Johann Hartwig Ernst von Bernstorff

Johann Hartwig Ernst von Bernstorff
Graf von Bernstorff

Johann Hartwig Ernst Graf von Bernstorff (* 13. Mai 1712 in Hannover; † 18. Februar 1772 in Hamburg) war ein deutscher Diplomat und als dänischer Staatsminister ein aufgeklärter Reformer. Er war mit Friedrich Gottlieb Klopstock befreundet.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Johann Hartwig Ernst von Bernstorff wurde als jüngerer Enkel von Andreas Gottlieb von Bernstorff (1640–1726) bereits von früh an auf eine diplomatische Karriere vorbereitet. Nach dem Studium am Collegium illustre und an der Universität Tübingen und einer Grand Tour durch Europa unter der Obhut seiner Hauslehrers Johann Georg Keyßler gemeinsam mit seinem Bruder Andreas Gottlieb trat er 1732 in den dänischen Staatsdienst.

1733 wurde er von Christian VI. als Diplomat an den sächsischen Hof nach Dresden geschickt. In dieser Funktion begleitete er August III. nach Warschau, wo er bis 1737 blieb. Anschließend ging er als dänischer Gesandter u.a. nach Regensburg und Paris, wo er in den sechs Jahren seines Aufenthaltes (1744-1750) enge Freundschaft mit Louis-Charles-Auguste Fouquet de Belle-Isle und dessen Frau schloss und Kontakte zu Voltaire und Montesquieu knüpfte.

Bernstorffs Fleiß und Geschick führten nicht nur dazu, dass Christian VI. ihm 1746 den Dannebrog-Orden verlieh und Friedrich V. ihn 1749 zum Geheimen Rat beförderte. Auch sein Landesherr, Friedrich Ludwig von Hannover, der Prince of Wales, stellte ihm in Aussicht, wie sein Großvater Premierminister von Hannover zu werden.[1] Allerdings starb Prinz Friedrich 1751, lange vor seinem Vater Georg II., so dass Bernstorff nicht mehr an das ihm gegebene Versprechen gebunden war. Im selben Jahr wurde Bernstorff als Nachfolger von Johan Ludvig von Holstein Chef der Deutschen Kanzlei in Kopenhagen für Schleswig-Holstein und zugleich als Nachfolger von Johann Sigismund Schulin Außenminister des Königreichs Dänemark und einflussreichster Mann im dänischen Staat unter den Königen Friedrich V. und Christian VII..

Bernstorff gelang es, Dänemark aus allen Konflikten herauszuhalten. Im Siebenjährigen Krieg blieb Dänemark neutral. Als Vermittler zwischen dem Herzog von Cumberland und dem Marschall von Richelieu in der Konvention von Kloster Zeven versuchte Bernstorff - wenn auch vergeblich - seiner Heimat, dem Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg, Schutz durch Neutralität zu garantieren. Mit Schweden und Russland schloss er Verträge, die den nordischen Ländern die freie Schifffahrt garantieren und gleichzeitig den Engländern den Zugang zur Ostsee versperren sollte. Mit Frankreich schloss er am 4. Mai 1758 einen Vertrag auf gegenseitige Verteidigung. Dänemarks Beitrag war eine 24000 Mann starke dänische Armee an der Elbe, um Holstein, Hamburg und Lübeck zu schützen.

Ein weitere von Bernstorff gelöster Konflikt war die seit über 150 Jahren bestehende Feindschaft zwischen dem dänischen Königshaus und den Herzögen von Schleswig-Holstein-Gottorf. Letztere waren über lange Zeit machtlos gewesen, wurden aber in der Mitte des 18. Jahrhunderts, als zwei Mitglieder der Familie, Karl Peter Ulrich und Adolf Friedrich von Schleswig-Holstein-Gottorf zu Königen von Rußland bzw. Schweden wurden, zur Bedrohung für das dänische Königshaus und dessen Besitzansprüche am Schleswig-Holstein. Der schwedische König Adolf Friedrich hatte bereits als Kronprinz 1749 auf seine Ansprüche verzichtet, Peter III. von Russland war dagegen nicht bereit, die gottorfschen Anteile kampflos aufzugeben und erklärte Dänemark sofort nach seinem Regierungsantritt 1762 der Krieg. Eine dänische Armee unter dem französischen General Saint-Germain zog ihm entgegen, doch bevor es zur Schlacht kommen konnte, wurde der Zar ermordet. Mit seiner Nachfolgerin Katharina II. schloss Bernstorff einen Allianzvertrag. Seinen größten Erfolg, den Vertrag von Zarskoje Selo, in dem die gottorfschen Anteile am Herzogtum Holstein mit den Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst ausgetauscht wurden, womit Schleswig-Holstein erstmals seit dem 16. Jahrhundert wieder unter einer Hand vereinigt war, vollendete sein Neffe und Nachfolger Andreas Peter von Bernstorff nach seinem Tod.

Dank der von Bernstorff betriebenen außenpolitischen Neutralität und Förderung des Handels steig der Wohlstand im dänischen Gesamtstaat. Über Jahre stand er auch dem Kommerzkollegium vor. Seine Versuche, eine Industrie in Dänemark zu etablieren, blieben zwar ohne große Erfolge, seine Landwirtschaftsreformen und die Bauernbefreiung führte dagegen sein Neffe erfolgreich weiter.

Bernstorff betätigte sich auch als Förderer von Kunst und Literatur. Kopenhagen, wo die St.-Petri-Kirche quasi eine deutsche Enklave und Kulturkolonie der Hafenstadt inmitten der dänischen Kirchenorganisation darstellte, wurde ein Zentrum deutscher Kultur. Bernstorff lernte Zeit seines Lebens nie dänisch. Das Haus von Balthasar Münter z. B., der Vater von Friedrich Münter, wurde schon nach kurzer Zeit der Mittelpunkt der deutschen Gemeinde Kopenhagens. Hierher kamen u.a. Friedrich Gottlieb Klopstock, die Grafen Friedrich Leopold zu Stolberg-Stolberg, Christian zu Stolberg-Stolberg, Matthias Claudius, Heinrich Wilhelm von Gerstenberg, Johann Andreas Cramer, Johann Bernhard Basedow und Carsten Niebuhr[2]. Mit Klopstock verband ihn eine tife Freundschaft. Bernstorff kümmerte sich auch um die Verbesserung der Volksbildung und förderte anfangs Basedow, obwohl dessen Rationalismus seiner eigenen, vom Pietismus geprägten Religiosität nicht entsprach.

Außer einem Stadtpalais in Kopenhagen ließ er auf seinem Landbesitzt in der Nähe der Stadt Schloss Bernstorff errichten. Dort schaffte er auch die Leibeigenschaft ab, die auf den nicht zum dänischen Gesamtstaat gehörenden Gütern Wotersen, Wedendorf und Stintenburg, über das Klopstock eine Ode schrieb, jedoch bestehen blieb.

Nach dem Tod Königs Friedrich V. erhob ihn dessen Sohn Christian VII. 1767 in den Grafenstand erhoben. Doch nachdem der junge König Johann Friedrich Struensee kennengelernt hatte, sank Bernstorffs Einfluss. 1770 wurde er von Struensee entlassen und verließ Kopenhagen. Ein Angebot Katharinas II., in ihre Dienste zu treten, lehnte er ab. Ehe man ihn nach Struensees Sturz zurückrufen konnte, starb er am 14. Februar 1772. Er ist in der Kirche in Siebeneichen bei seinem Gut Wotersen beigesetzt, deren Patron er war und die er 1753 bauen ließ.

Familie

1751 heiratete Bernstorff die 18jährige Charitas Emilie Gräfin von Buchenwald (1733–1820) - hauptsächlich wegen ihrer Mitgift. Seit 1779 lebte sie in Weimar mit ihrer Nichte Sophie von Schardt. Deren Bruder war Hans Joachim von Bernstorff (* 3. August 1754; †?), der Neffe von Charitas Emilie, der 1778 und 1780 Kanzleidirektor in Celle war. Charitas war die Patin von Johann Gottfried Herders Kindern Adelbert und Emil.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Opitz, S. 33.
  2. Vgl.: Edith Rosenstrauch-Königsberg, Friedrich Münters Reisen und Briefe in ihren europäischen Bezügen, Reimar Hobbing Verlag, Essen 1987

Weblinks



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