julius Luthmann
Harm Smeengeschool (1924–1925), ehemalige Schule in Amsterdam, Architekt: Pieter Lucas Marnette

Der Name „Amsterdamse School“ geht auf den niederländischen Architekten Jan Gratama (1877–1947) zurück, der damit 1916 eine Gruppe junger Architekten bezeichnet, die sich in ihrem Baustil und ästhetischen Zielen in der Tradition von Hendrik Petrus Berlage sahen.[1]

Als die führenden Architekten werden Michel de Klerk, Johan van der Mey und Piet Kramer betrachtet, die alle bis 1910 im Büro Eduard Cuypers arbeiteten.

Als Beginn der Amsterdamer Schule wird das Scheepvaarthuis von Johan van der Mey (in Zusammenarbeit mit Michel de Klerk und Piet Kramer) von 1912 angesehen. Es ist der Prototyp eines dynamischen Stils, der sich gegen die Statik der Gebäude von Berlage richtet. Der Backsteinbau weist eine vielzahl kompliziert gemauerter Mustern, Ziergiebeln, Kunstglas, Schmiedearbeiten, Reliefs und Skulpturen aus Naturstein wie Granit oder Mamor auf. Das Interieur wurde durch den Innenarchitekten Theo Nieuwenhuis (1866–1951) entworfen.[2]

Durch die starke Gliederung der Fassade, haben auch große Gebäude keinen massiven Charakter sondern erscheinen abwechslungsreich und dynamisch.

Wichtige Impulse kamen von der Stadt Amsterdam selbst, die 1905 als erste Stadt eine Bauverordnung erließ und van der Mey für die spezielle Position eines „Ästhetischen Beraters“ einstellte, um für künstlerische Einheit zu sorgen.

Die meisten Bauten stehen in Amsterdam: Plan Zuid nach einem Entwurf Berlages, das Olympiastadion (neben Olympiahäuschen und Plan Zuid) von Jan Wils, das Scheepvaarthuis von Johan van der Mey, das Wohnhaus in der Spaarndammerbuurt von Michel de Klerk und Schulgebäude u. a. von Cornelis Kruyswijk und Nicolaas Lansdorp. In den Gartenstädten „Oostzaan“ und „Nieuwendam“ in Amsterdam-Noord (u. a. von Berend Tobia Boeyinga) präsentiert sich die Amsterdamer Schule in einer ländlichen Variante. Boeyinga baute einige reformierte Kirchen in diesem Stil.

In anderen Städten findet man u. a. Bauten von Willem Marinus Dudok in Hilversum oder Park Meerwijk in Bergen aan Zee. Der Bijenkorf in Den Haag von Piet Kramer (1924–1926) wird als das letzte große Hauptwerk der Amsterdamer Schule betrachtet.

1923 starb De Klerk. Damit hatte die Amsterdamer Schule ihren Höhepunkt überschritten, auch wenn der Baustil in einer vereinfachten Form noch über ein Jahrzehnt fortbestand.

Das Journal Wendingen („Veränderungen“), das Vereinsorgan von Architectura et Amicitia, erschien in den Jahren von 1918 bis 1931 in 116 Ausgaben und galt als die Zeitschrift der Amsterdamer Schule.

Seit 2001 gibt es in einem Wohnkomplex von Michel de Klerk am Spaarndammerplantsoen 140 das Museum Het Schip, das viele Informationen über die Amsterdamer Schule präsentiert.

Bauwerke (Auswahl)

  • Brug 283 (1913-1914), Brücke, Waalseilandsgracht / Buiten Bantammerstraat, Amsterdam
  • Scheepvaarthuis (1913–1916), Bürogebäude, Prins Hendrikkade, Amsterdam
  • Häuserblock Eigen Haard (1914–1918), Spaarndammerplantsoen, Amsterdam
  • Ir. D.F. Woudagemaal (1917–1920), Dampfpumpwerk, Tacozijl bei Lemmer
  • Het Schip (1917–1921), Häuserblock, Spaarndammerplantsoen, Amsterdam
  • P.L. Kramerbrug (1917–1921), Brücke, Amstelkade 1, Amsterdam
  • Het Amsterdams Lyceum (1918–1920), Schule, Valeriusplein, Amsterdam
  • Gebouw Batavia (1918–1920), Bürohaus, Prins Hendrikkade, Amsterdam
  • Häuserblock De Dageraad (1918–1923), Takbuurt, Amsterdam
  • Gebäude A von Radio Kootwijk, (1920–1922), Gemeinde Apeldoorn
  • Holendrechtstraat 1–47 (1921–1923), Amsterdam
  • Laboratorium für Gartenbau (1921–1923), Wageningen
  • Het Sieraad (1921–1924), Schule, Postjesweg, Amsterdam
  • Bronckhorststraat 11–37 (1922–1924), Amsterdam
  • Hauptpost Utrecht (1922–1924), Utrecht
  • Berlage Lyceum (1923–1924), Schule, Takbuurt, Amsterdam
  • Harm Smeengeschool (1924–1925), ehemaliges Schulgebäude, Amsterdam
  • De Bijenkorf (1924–1926), Kaufhaus, Grote Marktstraat, Den Haag
  • Huize Lydia (1924–1927), ehemaliges Mädchenheim, Roelof Hartplein, Amsterdam
  • Coöperatiehof (1925-1928), Amsterdam
  • Lyceumbrug (1926–1927), Brücke, Olympiaplein, Amsterdam
  • Carlton Hotel (1926–1928), Vijzelstraat, Amsterdam
  • Het Nieuwe Huis (1927–1928), Roelof Hartplein, Amsterdam

Literatur

  • Maristella Casciato: De Amsterdamse School. Uitgeverij 010. Rotterdam 1991, ISBN 90-6450-116-5.
  • Wim de Wit: The Amsterdam School. Dutch Expressionist Architecture, 1915–1930. MIT Press, Cambridge, Mass. 1983, ISBN 0-262-04074-3.

Weblinks

 Commons: Amsterdamer Schule – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Maristella Casciato: De Amsterdamse School. Uitgeverij 010, Rotterdam 1991, S. 9.
  2. Maristella Casciato: De Amsterdamse School. Uitgeverij 010. Rotterdam 1991, S. 47.

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