Joan Baez

Joan Baez
Joan Baez im Golden Gate Park in San Francisco (2005)

Joan Baez [dʒoʊn ˈbaɪəz] (* 9. Januar 1941 in Staten Island, New York/USA als Joan Chandos Báez) ist eine US-amerikanische Folk-Sängerin, die vor allem durch ihre starke, klare Sopran-Stimme und ihr politisches Engagement gegen den Vietnamkrieg und die Rassentrennung bekannt wurde. Sie wird auch als „das Gewissen und die Stimme der 1960er“ bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Joan Baez kam 1941 im US-Staat New York als zweite Tochter von Albert Vinicio Báez und Joan Bridge Báez zur Welt. Ihr Großvater väterlicherseits trat in Mexiko aus der katholischen Kirche aus, wurde methodistischer Pastor und zog 1914 nach New York City. Die Eltern von Joan Baez waren ursprünglich Methodisten, traten aber noch in der frühen Kindheit Joan Baez’ zum Quäkertum über.

Ihre Mutter war Schottin und in Edinburgh geboren. Ihr Vater, ein Physiker mexikanischer Abstammung, weigerte sich, für die lukrative Rüstungsindustrie zu arbeiten. Diese idealistische Einstellung des Vaters mag Einfluss auf Baez’ späteres politisches Engagement gegen den Vietnamkrieg und für die Bürgerrechte gehabt haben. Wegen ihrer dunkleren Hautfarbe wurde sie während ihrer Kindheit öfter als „Nigger“ bezeichnet, Nachbarskindern wurde untersagt, mit ihr zu spielen.[1]

Aus beruflichen Gründen des Vaters zog die Familie häufig um. Stationen waren u. a. Palo Alto, Boston, Paris, Rom und Bagdad. Besonders letztgenannter Ort prägte sie durch die Armut und menschenverachtende Behandlung der dortigen Bevölkerung, die sie damals als 10-Jährige erlebte. 1956 hörte sie zum ersten Mal eine Rede des jungen Martin Luther King und bekam von den Eltern ihre erste Gitarre geschenkt, wodurch der Grundstein für die beiden wichtigsten Aktivitäten ihres Lebens gelegt wurde. Zuvor hatte sie sich das Musizieren auf einer Ukulele selber beigebracht. Später kaufte sie sich vom ersten selbst verdienten Geld eine Gibson-Gitarre. Erste musikalische Einflüsse durch Platten, die sie im Elternhaus hörte, waren der Folkmusiker Pete Seeger und der afroamerikanische Sänger Harry Belafonte. Auf einigen frühen Aufnahmen imitiert Baez hörbar Belafontes Calypso-Sound; Baez und Belafonte kamen sich in späteren Jahren durch gemeinsame politische Aktivitäten näher. Wichtig wurde für die junge Sängerin nach eigenen Angaben auch Rhythm and Blues, so, wie insgesamt die Musik des schwarzen Amerika sie mehr beeinflusst habe als die des weißen.

Da ihr Vater eine Stelle als Dozent am Massachusetts Institute of Technology erhalten hatte, zog die ganze Familie im Spätsommer 1958 erneut um, diesmal nach Belmont, Massachusetts.

Musik

Die junge Joan hatte schon als Schülerin ihre Mitschüler mit Schulhof-Konzerten unterhalten. Nach Beendigung der High School schrieb sie sich zwar an der Boston University ein, konzentrierte sich aber bald nur noch auf ihre Gesangskarriere. Diese begann 1959 mit einigen Auftritten im Club 47, einem Folk-Club in Cambridge, der Hochburg des US-amerikanischen Folk-Revivals. Filmaufnahmen aus dieser Zeit zeigen die Sängerin beim Vortrag traurig-melancholischer alter Traditionals; eigene Songs oder solche von Kollegen ihrer Zeit hatte sie noch nicht in ihrem Repertoire. Bald hatte sie erste Fans und nahm an den Aufnahmen der Langspielplatte LP Folksingers ’Round Harvard Square teil, die bei einem kleinen Plattenlabel aus Boston erschien. Ebenfalls 1959 erreichte sie auf dem renommierten Newport Folk Festival zum ersten Mal ein größeres Publikum. Gemeinsam mit Bob Gibson, der während seines Auftrittes Baez als unangemeldeten Überraschungsgast auf die Bühne geholt hat, sang sie zwei Duette ("Virgin Mary Had One Son", "We Are Crossing The Jordan River"), was sie laut ihrer Autobiografie über Nacht zum gefeierten Folkstar gemacht hat.

Joan Baez und Bob Dylan 1963 bei dem vom Civil Rights Movement organisierten Marsch auf Washington

Ihre erste Solo-LP erschien ein Jahr später unter dem Titel Joan Baez bei Vanguard Records. Das Nachfolgealbum Joan Baez Vol. 2 (1961) erhielt in den USA Goldstatus, genauso wie beide Teile von Joan Baez In Concert von 1962. 1961 ging sie außerdem auf eine USA-Tournee und lernte dabei Bob Dylan kennen, der im Vorprogramm von John Lee Hooker auftrat. Sie begann, seine Songs zu interpretieren, und stellte ihn ihrem Publikum vor. Aus der anfänglich beruflichen wurde bald auch eine private Beziehung; die beiden wurden ein Paar. Joan Baez bezeichnete 2009 in dem Dokumentarfilm Joan Baez von Mary Wharton die Begegnung mit Bob Dylan als ihren künstlerischen Durchbruch. Bob Dylan erinnert sich im selben Film vor allem an den harmonischen Zusammenklang ihrer Stimmen und das Besondere an Baez’ Gitarrenspiel, das keiner außer ihr, auch er nicht, in dieser Form beherrscht habe.

In der ersten Hälfte der 1960er stand sie mit an der Spitze der Folkbewegung. Bereits zu dieser Zeit beeinflusste ihr Stil Künstlerinnen wie Joni Mitchell, Bonnie Raitt und Judy Collins. 1962, auf einer Tournee durch die Südstaaten, entschloss sich Joan Baez, nur noch dort aufzutreten, wo es keine Rassenschranken gab. Somit blieben ihr in den USA nur die schwarzen Universitäten. Am 28. August 1963 sang sie auf dem Civil Rights March das berühmte We Shall Overcome, das in den folgenden Jahren quasi zu ihrem sängerischen Markenzeichen wurde. Außerdem trat sie dort zusammen mit Bob Dylan auf.

Genau wie Dylan wurde auch sie von der British Invasion beeinflusst und begann ihre akustische Gitarre durch Bass und E-Gitarre zu verstärken, was bereits auf Farewell, Angelina (1965) zu hören ist. Kurz zuvor hatte Dylan begonnen, Folk mit Rockmusik zu verknüpfen, indem auch er seine Gitarre elektrisch verstärkte und mit einer Begleitband auftrat. Da Joan Baez sich von Dylan auf dessen Englandtour 1965 vernachlässigt fühlte, er sie auch kein einziges Mal bat, mit ihm aufzutreten (sie, die damals bereits erfolgreich war, hatte Jahre zuvor den noch unbekannten Dylan sehr gefördert), ging die Beziehung im folgenden Jahr in die Brüche. Nach eigenen Angaben hatte Joan Baez, die selber keine Drogen nahm, zudem Probleme mit dem hohen Drogenkonsum der Bandmitglieder während der Tournee.

Gegen Ende des Jahrzehnts experimentierte Baez mit Lyrik, zu hören auf Baptism; A Journey Through Our Time (1968). Das Album ist eine Sammlung von Gedichten, die entweder gesprochen oder mit orchestraler Begleitung vorgetragen wurden.

Im selben Jahr heiratete sie den Kalifornier David Harris, einen bekannten Gegner des Vietnamkrieges und Kriegsdienstverweigerer. Als Fan der Country-Musik beeinflusste er ihre Musik in diese Richtung, was auf David’s Album aus dem Jahr 1969 hörbar ist. Dieses Album enthält unter anderem das Traditional Poor Wayfaring Stranger, bei dem sie von ihrer Schwester Mimi Fariña begleitet wird, und Will The Circle Be Unbroken mit Elvis Presleys ehemaligen Backgroundsängern The Jordanaires.

1969 trat sie auf dem Woodstock-Festival auf. Die schwangere Sängerin nutzte dieses große Forum, um die Missstände in der Welt anzuprangern. Sie thematisierte zudem die Inhaftierung ihres Ehemanns, der zu dieser Zeit eine dreijährige Freiheitsstrafe verbüßte und einen Hungerstreik unter den Mithäftlingen initiiert hatte, nachdem er aus einem Bezirksgefängnis in ein schärfer bewachtes Bundesgefängnis verlegt worden war. Anschließend nahm sie ihre Gitarre herunter und sang a cappella den Gospel Swing Low, Sweet Chariot. Nachdem das Kind geboren war, besuchte sie mit ihm den Vater im Gefängnis; 1973 wurde die Ehe geschieden.

1971 coverte sie The Night They Drove Old Dixie Down von The Band, die damit einen Top-10-Hit in den USA gehabt hatten. Mit dem 1972er-Album Come From The Shadows wechselte sie zu A&M Records, wo sich ihre Musik ein wenig in Richtung Mainstream-Pop veränderte und sie begann, selbst Songs für das 1975er-Album Diamonds & Rust zu schreiben. Der Titelsong behandelt ihre missglückte Liebesbeziehung zu Bob Dylan. Die Zeile „My poetry is lousy you’ve said.“ („Meine Lyrik sei miserabel, hast du mir gesagt.“) deutet auch auf künstlerische Differenzen der beiden hin.

1972 trat sie zusammen mit B. B. King und den Voices of East Harlem im berühmten Gefängnis „Sing Sing“ im Bundesstaat New York auf. Anders als viele ihrer Kollegen waren sie bereit, eine Filmprojektgruppe aus dem Gefängnis zu unterstützen und bei einem Abschlusskonzert mitzuwirken. Dort trat Baez für Toleranz und Verständnis für Strafgefangene ein. Für den Film, der aus Interviews mit den Gefangenen und Gefängnispersonal, Aufnahmen der Vorbereitungen für das Konzert und eben den Auftritten der Künstler selbst besteht, hat sie den Titelsong „Sing Sing Ossining“ eingespielt.

1975/76 folgte mit der Rolling Thunder Revue ihre zweite Tournee mit Bob Dylan. Auf dieser Tournee, die unpolitisch war und viele clowneske Elemente enthielt, war Baez laut Dylan so unbeschwert und innerlich gelöst wie noch nie. Filmaufnahmen zeigen eine tanzende, springende und herum albernde Joan Baez, gegen ihre Gewohnheit in verrückten Outfits, stark geschminkt, mit Modeschmuck und lackierten Fingernägeln. Baez erinnert sich, dass sie diese von Politik unbeschwerte Tournee als Erholung empfand; über einen längeren Zeitraum hätte sie eine unpolitische Lebensweise allerdings nicht ausgehalten. 1978 spielte Baez als "Frau in Weiß" gemeinsam mit Dylans Ex-Frau Sarah in dessen Film Renaldo and Clara mit.

Joan Baez wechselte kurz zu CBS Records, war aber für ihr Live Europe ’83 von 1984 ohne ein US-amerikanisches Label. Dafür eröffnete sie 1985 das Live-Aid-Konzert, nachdem sie im Jahr zuvor erneut auf Europatournee mit Bob Dylan gewesen war. 1987 folgte das nächste Album in den USA, Recently, auf dem Label Gold Castle Records.

1988 trat sie unter dem Namen 3 Voices auf einigen Konzerten gemeinsam mit Konstantin Wecker und Mercedes Sosa auf. Ihr 30-jähriges Bühnenjubiläum feierte sie 1989 mit dem Album Speaking of Dreams. Für das 1992er-Album Play Me Backwards wechselte sie erneut die Plattenfirma, diesmal ging sie zu Virgin Records.

Joan Baez in Charlotte (2003)

Kurz vor ihrem 50. Geburtstag 1991 begann ein neuer Schub an Professionalität ihr Leben zu verändern. Sie nahm sich zum ersten Mal einen professionellen Manager und absolvierte ein Gesangstraining. Außerdem unterzog sie sich einer Psychotherapie. Seit dieser Zeit spielt sie bei Plattenaufnahmen nur noch sehr selten Instrumente, sondern konzentriert sich weit mehr auf ihren Gesang. Bei Live-Tourneen spielt sie die Gitarre nach wie vor selbst.

Ring Them Bells, ein vielbeachtetes Baez-Live-Album, veröffentlichte sie 1995 gemeinsam mit einigen Freundinnen und Kolleginnen (Dar Williams, Indigo Girls, Tish Hinojosa, Janis Ian, Mary Black, Kate & Anna McGarrigle und Mary Chapin Carpenter) sowie ihrer Schwester Mimi Fariña. Mit den Indigo Girls ist sie mehrfach bei Konzerten aufgetreten, mit Janis Ian 1994 bei einem Benefizkonzert für die National Gay and Lesbian Task Force.

2004 und 2005 tourte sie durch die USA, 2006 durch mehrere Städte Deutschlands, 2008 gab sie Konzerte beim Glastonbury Festival in England und beim Montreux Jazz Festival in der Schweiz. 2009 stand sie beim 50sten Jubiläum des Newport Folk Festivals, das ihr 50 Jahre zuvor den Durchbruch beschert hatte, auf der Bühne. Zu ihren Interpretationen gehören klassische US-Traditionals und -Folksongs wie House Of The Rising Sun, Barbara Allen, Lieder von Pete Seeger, Woody Guthrie und Bob Dylan, aber auch zahlreiche Lieder auf Spanisch und vereinzelt in anderen Sprachen wie Italienisch, Französisch, Russisch und Deutsch („Kinder“ von Bettina Wegner). Baez belässt es aber nicht bei traditionellem Liedgut: So interpretiert sie auf ihrem letzten Album Day After Tomorrow (2008) zeitgenössische Folk-Songs, u.a. aus der Feder von Steve Earle, der auch das Album produzierte.

Sie sang die Lieder des Soundtracks in dem Science-Fiction-Film Lautlos im Weltraum. Sie interpretierte auch vielfach (zum Beispiel in Woodstock) den berühmten Folksong über den amerikanischen Arbeiterführer Joe Hill mit dem Titel I dreamed I saw Joe Hill last night aus der Feder von Pete Seeger. Auch trug sie wesentlich dazu bei, das ursprünglich jiddische Lied Donna Donna weltweit bekannt zu machen.

War der klare, vibrierende Sopran lange Zeit das Markenzeichen von Joan Baez, rutschte ihre Stimme Mitte der Achtziger in einen satten Alt.

Politik

Neben ihrer Musik engagierte sich Joan Baez früh politisch und setzte sich für Minderheiten auf der ganzen Welt, für den Pazifismus und gegen die Rassentrennung in ihrer Heimat ein. Nachhaltig beeinflusst wurde sie durch den afroamerikanischen Bürgerrechtler Martin Luther King, den sie bei einem Quäker-Seminar als Schülerin zum ersten Mal reden hörte. Baez blieb King bis zu dessen Ermordung verbunden und arbeitete bei zahlreichen politischen Aktionen mit ihm zusammen. Ihr politisches Engagement begann 1957, als sie sich aus zivilem Ungehorsam weigerte, das Klassenzimmer während einer Luftschutzübung zu verlassen, da die Übung sinnlos sei. Zuvor hatte sie mit ihrem Vater ausgerechnet, dass die Schüler unmöglich die Schutzräume erreichen könnten, bevor, wie in der Übung suggeriert, Raketen aus der Sowjetunion ihren damaligen Wohnort Palo Alto in Kalifornien erreicht hätten. Der Vorfall um die „besserwisserische“ Schülerin wurde in der Lokalpresse groß aufgemacht und brachte Baez den Ruf ein, Kommunistin zu sein. Kurz darauf verließ die Familie den Ort. Noch im selben Jahr traf sie Ira Sandperl. Dieser Schüler Mahatma Gandhis wurde zu ihrem aktivistischen Mentor. Er half ihr durch seine Lehren vom Pazifismus auch dabei, das zeitweise schwierige Verhältnis zu ihrer Schwester Mimi zu verbessern. Joan Baez sollte sich, so Sandperl, bei jeder ihrer Aktivitäten immer vorstellen, dass es die letzte Stunde ihres Lebens sei, was ihr offenbar im Umgang mit Mimi half. Außerdem gründete er mit ihr zusammen das kalifornische Institut zur Untersuchung von Gewaltlosigkeit, The Institute for the Study of Nonviolence, aus dem später das Resource Center for Nonviolence erwachsen sollte, das im Jahre 2005 über den Golfkrieg und seine Auswirkungen berichtete. Gewaltlosigkeit wurde zu einer wichtigen Vokabel in Joan Baez’ politischem Wortschatz, auch gegenüber dem politischen Gegner und, zum Beispiel bei Demos, gegenüber der Polizei. Bürgerrechtler Jesse Jackson, Weggefährte und Freund, erinnert sich in Mary Whartons Joan Baez-Dokumentation daran, dass bei politischen Veranstaltungen auch unter schwierigen, politisch-emotional aufgeladenen Bedingungen (z. B. als Steine auf schwarze Schüler geworfen wurden, die in eine weiße Schule gingen), Joan Baez immer darauf gedrängt habe, dieses Wort mehrfach in die Reden einzuflechten, um die angespannte Situation zu deeskalieren. Dass die politischen Veränderungen in den USA, zum Beispiel in Bezug auf Rassenkonflikte und Anti-Vietnam-Bewegung, in den USA bis auf Ausnahmen weitgehend friedlich verliefen, ist auch Joan Baez’ Vorbildfunktion als Ikone dieser Bewegung zu verdanken.

Auftritt Joan Baez’ beim Marsch auf Washington für Arbeit und Freiheit am 28. August 1963

In den 1960er Jahren zahlte sie einen Großteil ihrer Lohnsteuer auf ein Sperrkonto, um den Vietnamkrieg nicht mitzufinanzieren, unterstützte das Free Speech Movement – eine für Meinungsfreiheit und gegen den Krieg in Vietnam eintretende Studentenorganisation – und nahm an Ostermärschen in Deutschland teil. 1963 weigerte sie sich, in Shows von ABC aufzutreten, da der Sender den linken Musiker Pete Seeger boykottierte. Im selben Jahr sang sie auch zusammen mit Bob Dylan am Lincoln Memorial, als Martin Luther King nach Washington, D.C. marschierte. Nachdem sie während der Beteiligung an einer Blockade der Zufahrt zu einem Armeekomplex (am 16. Oktober 1967) zu einer Freiheitsstrafe von 10 Tagen verurteilt worden war, wurden alle ihre Platten aus den PX Stores in Europa entfernt. Sie wurde ein zweites Mal verhaftet und verbrachte insgesamt einen Monat im Gefängnis. Weiterhin gründete sie die West-Coast-Abteilung von Amnesty International. 1967 verweigerte ihr der konservative Frauenverein „Daughters of the American Revolution“ („Töchter der Amerikanische Revolution“) einen Auftritt in der Constitution Hall, wie es diese Frauenvereinigung bereits 1939 mit Marian Anderson wegen deren Hautfarbe getan hatte.

Joan Baez war an zahlreichen Protestmärschen und anderen politischen Aktionen gegen den Vietnamkrieg beteiligt. 1972 reiste sie in der Weihnachtszeit mit einer Friedensdelegation nach Nordvietnam. Dort wurde sie von der US-Militäraktion Operation Linebakker II (bekannt auch als Christmas Day Bombing) überrascht, bei dem die US-Luftwaffe zwölf Tage lang Hanoi massiv bombardierte; viele Menschen wurden dabei getötet, die Stadt schwer beschädigt. Baez und ihre Mitreisenden überlebten den Angriff. Nach eigenen Angaben wurde sie vom Erlebnis schwer traumatisiert. Auch nach Beendigung des Vietnamkriegs engagierte sich Baez weiterhin in Südostasien. In den 1980er Jahren reiste sie mit einer humanitären Organisation nach Kambodscha, um Lebensmittel und Medikamente in den besonders Not leidenden Westen des Landes zu bringen.

Als ihre Schwester Mimi 1972 die Organisation Bread & Roses gründete, half Joan Baez dabei intensiv mit. Die Organisation veranstaltet seitdem Konzerte in Krankenhäusern und Gefängnissen. Im August 1975 erhielt sie bei den ersten Rock Music Awards eine Auszeichnung für ihren Dienst an der Öffentlichkeit und wurde außerdem mit einem Feiertag (Joan Baez Day, am 2. August 1975) in Atlanta geehrt. Nachdem sie 1972 in einem Interview gesagt hatte, dass sie 10 Jahre zuvor eine lesbische Beziehung unterhalten hatte und sich als bisexuell sieht, gab sie 1978 einige Benefizkonzerte gegen die Proposition 6 (die sogenannte Briggs-Initiative), die es vorsah, allen homosexuellen Lehrern den Unterricht an öffentlichen Schulen in Kalifornien zu verbieten. Im selben Jahr beteiligte sie sich an Gedenkmärschen für den bei einem Attentat zusammen mit George Moscone, dem Bürgermeister San Franciscos, getöteten Politiker Harvey Milk, der sich als Schwuler geoutet hatte.

In Madrid sang sie 1977 nach dem Ende der Diktatur Francisco Francos unter anderem den Song We Shall Not be Moved (spanisch No nos moverán), der 40 Jahre lang in Spanien verboten gewesen war. Sie sang gegen Diktaturen und Militärputsche in Südamerika und gründete 1979 die Menschenrechtsorganisation „Humanitas International Human Rights Committee“, die sich um Boatpeople aus Vietnam kümmerte. Sie leitete die Organisation, bis diese 1992 ihre Dienste einstellte.

In den 1980er Jahren unterstützte sie die Friedensbewegung. Sie spielte 1986 auf der von Amnesty International veranstalteten Tour Conspiracy of Hope, zusammen mit Sting, Peter Gabriel und anderen. Václav Havel bezeichnete sie als „entscheidenden Einfluss auf die samtene Revolution“ in der Tschechoslowakei von 1989. Im selben Jahr veröffentlichte sie den Protestsong China, in dem sie die blutige Niederschlagung des Volksaufstandes auf dem Platz des himmlischen Friedens (Tian’anmen-Massaker) anprangerte. 1993 war sie eine der ersten Künstlerinnen, die Bosnien-Herzegowina besuchten. Im kriegszerstörten Sarajevo ging sie, geschützt durch eine kugelsicheren Weste, mit Begleitschutz durch die Straßen, sprach mit den Menschen und musizierte mit Straßenmusikern.

Im Jahre 2003 gab sie zusammen mit Steve Earle, Emmylou Harris und Billy Bragg Konzerte gegen den Einsatz von Landminen.

Auch gegen den Irakkrieg meldete sie sich am 20./21. August 2005 zu Wort, als sie Cindy Sheehan, die Mutter eines getöteten Soldaten, bei ihrem Camp an der Zufahrt zu George Bushs Ranch besuchte. Außerdem ist sie bis heute Sponsorin des Zentralkomitees für Kriegsdienstverweigerer in den USA. 2010 zeigte sich Baez in der Öffentlichkeit kritisch gegenüber dem neuen verschärften Einwanderungsgesetz für Mexikaner im US-Bundesstaat Arizona und nutzt dazu Konzertauftritte in ihrer Heimat, so im Juli 2010 in Salt Lake City[2]

Privates

Ihre ältere Schwester, Pauline (Tia), wurde zwei Jahre vor Joan Baez geboren. Die jüngere Schwester, Margarita Mimi, die spätere Frau von Richard Fariña, kam vier Jahre nach Joan zur Welt (* 30. April 1945). Mimi Fariña war ebenfalls Sängerin und spielte Gitarre – mit dem Swallow Song findet man ein Duett der beiden Schwestern auf der Baez-Live-CD Ring Them Bells von 1995. Mimi starb am 18. Juli 2001 an Lungenkrebs. Der mathematische Physiker John Baez ist Joans Cousin.

Joan Baez brachte 1969 ihren Sohn Gabriel Earl aus der Ehe mit David Harris zur Welt, der sie heute als Perkussionist ihrer Band begleitet.

Nach der Scheidung von Harris hatte sie kurze und wechselnde Beziehungen zu verschiedenen Partnern – so hatte sie eine Beziehung mit Steve Jobs –, lebt aber seither als Single.

Derzeit lebt sie gemeinsam mit ihrer Mutter, Sohn, Schwiegertochter und Enkelin in Woodside, Kalifornien. Auf dem Grundstück hat sie ein Baumhaus, in dem sie einen großen Teil ihrer freien Zeit verbringt, meditiert und schreibt.

Lampenfieber und Agoraphobie

In den Anfangsjahren ihrer Karriere litt Joan Baez an schweren Lampenfieber-Attacken, zeitweise verstärkt durch Agoraphobie. Dies erzählt sie in dem Dokumentarfilm von Mary Wharton. Manchmal habe sie vor lauter Angst einen Konzertauftritt unterbrechen müssen („Von der Bühne runter bin ich immer gekommen“), habe sich im Waschraum mit Wasser erfrischt, etwas geweint und sei dann wieder auf die Bühne gegangen. Niemand habe etwas bemerkt oder bemerken wollen. Manchmal sei die Angst vor einem Konzert so groß geworden, dass sie noch nicht einmal das elterliche Haus habe verlassen können. Den Weg durch die Diele zur Haustür habe sie kaum bewältigt und eine Art schweren Stein in sich gefühlt. Erst wenn sie sich umgedreht und einen letzten Blick auf die Wohnungseinrichtung und ihre Mutter geworfen habe, sei es besser geworden. Nur ihre Schwester Mimi, die sie zu den Konzerten begleitete und die sie bei der Bewältigung dieses Problems sehr unterstützt habe, habe davon gewusst. Das Lampenfieber habe sie noch lange begleitet. Heute sei sie davon befreit und gehe entspannt auf die Bühne.

Joan Baez Award

Anlässlich des 50. Jubiläums der Menschenrechtsorganisation Amnesty International erhielt Joan Baez als erste am 18. März 2011 in San Francisco den nach ihr benannten „Joan Baez Award“[3]. Sie erhielt diese Ehrung für ihren herausragenden Einsatz im weltweiten Kampf für Menschenrechte und ihre mutige Menschenrechtsarbeit bei Amnesty International. In den kommenden Jahren soll diese Auszeichnung an Künstler aus den Bereichen Musik, Film u. ä. verliehen werden, die sich auf ähnliche Weise für Menschenrechte einsetzen.

Auszeichnungen

  • Americans For Democratic Action Award (1982)
  • SANE Education Fund Peace Award (1983)
  • Chevalier, frz. Legion d'Honneur (1983)
  • Best Live Album, Academy Charles Cros (1983)
  • Leadership Award, ACLU of Southern California (1989)
  • Death Penalty Focus of California Award (1992)
  • Award of Achievement, The Gleitsman Foundation (1994)
  • Golden Achievement Award, WXPN-FM Radio, Philadelphia (1996)
  • World Peace Music Award 2004
  • Grammy für ihr Lebenswerk 2007
  • Joan Baez Award von Amnesty International 2011

Diskografie

  • Folksingers 'Round Harvard Square (1959); Aufnahmen von Joan Baez, Bill Wood und Ted Alevizos
  • Joan Baez (1960)
  • Joan Baez, Vol. 2 (1961)
  • Joan Baez in Concert, Pt. 1 [Vanguard 1963] (1963)
  • Joan Baez in Concert, Pt. 2 [live] (1963)
  • Five (1964)
  • Farewell, Angelina (1965)
  • Noël (1966)
  • Joan (1967)
  • Any Day Now (1968)
  • Baptism: A Journey Through Our Time (1968)
  • David's Album (1969)
  • Joan Baez in San Francisco [live] (1969)
  • In Concert 2 [live] (1970)
  • One Day at a Time (1970)
  • Sacco and Vanzetti [Original Soundtrack] (1971)
  • Blessed Are (1971)
  • Carry It On (1971)
  • Songs zum Film Lautlos im Weltraum (1972)
  • Come from the Shadows (1972)
  • Joan Baez Ballad Book (1972)
  • Where Are You Now, My Son? (1973)
  • Gracias a La Vida [Here's to Life] (1974)
  • The Contemporary Ballad Book (1974)
  • Live in Japan (1975)
  • Diamonds & Rust (1975)
  • The Lovesong Album (1975)
  • Gulf Winds (1976)
  • From Every Stage [live] (1976)
  • Joan Baez in Concert [live] (1976)
  • Blowin’ Away (1977)
  • The Songbook (4 LP – Box) (1977)
  • House of the Rising Sun (1978)
  • The Joan Baez Country Music Album (1979)
  • The Night They Drove Old Dixie Down (1979)
  • Honest Lullaby (1979)
  • Live in Concert: European Tour (1980)
  • Live in Europe '83: Children of the Eighties (1983)
  • Recently (1988)
  • Speaking of Dreams (1989)
  • Diamonds & Rust in the Bullring [live] (1989)
  • Ballad Book, Vol. 2 (1990)
  • Brothers in Arms (1991)
  • Play Me Backwards (1992)
  • Ring Them Bells [live] (1995)
  • Live at Newport (1996)
  • Gone from Danger (1997)
  • Live in Europe ’83: Children of the Eighties… (1999)
  • Joan Baez [Expanded] (2001)
  • Joan Baez, Vol. 2 [Expanded] (2001)
  • Dark Chords on a Big Guitar (2003)
  • Bowery Songs [LIVE] (2005)
  • Ring them bells (live) (2007)
  • Day After Tomorrow (2008)

Literatur

  • Joan Baez:
    • Tagesanbruch. Zweitausendeins, Frankfurt/M, 1978 (amerikanischer Originaltitel: Daybreak – An Intimate Journal. The Dial Press, New York, 1968)
    • We Shall Overcome – Mein Leben. Gustav Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach, 1988 (amerikanischer Originaltitel: A Voice To sing With. Summit Books, 1987)
    • Im Gefängnis war es wunderbar. Interview in: KulturSPIEGEL, November 2008, Heft 11, Seite 62
  • Wolfgang Biederstädt: Joan Baez, Fischer Verlag, Frankfurt/Main, 1987, ISBN 3596229960
  • David Hajdu: Positively 4th Street – The Lives And Times Of Joan Baez, Bob Dylan, Mimi Baez Fariña And Richard Fariña. Farrar, Straus & Giroux, New York, 2001 (Leseprobe)
  • Markus Jäger: Joan Baez and the Issue of Vietnam. Ibidem Verlag; 2003. 92 Seiten. ISBN 3898212971 (engl.)
  • Carl-Ludwig Reichert: Folk. Von Joan Baez bis Adam Green. dtv. 2007. 280 Seiten. ISBN 3423245875
  • Jutta Kamke: Schule der Gewaltlosigkeit. Das Modell Palo Alto. Mit einem Nachwort von Theodor Ebert. Hamburg: Hoffmann und Campe, 1974, 186 Seiten. ISBN 3-455-09095-8

Film

  • Mary Wharton (Regie, Buch): Joan Baez. Übersetzung Eva Riekert. Dokumentation, USA, 2009 (Original: Joan Baez. How Sweet the Sound. WNET.), 84 Min. SWR (Erstsendung arte, 8. Juli 2010) – Video. pbs, Prod.

Weblinks

 Commons: Joan Baez – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. laut.de: Joan Baez (Biographie), abgerufen am 21. Juni 2009
  2. Arthur Raymond für Deseret News über das Joan Baez-Konzert in Salt Lake City am 7. Juli 2010, publiziert am 7. Juli 2010, abgerufen am 9. Juli 2010
  3. Joan Baez Award von Amnesty International 2011
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