Johann Christian Eberle

Johann Christian Eberle
Grab von Johann Christian Eberle auf dem Johannisfriedhof in Dresden.

Johann Christian Eberle (* 3. Mai 1869 in Laumersheim; † 7. Dezember 1937 in Dresden) gilt als die bedeutendste Persönlichkeit in der Geschichte der deutschen Sparkassen. Er führte 1908 in Sachsen den bargeldlosen Zahlungsverkehr ein und schuf damit die Grundlage für die Ausbildung der Institute und Verbände zur heutigen Sparkassen-Finanzgruppe.

Inhaltsverzeichnis

Familie, Ausbildung und Beruf

Eberle wurde als fünftes und letztes Kind in eine alteingesessene pfälzische Bauernfamilie hineingeboren. Ab 1889 studierte er Rechts- und Staatswissenschaften sowie Philosophie und Volkswirtschaft in Heidelberg, München und Leipzig. 1896 promoviert, wurde er Ratsassessor in der Stadtverwaltung Leipzig. Dort oblagen ihm hauptsächlich die städtischen Klär- und Schleusenanlagen, der städtische Grundbesitz sowie die Sparkassenverwaltung.

Laufbahn

Sparkassenwesen

Von 1898 bis 1919 war Eberle Bürgermeister von Nossen und damit laut Satzung der Stadt Vorsitzender der städtischen Sparkassen. Neben der Weiterentwicklung der Sparkassen setzte er sich für die Ansiedlung von Unternehmern in der Stadt ein. Eberles Wunsch ein sparkasseninternes Clearing einzuführen, um die Kunden am bargeldlosen Zahlungsverkehr teilhaben zu lassen, führte 1907 zur Gründung des Sächsischen Sparkassenverbands und trieb die Gründung des Giroverbands Sächsischer Gemeinden mit angeschlossener Girozentrale 1908 in Dresden voran. Dabei handelte sich nicht nur um den ersten Giroverband deutscher Sparkassen überhaupt, sondern die Aufnahme des Giroverkehrs in Sachsen war auch wegweisend für die Entwicklung der Sparkassenorganisation.

In Sachsen initiierte Eberle weitere Verbandsgründungen: Kreditanstalt Sächsischer Gemeinden (KSG, gegr. 1916), Öffentliche Versicherungsanstalt Sachsen (ÖVA, gegr. 1919), Landesbausparkasse Sachsen (LBS, gegr. 1928) sowie von 1923 bis 1928 65 Haftungsgenossenschaften sächsischer Girokassen. Am Ende der 1920er Jahre stand Eberle nicht nur den Gremien der fünf sächsischen Zweckverbände der Sparkassenorganisation vor, sondern bekleidete darüber hinaus das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden der Chemnitzer Girobank KG und eines Aufsichtsratsmitglieds der Industriewerke AG Plauen/Vogtland.

1916 war Eberle maßgeblich am Zusammenschluss der nach sächsischem Vorbild in anderen Teilen des Reichs gegründeten Giroverbände zum Deutschen Zentral-Giroverband beteiligt. 1918 rief er zusammen mit anderen die Deutsche Girozentrale (DGZ) ins Leben, die sich 1924 an der Gründung der Zentropa beteiligte, der Zentraleuropäischen Versicherungsbank AG in Berlin. Als Höhepunkt seiner reichsweiten Aktivitäten leitete er zusammen mit Dr. Ernst Kleiner die 1924 erfolgte Gründung des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands ein, dem er bis zu seinem Tod als stellvertretender Vorstandsvorsitzender angehörte. Daneben publizierte er zahlreiche Schriften zum Sparkassenwesen.

Mittelstandsförderung

Neben seinem Engagement für die Sparkassen war Eberle in die sächsische Mittelstandspolitik involviert. 1909 bis 1916 war er im Vorstand der Mittelstandsvereinigung im Königreich Sachsen aktiv, einer konservativen Interessenvertretung von Handwerkern und mittelständischen Unternehmern, die ihren Höhepunkt vor dem und während des Ersten Weltkriegs erlebte. Im Auftrag der Mittelstandsvereinigung leitete er von 1913 bis 1916 in Leipzig das von ihm 1909 mitbegründete Submissionsamt, ein Dienstleistungszentrum für mittelständische Gewerbetreibende, welches Handwerker bei der Angebotsabgabe auf öffentliche Ausschreibungen beriet sowie die Gründung von Lieferungsverbänden anregte und betreute. 1912 bis 1931 stand er außerdem dem Reichsdeutschen Mittelstandsverband vor, der drei große Reichsdeutsche Mittelstandstage abhielt, nach dem Ersten Weltkrieg aber kaum mehr öffentlich in Erscheinung trat.

Sächsischer Landtag

Nachdem Eberle 1909 mit seinem Ziel gescheitert war, als Abgeordneter in den Sächsischen Landtag gewählt zu werden, wurde er 1917 Mitglied der Deutschen Vaterlandspartei. Dort traf er auf Wolfgang Kapp, mit dem er bereits vor dem Ersten Weltkrieg Ideen bezüglich einer Versicherungsanstalt ausgetauscht hatte. Nachdem die Deutsche Vaterlandspartei 1918 in der Deutschnationalen Volkspartei aufgegangen war, kandidierte Eberle 1920 erneut und diesmal erfolgreich für den sächsischen Landtag, dem er von 1920 bis 1930 als Abgeordneter der DNVP angehörte.

Bedeutung

Eberle versuchte über drei Jahrzehnte hinweg, die Sparkassen als eigenverantwortliche Körperschaften im Sinne der kommunalen Selbstverwaltung zu gestalten. Seine Motivation, den gewerblichen Mittelstand mit Hilfe der Sparkassen zu fördern und dabei wirtschaftsethische Grundsätze zu beachten, zog er, ähnlich wie Friedrich Wilhelm Raiffeisen, aus seinem starken protestantischen Glauben.

Ab 1933 wollte er die Sparkassen dem nationalsozialistischen System nutzbar machen, nachdem er der demokratischen Republik von Weimar und Reformen aus dieser Zeit skeptisch gegenübergestanden hatte. Zu spät erkannte er jedoch den wahren Charakter und die Unnachgiebigkeit des totalitären Regimes und litt unter seinem zunehmend enger werdenden Handlungsspielraum.

Andenken

Dr.-Johann-Christian-Eberle-Medaille

An Eberle erinnert die Dr.-Johann-Christian-Eberle-Medaille, die höchste Auszeichnung des deutschen Sparkassenwesens. Verliehen wurde sie u. a. an Albert Heitjans, Hermann Oxfort, Josef Schürgers, Gerd Wixforth, Bernhard Halbe, Clemens Lindemann, Michael Ermrich sowie Dieter Engelmann.

Eberle-Butschkau-Stiftung

Eberle ist Namenspate des Studentenförderungsproramms der S-Finanzgruppe, der Eberle-Butschkau-Stiftung.

Literatur

  • Johann Christian Eberle: Dr. Eberle spricht. Schriften, Reden, Aufsätze zur Erneuerung der Sparkassen. Deutscher Sparkassenverlag, Stuttgart 1959.
  • Johann Christian Eberle: Der angemessene Preis. Ein Vorschlag zur Reform des Submissionswesens von Bürgermeister Dr. Eberle, Mitglied des Submissionsamtes der Mittelstands-Vereinigung im Königreich Sachsen. 3. Aufl., Leipzig 1912.
  • Barbara Hillen: Der Sparkassenreformer und sächsische Mittelstandspolitiker Johann Christian Eberle (1869–1937). Sax-Verlag, Beucha 2004, ISBN 3934544681.
  • Barbara Hillen: Neue Zeiten, neue Ziele! Johann Christian Eberle und die Modernisierung der Sparkassen. Deutscher Sparkassenverlag, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-09-303824-2.
  • Hans Pohl (Hrsg.): Deutsche Bankiers des 20. Jahrhunderts. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-515-08954-8, S. 97–110.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Eberle — ist der Familienname folgender Personen: Adam Eberle (1804–1832), deutscher Historienmaler Adolf Eberle (1843–1914), deutscher Maler Bob Eberle (1916–1981), amerikanischer Sänger Dietmar Eberle (* 1952), österreichischer Architekt Doraja Eberle… …   Deutsch Wikipedia

  • Eberle-Butschkau-Stiftung — Die 1969 gegründete Eberle Butschkau Stiftung mit Hauptsitz in Bonn ist Teil der Wissenschaftsförderung der Sparkassen Finanzgruppe. Satzungsmäßiger Auftrag der Stiftung ist die Aus und Weiterbildung von Führungs und Fachkräften. Dazu fördert die …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Biografien/Eb — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Deutschenbora — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Elgersdorf — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Gut Lindigt — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Göltzscha — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Ilkendorf — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Mergenthal — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Nuzzin — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”