Johannes Müller (Pastor)

Johannes Müller (Pastor)

Johann(es) Müller (* 6. Juni 1590 in Breslau; † 29. September 1673 in Hamburg) war ein deutscher lutherischer Theologe.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Müller besuchte das Gymnasium seiner Heimatstadt, wo er sich das Rüstzeug erwarb eine Hochschule besuchen zu können. Am 5. Mai 1618 immatrikulierte er sich an der Universität Wittenberg, wo er sich am 4. April 1620 den akademischen Grad eines Magisters der Philosophie erwarb. Um seine Studien der Theologie fortzusetzen, begab er sich an die Universität Leipzig, um die dortigen berühmten Theologen kennenzulernen. Er wechselte wieder nach Wittenberg, wo er am 23. Oktober 1622 als Adjunkt in der philosophischen Fakultät aufgenommen wurde.

1623 übertrug man ihm die Professur der Ethik, jedoch verblieb er nicht lange in diesem Amt, da er ein theologisches Ziel verfolgte. Dieser Wunsch wurde ihm schon im Folgejahr ermöglicht, als man ihn als Prediger in Lüneburg verpflichtete. Um seine Ambitionen voranzutreiben, avancierte er am 17. Dezember 1624 zum Lizentiaten der Theologie. 1626 übertrug man ihm das Pastorat in der St.-Petri-Kirche in Hamburg. Nachdem er am 12. Oktober 1641 in Wittenberg zum Doktor der Theologie promoviert worden war, wirkte er ab 1648 an St. Petri als Pastor primarius, Senior des Geistlichen Ministeriums und Inspektor der Schulen, sowie aller Kirchen Hamburgs. Er starb an einem Herzanfall bei einer Predigt.

Wirken

Müller war ein streng orthodoxer lutherischer Theologe und verschrieb sich dem Kampf gegen Andersgläubige wie Juden, Katholiken und Reformierte. Er behauptete: „Der Bauch ist zu Hamburg Gott“ und verlangte, dass von Seiten der Obrigkeit Religion und Kirche mehr Achtung entgegengebracht werden sollte.

Sein mit Vehemenz geführter Kampf gegen die Juden prägte die Hamburger Judenpolitik seiner Zeit. Er unterstützte die judenfeindliche Kanzelpropaganda und verfasste unzählige Gutachten, Beschwerden und Schmähschriften gegen die Juden. Er verlangte schärfste Restriktionen und die Schließung der privat eingerichteten Betstuben, denn die religiösen Praktiken der Juden waren für ihn ein Ausdruck der Blasphemie. Synagogen waren für ihn „Satans-Schulen“ und den Juden sollten die Rabbiner verboten werden. Stattdessen sollten „christliche Rabbiner“ christlich geprägte Gottesdienste leiten, denn seiner Meinung nach machte der Aufenthalt von Juden in Hamburg nur Sinn, wenn diese der Bekehrung zugeführt würden. Er lehnte zwar Zwangstaufen ab, verlangte aber, dass die Lebensumstände der Juden so bedrückend sein sollten, dass sie freiwillig konvertierten. So kreidete er den Juden nicht nur ihr Judesein, sondern auch den Luxus der sephardischen Oberschicht und deren Akzeptanz in der Hamburger Gesellschaft an: „Sie gehen einher, geschmückt mit goldnen und silbernen Stücken, mit köstlichen Perlen und Edelgesteinen. Sie speisen auf ihren Hochzeiten aus silbernen Gefäßen und fahren in solchen Karossen, die nur hohen Standespersonen zustehen, und gebrauchen noch obendrein Vorreiter und eine große Gefolgschaft“.

Der Hamburger Senat, der aus wirtschaftlichen Gründen gegenüber den Juden eine gewisse Toleranz zeigte, musste zeitweise Müllers judenfeindlichem Eifer stattgeben. So wurden 1649 die fünfzehn deutsch-jüdischen Familien aus Hamburg vertrieben, welche im unter der dänischen Krone stehenden Altona Zuflucht fanden. Müller erreichte auch, dass der portugiesisch-jüdische Arzt Benjamin Mussaphia, dessen Schrift „Sacro-Medicae Sententiae toto V(etere) T(estamento) collectae“ angeblich Blasphemien enthielt, ausgewiesen wurde.

In seinem 1500-seitigen Werk „Judaismus oder Judenthumb/ Das ist ein Außführlicher Bericht von des Jüdischen Volckes Unglauben / Blindheit und Verstockung / ...“ von 1644 wollte Müller beweisen, dass die jüdische Religion, nichts als Unglaube sei. Darin wiederholte er das antijudaistische Stereotyp der Juden als „Feinde Christi“. Dabei bezog er sich unter anderem auf die Kirchenväter, Literatur von Konvertiten aus dem Judentum, auf Johannes Pfefferkorn und auf Martin Luther. In diesem Werk erhebt er unter anderem die Forderung, dass der Schabbat abgeschafft, beziehungsweise auf den Sonntag verlegt werden solle.

Müllers Polemik gegen die Juden, die sich mit fortschreitendem Alter noch verschärfte, führte hin und wieder zu Ausschreitungen des Pöbels, und brachte den Juden eine Unzahl von Restriktionen, dennoch konnte er nicht verhindern, dass die Gemeinde stetig anwuchs, und vom Hamburger Senat weitgehend geduldet wurde.

Genealogisch ist anzumerken, dass er sich am 22. Oktober 1623 mit Sophia, der Tochter des Erasmus Schmidt verheiratet hatte. Sein Enkel, der Hamburger Jurist Johannes Joachim Müller (1633–1733) schrieb angeregt durch Johannes Müllers Werk Atheismus devictus nach G. Bartsch De tribus impostoribus und datierte es irrtümlich auf das Jahr 1598 zurück.

Werkauswahl

  1. Prodomus anti Jansenii. Hamburg 1632
  2. Anti Jansenius. Wittenberg 1632 und 1634
  3. Brevis admonitio de Nicolai Jansenii Monarchi Dominicani ruditate, maledicentia et libidine. Hamburg 1634
  4. Responsio ad Jansenii defensionem fidei Catholicae. Hamburg 1634
  5. Qväcker Greul und Quackeley. Hamburg 1661 und 1663
  6. Die Augsburgische Confession. Hamburg 1630
  7. Lutherus defensi. Arnstadt 1648. Hamburg 1658
  8. Defensio Lutheri defensi. Hamburg 1659
  9. Judismus. Hamburg 1644
  10. Warnung für El. Praetorii Schan-Buch von den Missbrauchen des Predigt-Amts. Hamburg 1645
  11. Wiederlegung der Dordrechtischen absoluti decreti. Hamburg 1649 und 1652
  12. Hamburgische Schul-Predigten. Hamburg 1651
  13. Morgenröthe der Güte und Barmherzigkeit Gottes aus Thren. III. Hamburg 1651
  14. Erklärung des 51. Psalms in 17 Predigten. Hamburg 1666
  15. Erklärung des 23. Psalms in 7 Predigten. Hamburg 1627
  16. Erklärung des 8 Psalms in 8 Predigten. Hamburg 1628
  17. Grün- Donnerstags-Predigt vom hochwürdigen Abendmahl. Hamburg 1627
  18. Predigt am Sonntag Eraudi vor dem König von Schweden Gustav Adolph gehalten. Hamburg 1631
  19. Ob iemand jemals, sonderlich die Layen im Alten Testament ohne Christi Erkänntnis sind selig worden. Hamburg 1628
  20. Neun Predigten über das Symbelum Athanasii. Hamburg 1626
  21. Vertheidigung des Berichts von der neuen Propheten Religion wider Niclas Teting. Hamburg 1636
  22. Einweihungspredigt eines Taufsteins. Hamburg
  23. Gründliche Antwort und Wiederlegung der Päpstlichen Einwürffe, durch welche die Lutherische Kirche verdächtig gemachet, und die Leute zum Abfall vom wahren Evangelischen Glauben zu bereden geachtwet wird. Hamburg 1631
  24. Menschlich Gedichte von Verstossung des grösten Theils der Menschen zur ewigen Verdamniß ohn Ansehen des Unglaubens, aus bloßen Rathschluß Gottes. Hamburg 1637
  25. Anabaptismus. Hamburg 1644 und 1669
  26. Lüneburgische Valet- und Hamburgische Anzugs-Predigt. Hamburg 1626
  27. Vermahnung an die Gemeinde in Hamburg. Hamburg 1630
  28. Atheismus devictus. Hamburg 1672
  29. Acerra Biblica. Leipzig 1697

Literatur

  • G. Bartsch (Hrsg.): De tribus impostoribus Anno MDIIC; Von den drei Betrügern 1598. lat.-dt., 1960, Berlin
  • Jutta Braden: Hamburger Judenpolitik im Zeitalter lutherischer Orthodoxie 1590–1710. Christians, Hamburg 2001, ISBN 978-3-7672-1355-5
  • Heinz Kathe: Die Wittenberger Philosophische Fakultät 1501–1817. Böhlau, Köln 2002, ISBN 3-412-04402-4

Weblinks


Vorgänger Amt Nachfolger
Valentin Wudrian Hauptpastor an St. Petri zu Hamburg
16261672
Hermann von Petkum

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Johannes Müller — ist der Name folgender Personen: Johannes Müller aus Königsberg, latinisiert Regiomontanus (1436–1476), Astronom und Mathematiker Johannes Müller († um 1600), Sekretär und Chronist in Meßkirch, siehe Zimmerische Chronik Johannes Müller (Pastor)… …   Deutsch Wikipedia

  • Müller (Familienname) — Bekannte Namensträger: A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z Müller ist mit seinen Varianten …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Personen namens Müller — Müller ist der Name folgender Personen: A Achim Müller (* 1938), deutscher Chemiker Adalbert Müller (1802–1879), deutscher Schriftsteller und Landeskundler Adam Müller von Nitterdorf (1779–1829), üblich: Adam (Heinrich) Müller, deutscher… …   Deutsch Wikipedia

  • Johannes Bugenhagen — von Lucas Cranach d. Ä. Johannes Bugenhagen (* 24. Juni 1485 in Wollin, Herzogtum Pommern; † 20. April 1558 in Wittenberg, Kurfürstentum Sachsen), auch Doctor Pomeranus genannt, war ein bedeutender deutscher Reformator und We …   Deutsch Wikipedia

  • Johannes Bugenhagen (Dr. Pomeranus) — Johannes Bugenhagen von Lucas Cranach d. Ä. Johannes Bugenhagen (* 24. Juni 1485 in Wollin (Pommern); † 20. April 1558 in Wittenberg), auch Doctor Pomeranus genannt, war ein bedeutender deutscher Reformator und Weggefährte Mart …   Deutsch Wikipedia

  • Johannes Kuhlo — Widmung (euphonisch) und Unterschrift von Johannes Kuhlo Karl Friedrich Johannes Kuhlo (* 8. Oktober …   Deutsch Wikipedia

  • Johannes Prassek — (* 13. August 1911 in Hamburg; † 10. November 1943 ebenda) war ein deutscher katholischer Priester und gehört zu den Lübecker Märtyrern. Er wurde 2011 selig gesprochen. Inh …   Deutsch Wikipedia

  • Müller [3] — Müller, 1) Johann, s. Regiomontanus. 2) Heinrich, geb. 18. Oct. 1631 in Lübeck, studirte seit 1645 in Rostock u. Greifswald, wurde 1651 Archidiakonus in Rostock u. akademischer Lehrer, 1659 Professor der Griechischen Sprache u. 1662 der Theologie …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Johannes Neuhäusler — (* 27. Januar 1888 in Eisenhofen bei Dachau; † 14. Dezember 1973 in München) war ein deutscher katholischer Theologe und kirchlicher Widerstandskämpfer im Dritten Reich. Von 1939 bis 1945 war er als Sonderhäftling in den Konzentrationslagern… …   Deutsch Wikipedia

  • Johannes Freder — (auch Fret(h)er, Fretter oder Irenaeus; * 29. August 1510 in Köslin; † 25. Januar 1562 in Wismar) war ein deutscher lutherischer Theologe und Kirchenlieddichter. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Werkauswahl 3 Literatur …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”