Jean Bertrand Aristide

Jean Bertrand Aristide
Jean-Bertrand Aristide (links) mit US-Präsident Bill Clinton, 1994

Jean-Bertrand Aristide (* 15. Juli 1953 in Port-Salut, Haiti) ist ein ehemaliger Staatspräsident der Republik Haiti.

Inhaltsverzeichnis

Elternhaus, Kindheit und Ausbildung

Jean-Bertrand Aristide wurde am 15. Juli 1953 als zweites Kind einer armen kleinbäuerlichen Familie in Port-Salut im Süden Haitis geboren. Sein Vater verstarb wenige Jahre später. Danach zog seine Mutter mit ihm und seiner älteren Schwester in die Hauptstadt Port-au-Prince. Den Lebensunterhalt der Familie bestritt sie durch den Verkauf landwirtschaftlicher Produkte auf den Märkten der Hauptstadt. Ein Salesianer Don Boscos wurde auf den überdurchschnittlich intelligenten Jean-Bertrand aufmerksam und bot seiner Mutter an, die Ausbildung des Jungen zu finanzieren. Jean-Bertrand Aristide trat dem Salesianerorden bei, absolvierte eine Schulausbildung und studierte im Anschluss Theologie und Psychologie in Haiti, Griechenland, Kanada und Israel. Das Theologiestudium schloss er mit einer Promotion ab. Aristide verfügt neben seinen Muttersprachen Kreolisch und Französisch auch über Kenntnisse in Hebräisch, Spanisch, Griechisch und Englisch. Im Juli 1982 wurde Aristide zum katholischen Priester geweiht.

Politische Laufbahn

Schon als Student sympathisierte Aristide mit der katholischen Befreiungstheologie, die in den 1970er- und 1980er-Jahren in Lateinamerika an Bedeutung gewann. Er wurde Mitglied der befreiungstheologischen Gruppe Ti Legliz (kreolisch: Kleine Kirche). Aristide stellte sich schon vor dem Jahr 1986 gegen die Diktatur der Duvaliers. Am 11. September 1988 entging er einem Mordanschlag durch Anhänger des vertriebenen Diktators Jean-Claude Duvalier, die Tonton Macoute, in seiner Kirche, dem dreizehn Kirchenbesucher zum Opfer fielen. Seine politische Agitation und seine offene Kritik gegenüber der vatikanischen Haiti-Politik führten zum Ausschluss aus dem Salesianerorden im Dezember 1988.

Im Wahlkampf zu den Präsidentschaftswahlen 1990 rechnete Aristide mit den Anhängern des Diktators Jean-Claude Duvalier ab. Ihm gelang es als erstem Politiker seit der Staatsgründung 1804 mit Unterstützung der verarmten ländlichen Bevölkerung und der verarmten Bewohner der Slums um die Hauptstadt Port-au-Prince eine politische Massenbewegung, die Lavalas (kreolisch: lodernde Flut) ins Leben zu rufen. Bei den ersten demokratischen Wahlen in der Geschichte Haitis am 16. Dezember 1990 wurde er mit überwältigender Mehrheit (67,48 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen) zum Präsidenten gewählt. Im September 1991 zwang ihn jedoch ein Staatsstreich des Militärs unter General Raoul Cédras zur Flucht ins Exil nach Venezuela und in die USA. Nach der Intervention der USA 1994 wurde er erneut als Staatspräsident eingesetzt und errang in Wahlen als Kandidat der Koalition Organisation Politique Lavalas (OPL) einen überzeugenden Sieg. Im gleichen Jahr legte er auch sein Priesteramt nieder. Bei den nächsten Wahlen 1996, bei denen Aristide wegen des in der Verfassung verankerten Verbots unmittelbarer Wiederwahl nicht kandidieren durfte, gewann sein vorheriger Premierminister René Préval 88% der Stimmen. Ende 1996 brach Aristide mit der OPL und engagierte sich bei den Fanmi Lavalas (FL).

Aristide wurde in der Wahl am 26. November 2000 wieder gewählt, seine zweite Amtszeit begann er am 7. Februar 2001. Seine Amtszeit stand bereits zu Beginn unter den Vorwürfen von Wahlmanipulationen. Aufgrund von Misswirtschaft und Korruption formierte sich in den Provinzen Widerstand, der teils von Kräften des ehemaligen Diktators Duvalier und mit ihm verbundener Todesschwadronen gelenkt wurde.

Ab November 2002 kam es zu bürgerkriegsähnlichen Verhältnissen, die sich im Laufe des Jahres 2003 intensivierten. Dem populären Widerstand setzte Aristide seine hauptsächlich aus den Armenvierteln stammende Anhängerschaft entgegen. Der Sieg der Rebellen in vielen Regionen und Städten sowie ihr Vormarsch auf die Hauptstadt Haitis, Port-au-Prince führte zu weitgehender Destabilisierung und einem Zusammenbruch innerstaatlicher Ordnung. Die internationale Besorgnis über die Situation führte im Februar 2004 zur Intervention durch Frankreich und die USA, mit weitgehender internationaler Billigung.

Am 29. Februar 2004 verließ Aristide Haiti. Nach Angaben der USA dankte er freiwillig ab und ging ins Exil, nach Angaben Aristides wurde er von den USA gezwungen, sein Land zu verlassen. Insofern spricht er von einem Staatsstreich und betrachtet sich weiter als legitimer Präsident Haitis.

Nach zwei Wochen in der Zentralafrikanischen Republik kehrte Aristide am 16. März 2004 in die Karibik nach Jamaika zurück. Die Anwesenheit Aristides in der Karibik empfand die Regierung Haitis als provokativ und destabilisierend.

Nachdem die Gemeinschaft der karibischen Staaten (Caricom) Südafrika am 10. Mai 2004 offiziell darum gebeten hatte, den entmachteten Staatschef einreisen zu lassen, gab die südafrikanische Regierung am 13. Mai 2004 bekannt, dass sie nach Rücksprache mit den Regierungen von Frankreich und den USA Aristide zeitweilig aufnehmen wird.

Am 30. Mai 2004 brach er von Kingston, der jamaikanischen Hauptstadt, zusammen mit seiner Frau und seinen zwei Töchtern ins Exil nach Südafrika auf. Dort wurde er am 31. Mai von Präsident Thabo Mbeki begrüßt. Nach eigenen Angaben will er sich nur vorübergehend in Südafrika aufhalten, bis sich die Lage in Haiti wieder beruhigt hat. Er sieht sich weiterhin als rechtmäßiger Präsident des Landes.

Auszeichnungen

Literatur

  • Dignité, en collaboration avec Christophe Wargny. Paris : Seuil, 1994.
  • Haiti, un an après le coup d'état, avec son équipe gouvernementale. Montréal : Editions du CIDIHCA, 1992.
  • Peace, justice & power : my return to Haiti, the United States, and the new world order. Washington, D.C. : National Press Books, 1995.
  • Pour un nouveau départ : proposition d'un Cadre général pour le programme du Gouvernement d'ouverture et de concorde nationale. Port au Prince, Haiti : Imp. Le Natal, 1993.
  • Shalom 2004. Port-au-Prince : [s.n.], 2003.
  • Théologie et politique, préface de Leonardo Boff. Montréal : CIDIHCA, 1992?.
  • BERNECKER, Walther L. 1996: Kleine Geschichte Haitis, Frankfurt a.M.: Suhrkamp.

Weblinks



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