Januarstreiks

Januarstreiks

In den Januarstreiks von 1918 forderten über eine Million Arbeiter bessere Lebensbedingungen, bessere Arbeitsbedingungen, ein Ende des Ersten Weltkriegs und eine Demokratisierung der Verfassung des deutschen Kaiserreiches.

Der Januarstreik 1918 war der dritte in einer Reihe von Massenstreiks gegen den ersten Weltkrieg und seine Auswirkungen. Vorangegangen waren im Juni 1916 der Liebknechtstreik, ein Proteststreik gegen die Verhaftung des Sozialisten und Kriegsgegners Karl Liebknecht. Ein Jahr später folgte der Aprilstreik, auch Brotstreik genannt, da sich die Proteste hauptsächlich gegen die unzureichende Lebensmittelversorgung während des Krieges richteten. Während der Liebknechtstreik noch vorwiegend eine Berliner Erscheinung war, hatten Aprilstreik und Januarstreik deutlich überregionale Dimension angenommen.

Zu Arbeitsniederlegungen hatte der Spartakusbund im Vorfeld des 28. Januar 1918 aufgerufen, entgegen den Absichten der Revolutionären Obleute, welche die Streikvorbereitungen bis zur letzten Minute geheim halten wollten. Gründe für die Streiks waren die Hungersnot, eine Desillusionierung über die weitere Entwicklung des Krieges und die Oktoberrevolution in Russland, die bei Marxisten die Hoffnungen auf eine revolutionäre Entwicklung auch im Deutschen Reich neu entfachte. Die Streiks wurden von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und den Gewerkschaften nicht unterstützt. Zwar gingen Friedrich Ebert und Phillipp Scheidemann auf Druck der Arbeiterschaft für die SPD in die Streikleitung, wirkten jedoch auf eine Abschwächung der Aktionen hin. Ebert erklärte dann im Jahre 1924 in einem Gerichtsprozess, er sei nur in die Streikleitung gegangen, um die Bewegung zu mäßigen und möglichst bald einzustellen.

Wesentlich für die Organisation des Januarstreiks verantwortlich waren die Revolutionären Obleute, zumeist Angehörige der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei (USPD), teilweise aus deren linksrevolutionären Fraktion, dem Spartakusbund. Die USPD hatte sich 1917 aus Protest gegen die den Krieg billigende Haltung ihrer Herkunftspartei, der SPD, von dieser abgespalten und sich so von der so genannten Burgfriedenspolitik distanziert. Die Obleute waren ähnlich wie der Spartakusbund eine relativ autonome Gruppierung innerhalb der USPD. Ihr Anführer Richard Müller, der den Vorsitz der Streikleitung im Januar 1918 inne hatte, bezeichnete die Partei mehrfach als "Plattform" für die Aktivitäten seiner Gruppe, die im wesentlichen radikalere Ziele als die Mehrheit der USPD verfolgte. Vor allem aber waren die Obleute nicht auf parlamentarische Arbeit, sondern auf Streiks hin orientiert. Bereits der Aprilstreik und der Liebknechtstreik gingen wesentlich auf ihre organisatorische Vorbereitung zurück, und auch der Berliner Aufstandsplan für die spätere Novemberrevolution wurde von den Obleuten entworfen.[1]

Während der Streikwelle im Januar 1918 wurden zum ersten Mal in breiterem Umfang Arbeiterräte gewählt. Die Streiks nahmen enorme Ausmaße an, allein in Berlin waren mehrere Hunderttausend Streikende beteiligt, das öffentliche Leben fast lahmgelegt.[2] Trotz Versammlungsverbot kam es täglich zu Aufmärschen und Spontandemonstrationen, teilweise auch zu Ausschreitungen. Die Streiks konnten erst nach mehreren Tagen durch einen Einsatz von Polizei und Militär beendet werden. Keine der Streikforderungen wurde erfüllt. Die Anführer wie zum Beispiel der bayerische USPD-Vorsitzende Kurt Eisner, der in München den Munitionsarbeiterstreik organisiert hatte, wurden verhaftet, viele Arbeiter ins Militär eingezogen und an die Front geschickt. Dieses Schicksal traf auch den Vorsitzenden der Streikleitung Richard Müller. Erst im September 1918 konnte dieser sich vom Militärdienst befreien und wieder zu seiner Gruppe stoßen.

De facto wurde Deutschland im letzten Kriegsjahr weniger vom Kaiser oder der offiziellen Regierung geführt, sondern von der Obersten Heeresleitung unter den Generälen Ludendorff und von Hindenburg in der Art einer Militärdiktatur. Erst im Oktober 1918 wurde, als der militärische Zusammenbruch nicht mehr zu verbergen war, eine parlamentarische Regierung unter Beteiligung der Sozialdemokratie eingesetzt und somit eine der wesentlichen Streikforderungen erfüllt. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Stimmung in der Arbeiterschaft jedoch bereits radikalisiert. Wenig später überrollten die Ereignisse der Novemberrevolution jegliche Vorhaben, die zu einer Reform der Monarchie hätten führen können, so sie je ernsthaft erwogen worden war. Der Januarstreik gilt als wesentlicher Vorläufer dieser Revolution, viele der im November 1918 spontan entstandenen Arbeiter- und Soldatenräte entstanden nach dem Muster des Januarstreiks 1918.

Mit der Novemberrevolution stürzte auch die Monarchie, der in der Bevölkerung verhasste Krieg wurde durch einen Waffenstillstand beendet, nachdem er militärisch nicht mehr zu gewinnen war.

Einzelnachweise

  1. Ralf Hoffrogge, Richard Müller - Der Mann hinter der Novemberrevolution, Berlin 2008, S. 38ff, S.63ff
  2. Vgl. Ottokar Luban, Die Massenstreiks für Frieden und Demokratie im ersten Weltkrieg, in: Boebel/Wentzel, Streiken gegen den Krieg, S. 11-27

Siehe auch: Burgfriede, Stinnes-Legien-Pakt, Dolchstoßlegende, Deutsches Kaiserreich, Jännerstreik

Literatur

  • Chaja Boebel/Lothar Wentzel (Hg.), Streiken gegen den Krieg - Die Bedeutung der Massenstreiks in der Metallindustrie vom Januar 1918, VSA-Verlag, Hamburg 2008, ISBN 978-3-89965-320-5 .
  • Ralf Hoffrogge: Richard Müller - Der Mann hinter der Novemberrevolution", Karl-Dietz-Verlag Berlin 2008, ISBN 978-3-320-02148-1

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Januarstreik — In den Januarstreiks von 1918 im Deutschen Reich forderten über eine Million Arbeiter bessere Lebensbedingungen, bessere Arbeitsbedingungen, ein Ende des Ersten Weltkriegs und eine Demokratisierung der Verfassung des deutschen Kaiserreiches. Der… …   Deutsch Wikipedia

  • Bayerische Räterepublik — Die Münchner oder Bayerische Räterepublik vom 7. April bis zu ihrer gewaltsamen Niederschlagung am 2. Mai 1919 war nach den sich überschlagenden Ereignissen der Novemberrevolution in Bayern ab dem 7. November 1918 und der Ermordung des ersten… …   Deutsch Wikipedia

  • Bayrische Räterepublik — Die Münchner oder Bayerische Räterepublik vom 7. April bis zu ihrer gewaltsamen Niederschlagung am 2. Mai 1919 war nach den sich überschlagenden Ereignissen der Novemberrevolution in Bayern ab dem 7. November 1918 und der Ermordung des ersten… …   Deutsch Wikipedia

  • Münchener Räterepublik — Die Münchner oder Bayerische Räterepublik vom 7. April bis zu ihrer gewaltsamen Niederschlagung am 2. Mai 1919 war nach den sich überschlagenden Ereignissen der Novemberrevolution in Bayern ab dem 7. November 1918 und der Ermordung des ersten… …   Deutsch Wikipedia

  • Palmsonntagsputsch — Die Münchner oder Bayerische Räterepublik vom 7. April bis zu ihrer gewaltsamen Niederschlagung am 2. Mai 1919 war nach den sich überschlagenden Ereignissen der Novemberrevolution in Bayern ab dem 7. November 1918 und der Ermordung des ersten… …   Deutsch Wikipedia

  • Richard Müller (USPD) — Richard Müller (* 9. Dezember 1880 in Weira; † 11. Mai 1943 in Berlin) spielte als einer der Köpfe der Revolutionären Obleute vor allem im Vorfeld und Verlauf der Novemberrevolution als Verfechter einer Räterepublik eine wichtige Rolle. So war er …   Deutsch Wikipedia

  • Räterepublik in Bayern — Die Münchner oder Bayerische Räterepublik vom 7. April bis zu ihrer gewaltsamen Niederschlagung am 2. Mai 1919 war nach den sich überschlagenden Ereignissen der Novemberrevolution in Bayern ab dem 7. November 1918 und der Ermordung des ersten… …   Deutsch Wikipedia

  • August Karsten — (* 20. Dezember 1888 im Peine; † 8. Mai 1981 in Ost Berlin) war ein deutscher Politiker (SPD). August Karsten Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

  • Bayerische Geschichte — Die Geschichte Bayerns (Baierns) reicht weit zurück. Bis ins Jahr 555 n. Chr. lassen sich die Ursprünge des älteren baierischen Stammesherzogtums der Agilolfinger mit Sitz in Freising zurück verfolgen. Die Schreibweise des Landesnamens mit „y“… …   Deutsch Wikipedia

  • Bremer Räterepublik — Verkündung der Machtübernahme durch den Arbeiter und Soldatenrat am 15. November 1918 am Bremer Rathaus. Die Bremer Räterepublik wurde infolge der Novemberrevolution am 10. Januar 1919 ausgerufen. Kennzeichnend für die Idee der Räterepubliken ist …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”