Joe Lederer

Joe Lederer

Joe Lederer (* 12. September 1904 in Wien; † 30. Januar 1987 in München) war eine österreichische Journalistin und Schriftstellerin.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Lederer besuchte in Wien die Privatschule von Eugénie Schwarzwald, wechselte aber nach dem Tod ihres Vaters auf eine öffentliche Handelsschule. Nebenbei nahm sie privat Schauspielunterricht beim Burgschauspieler Carl Forest. Nachdem sie die Matura (Abitur) erreicht hatte, war sie im Büro des Bankhauses Pollak tätig. Als Lederer durch den Konkurs ihres Arbeitgebers den Arbeitsplatz verlor, engagierten sie Hugo Bettauer und Rudolf Olden als Sekretärin ihrer Zeitschrift Bettauers Wochenschrift - Probleme des Lebens.

Diese Zeitschrift war nicht unumstritten und gerade aus konservativen Kreisen immer wieder angegriffen. Das Ganze eskalierte, als am 26. März 1925 der Zahntechniker Otto Rothstock in die Redaktion eindrang und Bettauer erschoss. Rudolf Olden verschaffte Lederer, die nach diesem Ereignis kündigen wollte, eine Stelle als Privatsekretärin bei seinem Bruder, dem Schriftsteller Balder Olden.

Ab 1926 lebte Lederer als Privatsekretärin Balder Oldens in Berlin und konnte dort zwei Jahre später mit ihrem Roman Das Mädchen George debütieren. Differenzen um Lederers Geburtsjahr stammen aus dieser Zeit. In der Werbung für ihren Erstlingsroman war die Kernaussage die Jugendlichkeit der Autorin. In der Tagespresse firmierte Lederer immer wieder als die deutsche Colette. Neben ihren Roman und Novellen, die nun in rascher Folge erschienen, schrieb sie auch für den Film.

Gleich nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten versuchte Lederer, ihr wirtschaftliches Auskommen zu sichern. Am 8. September 1933 wurde sie, trotz jüdischen Glaubens, Mitglied der Reichsschrifttumskammer. Im darauffolgendem Jahr durfte noch ein kleiner Roman erscheinen, im Juli 1935 wurde ihr gesamtes literarisches Werk verboten.

Lederer emigrierte 1934 nach Shanghai und arbeitete dort als Kindermädchen. Doch nachdem sie sich mit Tuberkulose angesteckt hatte, kehrte sie im Laufe 1935 nach Wien zurück. Abwechselnd lebte sie in Wien und in Positano (Italien), um ihre Krankheit auszukurieren. Obwohl 1936 der Wiener Weltbild-Verlag die Rechte an ihren Büchern übernommen hatte, ging es ihr wirtschaftlich nicht gut.

Allerdings schätzte Lederer ihre Lage auch falsch ein, da sie 1939 Hilfe ihrer Kollegin Annemarie Selinko ablehnte. Durch die Vermittlung Selinkos hätte Lederer Kontakte zum Exilverlag Allert de Lange in Amsterdam bekommen; doch Lederer wollte sich „nicht exponieren“. Nach vielen vergeblichen Versuchen bekam Lederer 1939 ein Domestic permit, das ihr die Einreise nach Großbritannien erlaubte, um dort zu arbeiten. Bis 1943 war sie als Stubenmädchen im Hause des Industriellen Gordon Turner tätig. In dessen Haus traf sie u.a. ihre Kollegen Hilde Spiel, Stéphane Roussel und Peter de Mendelssohn wieder.

1944 fand sie eine Anstellung als Sekretärin und Übersetzerin beim Foreign Office in London und war hier bis 1952 tätig. 1946 wurde ihr die britische Staatsbürgerschaft verliehen. Nach Kriegsende blieb sie noch einige Jahre in London und kehrte 1956 nach Deutschland zurück.

Sie ließ sich in München als freie Schriftstellerin nieder und wurde vom Verleger Kurt Desch unter Vertrag genommen. 1973 gehörte Lederer dann auch zu den Opfern des sogenannten Deschskandals, bei dem der Verleger Kurt Desch in den 1970er Jahren viele seiner Autoren - so auch Lederer - um die ihnen zustehenden Tantiemen gebracht hatte.[1] Somit blieben auch jetzt ihre finanziellen Probleme schier unlösbar. Deshalb arbeitete sie streckenweise als Lektorin für verschiedene Zeitungen und schrieb auch einige Drehbücher fürs Fernsehen. Daneben übersetzte sie einiges (meistenteils noch unveröffentlicht) aus dem Englischen und begann ihre Autobiographie (ebenfalls unveröffentlicht) zu schreiben. Sie war Mitglied des P.E.N.-Zentrums.

Im Alter von 82 Jahren starb Joe Lederer fast vergessen am 30. Januar 1987 in München in einem Krankenhaus und wurde auf dem Münchener Waldfriedhof in einem Urnengrab beigesetzt.

Werke (Auswahl)

  • Blatt im Wind. Roman. Heyne Verlag, München 1965 (Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1936).
  • Blumen für Cornelia. Roman. Lübbe Verlag, Bergisch-Gladbach 1984, ISBN 3-404-10416-1 (Nachdruck der Ausgabe Berlin 1936).
  • Bring mich heim. Roman. Ullstein Verlag, Frankfurt/M. 1960 (Nachdruck der Ausgabe Berlin 1932).
  • Drei Tage Liebe. Roman. Desch Verlag, München 1956 (Nachdruck der Ausgabe Berlin 1931, enthält auch Bring mich heim).
  • Ein einfaches Herz. Roman. Ullstein Verlag, Frankfurt/M. 1963 (Nachdruck der Ausgabe Berlin 1937).
  • Entführt in Schanghai. Jugendbuch. Ensslin & Laiblin, Reutlingen 1958 (Illustrationen von Gerhard Pallasch, früherer Titel: Fafan in China).
  • Heimweh nach Gestern. Erzählung. Universitas Verlag, Berlin 1951 (Illustrationen von Hildegard Roedelius).
  • Letzter Frühling. Roman. Heyne Verlag, München 1965 (Nachdruck der Ausgabe München 1955)
  • Das Mädchen George. Roman. Igel Verlag, Hamburg 2008, ISBN 978-3-86815-035-3 (Nachdruck der Ausgabe Berlin 1928).
  • Musik der Nacht. Roman. Universitas Verlag, Berlin 1930.
  • Sturz ins Dunkel. Roman. Heyne Verlag, München 1969 (Nachdruck der Ausgabe München 1957).
  • Die törichte Jungfrau. Heiterer Roman. Ullstein Verlag, Frankfurt/M. 1993, ISBN 3-548-23071-7 (Nachdruck der Ausgabe München 1960).
  • Unruhe des Herzens. Roman. Ullstein Verlag, Frankfurt/M. 1994, ISBN 3-548-23023-7 (Nachdruck der Ausgabe München 1956).
  • Unter den Apfelbäumen. Roman. Ullstein Verlag, Frankfurt/M. 1992, ISBN 3-548-40141-4 (Nachdruck der Ausgabe Berlin 1934).
  • Von der Freundlichkeit der Menschen. Kurzgeschichten. Ullstein Verlag, Frankfurt/M. 1991, ISBN 3-548-22625-6 (Nachdruck der Ausgabe München 1964).

Literatur

  • Petra Budke: Schriftstellerinnen in Berlin 1871-1945. Ein Lexikon zu Leben zun Werk. Orlanda-Frauenverlag, Berlin 1995, ISBN 3-929823-22-5.
  • N. Herbermann: Joe Lederer, „Drei Tage Liebe“. In: Der Gral, Jg. 25 (1930)
  • Heinz Kindermann: Wegweiser durch die Moderne. Österreichische Verlagsanstalt, Innsbruck 1954.
  • H. Miethe: Joe Lederer, „Das Mädchen George“. In: Die Weltbühne, Bd. 28 (1928)
  • Stéphane Roussel: Das unberührbare Leben der Joe Lederer. In: Welt am Sonntag vom 8. Februar 1987
  • Heidegger, Gabriele: Joe Lederer. Eine Monographie. Diplomarbeit. Wien 1998.

Einzelnachweise

  1. http://www.zeit.de/1981/11/doppelter-desch/komplettansicht

Weblinks


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