Javier Solana de Madariaga

Javier Solana de Madariaga

Javier Solana de Madariaga (* 14. Juli 1942 in Madrid) ist ein spanischer Politiker. Seit 1999 ist er Generalsekretär des Rates der Europäischen Union und Hoher Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP). Am 25. November desselben Jahres wurde Solana darüber hinaus Generalsekretär der Westeuropäischen Union (WEU). Aufgrund seiner weitreichenden Kompetenzen in außen- und verteidigungstechnischen Fragen der EU wird Solana häufig als deren „Außenminister“ bezeichnet. Von 1995 bis 1999 war er Generalsekretär der NATO.

Javier Solana, 2007

Inhaltsverzeichnis

Familie

Javier Solana wurde am 14. Juli 1942 in Madrid geboren. Sein Vater war Chemieprofessor.[1] Solanas Mutter, Nieves Hayat de Madariaga Mathews, war Gelehrte und Schriftstellerin. Über zwanzig Jahre lang war sie bei der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO tätig und veröffentlichte 1996 ein Buch über das Leben von Sir Francis Bacon. Sein Großonkel war der spanische Diplomat und Schriftsteller Salvador de Madariaga. Seine Großmutter mütterlicherseits war die Wirtschaftshistorikerin Constance Archibald de Madariaga. Solanas Großvater väterlicherseits war der pädagogische Autor Don Ezequiel Solana Ramirez (†1931). Javier Solana hat einen älteren Bruder, Luís Solana de Madariaga, ein im Ruhestand befindlicher Vorstandsvorsitzender eines spanischen Telefonunternehmens.

Leben

Von 1959 bis 1965 absolvierte er ein Physik-Studium an der Universität Complutense Madrid. 1963 wurde er aufgrund seines Engagements in der Oppositionsbewegung gegen den Diktator Francisco Franco der Universität verwiesen. Solana ging in die Niederlande. Nach Abschluss seines Studiums in Großbritannien lebte er längere Zeit mit einem Fulbright-Stipendium in den USA. Er promovierte 1968 an der University of Virginia, an der er anschließend noch bis 1971 forschte und lehrte. Im selben Jahr kehrte Solana nach Spanien zurück, wo er u.a. als Professor für Festkörperphysik lehrte.

Solana ist verheiratet mit Concepción Gimenéz, der Tochter eines Franco-Generals. Er hat zwei erwachsene Kinder, Sohn Diego und Tochter Vega.

Politische Laufbahn

Nach dem Ende der Franco-Diktatur 1977 wurde Javier Solana von der Sozialistischen Arbeiterpartei Spaniens, der er seit 1964 angehörte, in die verfassunggebende Versammlung entsandt. Später war er auch als Abgeordneter und in der Lehrergewerkschaft innerhalb der Gewerkschaft Unión General de Trabajadores aktiv.

1982 trat Solana als Kulturminister in das Kabinett von Felipe González ein, 1988 wurde er Wissenschafts- und Kultusminister und 1992 Außenminister. Lange Zeit war er zudem Sprecher der spanischen Regierung.

Weitere Mitgliedschaften und Funktionen:

  • Spanischer Zweig des Club of Rome
  • Trilaterale Kommission
  • Council on Foreign Relations (häufiger Redner, eng befreundet mit zahlreichen Vorsitzenden)
  • Foreign Policy Association
  • East West Institute

NATO-Generalsekretär 1995–1999

Am 30. November 1995 wurde Solana zum NATO-Generalsekretär ernannt. Angehörige des US-amerikanischen Kongresses protestierten gegen diese Ernennung wegen seiner zeitweiligen Sympathie für den Marxismus und Fidel Castro. Solana war zudem dafür bekannt, ein aktiver und prominenter NATO-Gegner zu sein; er gehörte zu den Verfassern des Pamphlets 50 Gründe, gegen die NATO zu sein.

Während seiner Amtszeit baute Solana das Amt des NATO-Generalsekretärs um zahlreiche Befugnisse aus, die über die Weitergabe von Anweisungen der Mitgliedsstaaten an die militärischen Komponenten weit hinausgingen. Dies betraf insbesondere militärische Entscheidungen bezüglich des Jugoslawien-Konfliktes. Am 30. Januar 1999 übertrug man ihm Alleinentscheidungsbefugnisse über alle weiteren militärischen Entscheidungen der Balkaneinsätze der NATO. Der Befehl zum Beginn der Luftangriffe gegen jugoslawische Ziele wurde am 24. März 1999, ohne dass ein UN-Mandat vorgelegen hatte, von Solana erteilt.

Solana war während seiner Amtszeit als NATO-Generalsekretär auch Vorsitzender des Atlantic Council.

Solana in EU und WEU

Solanas NATO-Mandat endete im Dezember 1999. Er hatte den Posten des Generalsekretärs bereits zwei Monate früher aufgegeben, um das neu geschaffene Amt des Hohen Vertreters für Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik anzutreten. Gleichzeitig wurde er auch Generalsekretär des Rates der Europäischen Union, um angesichts der alle sechs Monate wechselnden Ratspräsidentschaft eine gewisse Kontinuität sicherzustellen.

Am 20. November 1999 wurde Solana von der Westeuropäischen Union (WEU) zu deren Generalsekretär ernannt. Er führt den Vorsitz im Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee.

Solana zeichnete verantwortlich für die Initiierung und Koordination der Barcelona-Konferenz im Jahr 1995, die den Beginn des 27 Staaten umfassenden Barcelona-Prozesses markierte. Dieser soll bis 2010 zu einer Freihandelszone rund um das Mittelmeer führen. Der Vertrag über die Europäische Nachbarschaftspolitik bestätigte und erweiterte ihn für den Zeitraum von sieben Jahren (1. Januar 2007 – 31. Dezember 2013). Solana war federführend bei der Aushandlung zahlreicher Assoziationsverträge zwischen der Europäischen Union und Nahost-Ländern. Er arbeitete zudem an verschiedenen Integrationsverträgen mit südamerikanischen Staaten wie Bolivien und Kolumbien. Neben dem UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon und den Vertretern von Russland und der USA sowie dem EU-Ratsvorsitz bildet er das „Nahost-Quartett“. Darüber hinaus gilt er als Architekt der Nahost-Roadmap des Quartetts.

Solana bemühte sich auch um einen ständigen Sitz der EU im UN-Sicherheitsrat und befürwortete eine Reform dieses Gremiums.

Im November 2004 unterstützte Solana Großbritannien, Frankreich und Deutschland bei deren Ansinnen, mit der Führung des Iran einen Vertrag bezüglich der Nutzung von nuklearem Anreicherungsmaterial auszuhandeln. Die EU teilte durch Solana mit, dass sie hoffe, durch diese und künftige Verhandlungen eine weitere „amerikanisch-irakische Art von Invasion“ zu vermeiden.

Jüngere Vergangenheit und Ausblick

Seit 2004 sollten Solanas militärische und außenpolitische Kompetenzen erheblich ausgebaut werden. Am 29. Juni des Jahres wurde er vom Rat der Europäischen Union für das Amt des Europäischen Außenministers vorgeschlagen. Dieses Amt war im EU-Verfassungsvertrag vorgesehen.

Nach der gescheiterten Ratifizierung des Verfassungsvertrages wurde die Bezeichnung „Europäischer Außenminister“ fallen gelassen. Die für dieses Amt ursprünglich vorgesehenen, umfassend erweiterten Befugnisse werden jedoch im Vertrag von Lissabon zum großen Teil auf den Hohen Vertreter für die GASP (§ 18 EUV) übertragen. Wie ursprünglich im Verfassungsvertrag für den Außenminister vorgesehen, wird so der Hohe Vertreter ab dem 1. Januar 2009 auch die Ämter des Außenkommissars und Vizepräsidenten der Europäischen Kommission auf sich vereinen. Solana bekäme also - vorausgesetzt, er bleibt auch nach 2009 im Amt - einen „doppelten Kompetenzhut“ aufgesetzt, der seine bisher ohnehin wichtige Funktion für die Außenpolitik der Union auch offiziell unterstreicht.

Solana wird allerdings nicht von allen als EU-Außenpolitiker anerkannt. Dies zeigte sich im Juli 2004 in Israel. Der damalige Premierminister Ariel Scharon lehnte es ab, sich mit Solana zu treffen und sagte, er würde trotz Solanas prominenter Rolle im Nahost-Quartett nicht mit der EU zusammenarbeiten. Solana entgegnete, er und die EU würden in jedem Falle am israelisch-palästinensischen Friedensprozess beteiligt bleiben, ob es Israel gefalle oder nicht. Am 26. November 2004 entschieden sich Scharon und die Knesset für eine Zusammenarbeit mit der EU im Rahmen eines Nachbarschaftsabkommens (ENP) und zum Rückzug aus dem Gazastreifen.

Solanas wachsende Befugnisse führen auch zu Kritik. So warnte der EU-Parlamentarier Elmar Brok im Februar 2004 davor, dass Solana „zu mächtig werden und zu viel Verantwortung bekommen könnte“.[2]

Am 21. Januar 2005 traf sich Solana mit dem neugewählten Präsidenten der Ukraine, Wiktor Juschtschenko, um über die Möglichkeit einer künftigen EU-Mitgliedschaft zu sprechen, obwohl die EU-Kommission kurz davor erklärt hatte, über keinerlei Pläne bezüglich eines Beitritts der Ukraine zu verfügen.

Im Januar 2006 griff Solana vermittelnd in den Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine ein, obwohl die österreichische EU-Präsidentschaft eine Vermittlung nicht als dringend notwendig erachtet hatte – Solana soll Zeugen zufolge Moskau zum Einlenken gedrängt haben[3] und es war offenbar nicht erkennbar gewesen, ob er im Auftrag der EU oder auf eigene Initiative handelte.

Nicht zuletzt aufgrund dieser Kritikpunkte gibt es Spekulationen[4] um die Nachfolge Solanas. Im Gespräch sind unter anderem der ungarische Premierminister Péter Medgyessy und der ehemalige französische EU-Kommissar Michel Barnier. Am 6. Juni 2006 präsentierte Solana im Namen von Großbritannien, China, Frankreich, Deutschland, Russland und den USA ein Angebot an den Iran bezüglich dessen Nuklearprogrammes.

Wie am 31. Oktober 2006 berichtet wird, bekommt Solana indirekt Rückendeckung durch den Iran in seinen Bemühungen um den vorzeitigen Erhalt des Außenministerpostens der EU: Der Iran beklagt sich gegenüber Russland, dass die europäische Verhandlungsseite (Solana) nicht mit genügend Kompetenzen ausgestattet sei.[5] Am folgenden Tag erscheint in einer russischen Tageszeitung ein Artikel, der Solanas diplomatische Fähigkeiten bis in den Himmel lobt.[6] Ein deutscher Artikel im Handelsblatt preist ihn als den „Marathon-Mann“ und wischt jeden Zweifel an einem angeblichen Rücktritt Solanas aus.[7]

Karlspreisträger Javier Solana

Am 17. Mai 2007 erhielt Solana den Internationalen Karlspreis zu Aachen. Damit wurde er für seine Verdienste um Europa ausgezeichnet.[8] Allerdings war die Verleihung erstmals seit Jahren wieder von Protesten begleitet. Anlass für den Protest war der Vorwurf, dass Solana als NATO-Generalsekretär 1999 im Kosovo-Krieg den Befehl zur Bombardierung Jugoslawiens gab, ohne dass hierfür ein UN-Mandat vorgelegen hatte.

Weblinks

Quellen

  1. http://www.faz.net/IN/INtemplates/faznet/default.asp?tpl=common/zwischenseite.asp&dx1={92647354-4C90-59BB-2907-BD80391E26C3}&rub={3DBD4A53-7B99-4DEB-A502-8A4C9D234CAF}
  2. Financial Times (ft.com): Brussels at odds over new post
  3. International Herald Tribune, Europe: As supplies drop, EU officials appeal to Moscow
  4. DER SPIEGEL, Nr. 30/2006, S. 77
  5. Khaleej Times Online: Iran says Europe lacks authority in atomic talks, 31. Oktober 2006
  6. Kommersant: Javier Solana, 1. November 2006
  7. Handelsblatt.com: [1], 30. Oktober 2006
  8. Michael Klarmann: Proteste bei Karlspreis-Verleihung an Solana taz NRW, 18. Mai 2007, S.1

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