Johann Christof Bartenstein

Johann Christof Bartenstein
Johann Christof Freiherr von Bartenstein, nach Martin van Meytens

Johann Christof Freiherr von Bartenstein (* 23. Oktober 1689 in Straßburg; † 6. August 1767 in Wien) war ein Staatsmann und Diplomat in österreichischen Diensten.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Herkunft

Der bürgerlich geborene spätere von Bartenstein wuchs in Straßburg auf: Sein Vater Johann Philipp Bartenstein (1650-1726) war ein aus Thüringen zugezogener Professor für Philosophie und Leiter des Straßburger Gymnasiums; seine Mutter entstammte einer Straßburger Gelehrtenfamilie.

Studium und erste Kontakte

Studium in Straßburg

Der junge Bartenstein studierte in Straßburg Sprachen, Geschichte und Rechtswissenschaft. Sein Geschichtstudium schloß er 1709 ab mit einer Arbeit über den Krieg des Moritz von Sachsen gegen Karl V., sein Jurastudium 1711 mit einer Arbeit über Erbschleicherei.

Reisen nach Paris und Wien

Als Neunzehnjähriger reiste er nach Paris, wo er in Kontakt zu Benediktinern trat, anschließend zog es ihn nach Wien: Dort begegnete er Gottfried Wilhelm Leibniz, der ihn förderte und ihm zu einer Laufbahn in der Staatsverwaltung riet.

Karriere in Wien

Konversion und Beginn der Karriere

1715 konvertierte der evangelisch getaufte junge Bartenstein zum katholischen Glauben, da er eine Laufbahn in der österreichischen Administration anstrebte. Bereits 1719 wurde er in den Ritterstand erhoben und machte in den 1720er und 30er Jahren eine steile Karriere am habsburgischen Kaiserhof.

Auf dem Höhepunkt der Macht

Von Bartenstein wurde zunächst Sekretär, später Protokollführer der Geheimen Konferenz, der obersten Regierungsbehörde in Wien und engster Vertrauter und Berater von Kaiser Karl VI. 1732 (nach einer anderen Quelle 1733) erhielt er das Adelsdiplom als Reichsfreiherr und stieg auf zum Geheimen Rat und Vizekanzler in der österreichischen Staatskanzlei. Den bereits kränkelnden Prinzen Eugen konnte er als erster Berater erfolgreich verdrängen. Nach Karls Tod 1740 blieb er dessen Tochter und Nachfolgerin Maria Theresia verbunden und bestimmte über Jahre die Habsburger Haus- und Außenpolitik.

Ende der Karriere und Tod

1753 wurde er durch Wenzel Anton Graf Kaunitz in die Innenpolitik verdrängt. Zuletzt war er Direktor des Geheimen Hausarchivs und verfasste Lehrbücher für den Kronprinzen Joseph II. Bei seinem Tod 1767 hinterließ er seinen Nachkommen umfangreiche Ländereien in Niederösterreich und Schlesien. In Wien wurde in der Inneren Stadt eine Gasse in der Nähe des Parlaments nach ihm benannt.

Wirken

Diplomatische Erfolge

Bartenstein und die Pragmatische Sanktion

Von Bartenstein galt zu seiner Zeit als einer der einflussreichsten Persönlichkeiten und klügsten Köpfe am Wiener Hof. Als geschickter diplomatischer Drahtzieher war er maßgeblich beteiligt an der politischen Durchsetzung der von Karl VI. 1713 erlassenen Pragmatischen Sanktion, der Proklamation zur Sicherung des ungeteilten habsburgischen Hausbesitzes durch Einführung der weiblichen Erbfolge; dass die habsburgischen Erblande und Ungarn 1723 diesen Erlass durch eigene Beschlüsse annahmen, die Pragmatische Sanktion Staatsgrundgesetz und von England 1731 anerkannt wurde, war auch ein Verdienst von Bartensteins.

Bartenstein als Ehestifter

Nach dem Thronantritt Maria Theresias stärkte er der unsicheren jungen Erzherzogin und Königin von Böhmen und Ungarn den Rücken gegen die altgedienten Minister bei Hofe. Auch das Zustandekommen der äußerst glücklich verlaufenden Ehe der Thronerbin mit Franz-Stephan von Lothringen wird dem diplomatischen Geschick des Straßburgers zugeschrieben: Eine Ehe der Regentin mit dem ihr verhassten Infanten Don Carlos von Spanien wusste er zu verhindern und fädelte auch die Ehe von Maria Theresias jüngerer Schwester Marianne mit einem Lothringer ein. Geschickt lavierend, reichte er dem mächtigen Kardinal Fleury die Hand und veranlasste Franz, sein Herzogtum im Tausch gegen die Toskana an Frankreich abzutreten. Damit wurde 1735 der polnische Erbfolgekrieg beendet, 1737 folgte die Hochzeit in Wien und 1745 die Thronbesteigung des Lothringers als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation. Diese diplomatische Glanzleistung sicherte von Bartenstein die lebenslange Loyalität der Erzherzogin und gilt als Bravourstück seiner Karriere.

Außenpolitische Niederlagen

Friede von Belgrad

Weniger erfolgreich war von Bartenstein bei anderen außenpolitischen Analysen und Entscheidungen: Seine Durchsetzung eines neuerlichen Kriegseintritts Österreichs an der Seite Russlands 1737 gegen die Türken führte zu einer empfindlichen Niederlage im Frieden von Belgrad 1739.

Österreichischer Erbfolgekrieg und Schlesische Kriege

Konfrontationskurs zu Friedrich II. von Preußen

Als besonders unnachgiebig und zu keinem Kompromiss bereit zeigte sich von Bartenstein in seiner ablehnenden, ja feindseligen Haltung Preußen gegenüber: Als einer der ersten wendete er sich schon früh gegen Friedrich II. und lehnte Verhandlungen mit Preußen kategorisch ab; den Österreichischen Erbfolgekrieg und die dadurch erleichterte Besetzung Schlesiens durch die preußische Armee konnte er nicht verhindern.

Konfrontationskurs zu England

Im Verlauf der für Österreich verlustreichen Schlesischen Kriege verlor er sein diplomatisches Taktgefühl: Seine Haltung gegenüber dem Preußenkönig wurde immer verbitterter und unnachgiebiger. Auch in Friedenszeiten machte er außerdem in zahllosen Briefen und Pamphleten die aus seiner Sicht unloyalen Engländer dafür verantwortlich, dass Österreich weder auf deutschem noch auf italienischem Boden Ersatz für Schlesien erhielt.

Entmachtung durch Kaunitz und Wechsel in die Innenpolitik

1753 bekam er dafür die Quittung: Unter dem neuen machtbewussten Staatskanzler Wenzel Anton Graf Kaunitz war für von Bartenstein kein Platz mehr: Er wurde in die Innenpolitik abgeschoben; am 3. Schlesischen Krieg nahm er nur noch als Zaungast teil. Eine Jahrzehnte währende glanzvolle Karriere am Wiener Hof war damit beendet.

Letzte Jahre in der Innenpolitik

Fallengelassen wurde er dennoch nicht: Maria Theresia betraute ihn mit der inneren Verwaltung ihrer Länder und der Ausarbeitung eines neuen Zolltarifs. Er leitete das österreichische Sanitätswesen und wurde zum Präses der Illyrischen Hofdeputation ernannt, die die Angelegenheiten der aus Serbien eingewanderten Bevölkerung regelte. Zuletzt wurde er Leiter des neu gegründeten Geheimen Hausarchivs und schrieb ein historisches Lehrwerk für den jungen Thronfolger Joseph: handgeschriebene vierzehn Bände Text und sechs Bände Beilagen von Karl dem Großen bis Rudolf II.

Fazit

Aufsteiger und Einzelgänger

In diplomatischen Kreisen war der für seine große Gelehrsamkeit wie für seine scharfe Zunge gleichermaßen bekannte Aufsteiger von Bartenstein nicht unumstritten: Zeitgenossen mokierten sich vor allem über sein kriecherisches Wesen gegenüber der Krone und sein arrogantes Auftreten gegenüber ausländischen Diplomaten.

Das mag letztendlich den Ausschlag für seine abrupte Entfernung aus der österreichischen Außenpolitik gegeben haben: Außer Maria Theresia selber hatte der bürgerliche Einzelgänger keine „Hausmacht“, kein Netzwerk an persönlichen Beziehungen, das ihn auch in Krisenzeiten getragen hätte.

Baumeister der Hegemonialmacht Österreich

Trotz des letztendlichen Scheiterns seiner Politik hatte der Politiker und Österreich stets loyal ergebene Diplomat von Bartenstein maßgeblich mitgewirkt an der neuen Identität des habsburgischen Vielvölkerstaates als selbstbewusster Hegemonialmacht.

Zitate

„Keine Abtretung, keine Erzherzogin!“ (von Bartenstein zu Franz-Stephan von Lothringen, der zunächst nicht freiwillig auf sein Herzogtum verzichten will)

„Zwei Pfeiffer (sic!) taugen nicht in einem Wirtshaus!“ (Kaunitz über von Bartenstein vor dessen Versetzung)

„Muss Ihme die Justiz leisten, dass Ihme allein schuldig die Erhaltung dieser Monarchie; ohne Seiner wäre alles zu Grund gegangen.“ (Maria Theresia in einem Brief an Johann Christof von Bartenstein)

Literatur

  • Alfred von Arneth: Johann Christof Bartenstein und seine Zeit, in: Archiv für österreichische Geschichte 46 (1871), Sonderdruck
  • ders.: Maria Theresia, Bd. I-VI, Wien, 1863-1875
  • G. Klugenstein: Kaunitz contra Bartenstein, in: Beiträge zur neueren Geschichte Österreichs, hsg. von H. Fichtenau und E. Zöllner
  • M. Braubach: Johann Christof von Bartensteins Herkunft und Anfänge, in: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 61 (1953), S. 99
  • F. Walter: Männer um Maria Theresia, Wien, 1951, S. 19-38

Weblinks

  • Alfred von Arneth: Bartenstein, Johann Christoph Freiherr von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 2, Duncker & Humblot, Leipzig 1875, S. 87–93.

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