Jacques d’Adelswärd-Fersen

Jacques d’Adelswärd-Fersen
Baron Jacques d'Adelswärd-Fersen (1901)

Baron Jacques d’Adelswärd-Fersen (* 20. Februar 1880; † 5. November 1923) war ein französischer Aristokrat, Autor und Dichter. Nachdem ein Skandal wegen päderastischer Beziehungen zu Pariser Schuljungen ihn zu einer persona non grata in den Salons der Stadt gemacht und seine Heiratspläne durchkreuzt hatte, siedelte er 1903 nach Capri um, wo er fortan mit seinem langjährigen Freund Nino Cesarini lebte, bis er 1923 sein Leben mit einer Überdosis Kokain beendete.

Inhaltsverzeichnis

Frühe Lebensjahre

Geboren als Jacques d'Adelswärd war er väterlicherseits mit dem schwedischen Grafen Axel von Fersen verwandt, der eine Beziehung mit Marie Antoinette unterhielt. D'Adelswärd nahm in seinem späteren Leben den Namen Fersen aus Bewunderung für diesen entfernten Verwandten an. Auf Capri entledigte er sich schließlich des Namens „d'Adelswärd“ und nannte sich nur noch Graf Fersen.

D'Adelswärd-Fersens Großvater hatte eine Stahlfabrik in Longwy-Briey gegründet, die recht profitabel war und d'Adelswärd-Fersen zu einem sehr reichen Mann machte, als er im Alter von 22 Jahren das Erbe antrat. Er war dadurch sehr begehrt in den höheren Kreisen der Gesellschaft, denn viele Familien hofften, eine ihrer Töchter mit ihm verheiraten zu können.

Abgesehen davon, dass er dem Militär beitrat, hatte d'Adelswärd-Fersen auch viele Reisen unternommen und einige Gedichte in Büchern wie Chansons Légères veröffentlicht. Etwa zu dieser Zeit wurde er sich seiner homosexuellen Orientierung bewusst, die auch in seinen Gedichten relativ klar zum Ausdruck kommen. Er war jedoch nicht an erwachsenen Männern interessiert (was ihn zu dieser Zeit in Frankreich nicht in rechtliche Probleme gebracht hätte), sondern an etwa 15 bis 17 Jahre alten Jungen. Diese Neigung führte letztendlich zu seinem Ausschluss aus der französischen Gesellschaft.

Der Prozess

Jacques d’Adelswärd-Fersen

1903 kamen Anschuldigungen auf, dass der Baron Schwarze Messen in seinem Haus gehalten habe. Vermutlich wurden diese orgiastischen Partys von Pariser Schuljungen besucht und schlossen sexuelle Handlungen zwischen dem Baron und den Jungen ein. Er wurde wegen ungebührlichen Verhaltens gegenüber Minderjährigen für schuldig gesprochen, saß eine sechsmonatige Freiheitsstrafe ab, musste 50 Francs Geldstrafe bezahlen und verlor seine Bürgerrechte für fünf Jahre.

Der Skandal war im Grunde das Pendant zum Fall Oscar Wilde einige Jahre zuvor. D'Adelswärd-Fersen konnte sich wohl noch glücklich schätzen, dass seine Partys, die er spöttelnd auch Rosa Messen nannte (in Anspielung auf die homosexuellen Handlungen), auch von anderen angesehenen Persönlichkeiten der Pariser High Society besucht wurden, die das Gericht unter Druck setzten, einige Anschuldigungen fallen zu lassen, um so die Auswirkungen des Skandals zu begrenzen.

Nach allem was heute über die Umstände des Falls bekannt ist waren d'Adelswärd-Fersens Rosa Messen wohl harmloser als in gewissen Kreisen der Gesellschaft zu dieser Zeit behauptet wurde. Sie scheinen hauptsächlich darin bestanden zu haben, dass Gedichte rezitiert und mythologische Szenen in lebendigen Bildern dargestellt wurden (natürlich unter Beteiligung halbnackter Jungen). D'Adelswärd-Fersen hat allerdings zumindest bei einer Gelegenheit auch einige der Jungen masturbiert.

Auf Capri

Villa Lysis heute

Nachdem so seine Heiratspläne vereitelt worden waren, erinnerte sich d'Adelswärd-Fersen an die Insel Capri, die er in seiner Jugendzeit besucht hatte, und baute dort ein Haus. Er kaufte ein Stück Land auf der Kuppe eines Hügels im äußersten Nordosten der Insel in der Nähe der Villa Jovis, die zwei Jahrtausende zuvor der römische Kaiser Tiberius errichtet hatte. Sein Haus, das er anfangs Gloriette nannte, wurde schließlich Villa Lysis getauft (und später auch manchmal einfach Villa Fersen genannt) in Bezug auf den platonischen Dialog Lysis, der von Freundschaft und – wie man heute sagen würde – homosexueller Liebe handelt.

Architekt der Villa Lysis war Edouard Chimot, der sie im Jugendstil entwarf. Im Keller befindet sich ein großer Rauchsalon, in dem d'Adelswärd-Fersen sein Opium konsumierte und sich schließlich das Leben nahm. Eine lateinische Inschrift über dem Eingang lautet: Amori et dolori sacrum – „Schrein der Liebe und des Kummers“. Die Villa war jahrzehntelang in schlechtem Zustand, aber dank einer Restauration in den frühen 2000ern, die vom Stadtrat von Capri initiiert wurde, ist sie nun für Touristen geöffnet.

Lord Lyllian

Lord Lyllian, veröffentlicht 1905, ist eines seiner wichtigsten Werke, das den Skandal in Paris aufs Korn nimmt, mit Anlehnungen an die Affaire um Oscar Wilde als Zugabe.

Die Hauptperson, Lord Lyllian, geht auf eine wilde Odyssee sexueller Ausschweifungen, wird von einer Person verführt, die Oscar Wilde sehr ähnlich ist, verliebt sich in Jungen und Mädchen und wird am Ende von einem Jungen getötet. Der öffentliche Aufschrei wegen der vermuteten Schwarzen Messen wird ebenfalls karikiert. Das Werk ist eine gewagte Mischung von Fakten und Fiktion, einschließlich vierer Charaktere, die allesamt Alter Egos von d'Adelswärd-Fersen selbst sind.

Titelblatt der Zeitschrift Akadémos

Akadémos

Akadémos. Revue Mensuelle d'Art Libre et de Critique war d'Adelswärd-Fersens kurzlebiger Versuch, eine Monatszeitschrift zur Förderung der päderastischen Liebe zu publizieren. Als die erste Ausgabe von Akadémos 1909 erschien, war es die erste Veröffentlichung dieser Art auf Französisch. Thematisch behandelte sie etwa das gleiche Gebiet wie die deutsche Zeitschrift Der Eigene, die von 1896 bis 1931 von Adolf Brand veröffentlicht wurde. Dies ist kein Zufall, denn bevor er mit Akadémos begann, nahm d'Adelswärd-Fersen die deutsche Zeitschrift genau unter die Lupe, deren Ziel es war, die soziale Akzeptanz der Homosexualität zu fördern.

Akadémos wurde jedoch nach nur einem Jahr (also 12 Ausgaben) wieder eingestellt. Allgemein wird angenommen, dass dies geschah, weil dem Baron die Produktion der Zeitschrift zu teuer wurde. Andere Einflüsse wie der Druck der feindlich eingestellten Presse und der Gesellschaft allgemein können aber auch nicht ganz ausgeschlossen werden. Dennoch enthalten die gedruckten Ausgaben Essays von bekannten Personen wie Achille Essebac, Claude Farrère, Jean Ferval, and Anatole France.

Sekundärquellen zu d'Adelswärd-Fersen

Bücher

Filme

Weblinks

 Commons: Jacques d'Adelswärd-Fersen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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