Jablonec nad Nisou

Jablonec nad Nisou
Jablonec nad Nisou
Wappen von Jablonec nad Nisou
Jablonec nad Nisou (Tschechien)
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Basisdaten
Staat: Tschechien
Region: Liberecký kraj
Bezirk: Jablonec nad Nisou
Fläche: 3139 ha
Geographische Lage: 50° 44′ N, 15° 10′ O50.72777777777815.17475Koordinaten: 50° 43′ 40″ N, 15° 10′ 12″ O
Höhe: 475 m n.m.
Einwohner: 45.356 (1. Jan. 2011) [1]
Postleitzahl: 466 01
Verkehr
Bahnanschluss: Liberec–Tanvald
Struktur
Status: Stadt
Ortsteile: 8
Verwaltung
Bürgermeister: Petr Beitl (Stand: 2011)
Adresse: Mírové náměstí 3100/19
467 51 Jablonec nad Nisou
Gemeindenummer: 563510
Website: www.mestojablonec.cz

Jablonec nad Nisou (deutsch: Gablonz an der Neiße) ist eine Stadt mit 45.356 Einwohnern (1. Januar 2011) an der Lausitzer Neiße im nördlichen Tschechien. Das Katastralgebiet der Stadt beträgt 3139 ha. Der Name leitet sich aus dem tschechischen Wort jabloň (Apfelbaum) her.

Jablonec ist die zweitgrößte Stadt des Liberecký kraj, die größte Stadt und Sitz des Okres Jablonec nad Nisou und ein wichtiger Industriestandort. Sie bildet das Verwaltungs-, Kultur- und Sportzentrum des Isergebirges (Jizerské Hory).

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die erste schriftliche Erwähnung erfolgte im Jahr 1356. Nach der Zerstörung durch Gegner des böhmischen Königs Georg von Podiebrad im August 1496 verschwand die Siedlung völlig. Dauerhaft bewohnt war Gablonz erst wieder seit dem 16. Jahrhundert, als die erste Glashütte in Grünwald (Mšeno) entstand. Im Dreißigjährigen Krieg wurde Gablonz am 2. Mai 1643 erneut niedergebrannt; nach Kriegsende wurden die protestantischen Einwohner zwangsweise ausgewiesen. 1808 wurde Jablonec zum Marktflecken und im Jahr 1866 durch ein Dekret des Königs Franz Josef I. zur Stadt erhoben. Im Jahre 1868 wurde Gablonz zum Sitz des Bezirkshauptmanns. Der neue politische Bezirk Gablonz bestand aus den Gerichtsbezirken Tannwald und Gablonz.

Am 28. Oktober 1918 wurde die Unabhängigkeit der Tschechoslowakei ausgerufen. Gablonz wurde am frühen Morgen des 11. Dezember von tschechischen Einheiten aus Mladá Boleslav besetzt. Die deutsche Volkswehr leistete keinen Widerstand. Nach Volkszählung 1930 waren 79,5% der Gablonzer deutsch, deutsch-jüdisch bzw. deutschsprachig und 16,5% tschechisch bzw. tschechischsprachig. Heute (nach Volkszählung 2001) sind 92,5% Tschechisch und 1,5% Deutsch.

Nach dem Münchner Abkommen vom 29. September 1938 wurde die Stadt an das nationalsozialistische Deutsche Reich angegliedert. Die meisten Juden der Stadt waren bereits im Sommer 1938 geflohen, die Verbliebenen wurden verfolgt und ab 1941/42 deportiert und ermordet. Der Gablonzer Rabbiner Dr. Georg Vida floh nach Turnau, wobei es ihm gelang, die Gablonzer Tora zu retten. Viele tschechischsprachige Gablonzer waren vor dem Nationalhass geflohen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden die meisten deutschböhmischen Bewohner auf Grund der Beneš-Dekrete vertrieben. Nach 1945 gründeten einige vertriebene Deutsche dann Stadtteile mit dem Namen Neugablonz sowohl in Kaufbeuren in Bayern als auch in Enns in Oberösterreich, um dort die berühmte Glasindustrie (Gablonzer Bijouterie ) fortzuführen.

Im Stadtviertel Rýnovice gibt es ein Haus der tschechisch-deutschen Verständigung (Rieger-Haus). Ein Beweis für den früheren Reichtum der Stadt ist eine Reihe bedeutender Bauten und Stadtviertel. Zu den interessantesten gehören Jugendstilbauten und private Villen in der jetzigen Podhorská ulice (Gebirgsstraße) und 28. října (Josef-Pfeifer-Str.); prächtige Bauten des Funktionalismus der 1930er Jahre sind die Villa Schmelowsky, die Villa Hásek (Architekt Heinrich Lauterbach), die Villa Kantor (Adolf-Loos-Schueler Architekt Heinrich Kulka), das Rathaus (Architekt Karl Winter) und die Katholische Kirche am Gewerbe-Platz (Architekt Josef Zasche).

Viele Neubürger aus Mittelböhmen, der Slowakei, sogenannte "Repatrianten" und Roma siedelten sich nach dem Zweiten Weltkrieg in Jablonec an.

Nach dem Zweiten Weltkrieg haben sich im Landkreis Gotha in Thüringen etwa 14.000 Heimatvertriebene, davon viele aus der Region Gablonz niedergelassen. Besonders um die Städte Friedrichroda und Ohrdruf entstanden so neben dort genossenschaftlich organisierten Kleinbetrieben der Täschner und Schmuckgürtler Werkstätten der Knopfmacher, Glasgestalter und kunsthandwerkliche Bijouteriewarenhersteller.[2]

Wirtschaft und Infrastruktur

Stadtzentrum Jablonec
Neues Rathaus

Zunächst waren als Industriebetriebe im Ort Glashütten angesiedelt. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entwickelte sich die Glasindustrie sehr schnell. Weiterer Aufstieg kam für die Stadt in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit dem Aufkommen der Bijouterie-Manufakturen.

Heute ist neben diesem Industriezweig Jablonec ein ausgezeichneter Ausgangspunkt für touristische Aktivitäten im Isergebirge und Riesengebirge. Die Lage an der deutschen und polnischen Grenze begünstigt Handelsaktivitäten mit diesen Ländern.

In der Bijouterie- und Glasherstellung sollen in Jablonec und Umgebung auch heute noch 11.000 Menschen beschäftigt sein, wobei die Produktion zu großen Teilen exportorientiert ist. Die wichtigsten Firmen der Glasherstellung – Ecoglass, Preciosa, Ornela, Bižuterie Česká mincovna (Bijouterie Tschechisches Münzhaus), Glass Tomeš. Die Firmen Preciosa, Bižuterie Česká mincovna und Ornela – haben sich zum Verband Bijou Terra zusammnengeschlossen, der die Exportgesellschaft Jablonex betreibt.

Das Münzhaus Bižuterie Česká mincovna (Bijouterie Tschechisches Münzhaus) produziert tschechische Kronen für das ganze Land. Es wurde nach dem Zerfall der Tschechoslowakei gegründet, weil das tschechoslowakische Münzhaus im slowakischen Kremnica lag).

Außer der Bijouterie- und Glasherstellung sind auch Maschinenbau, Möbelproduktion und holzverarbeitende Industrie vertreten.

Die Firma Soliter produziert Metallschmuck.

Die 1991 gegründete Gesellschaft Jablotron produziert Alarmanlagen, Gartentechnik, Handys etc. Sie hat großes Aufsehen mit ihrem „größten Handy der Welt“ erregt. Das Gerät „JABLOTRON GDP 02 Grand“ war ursprünglich für ältere Menschen gedacht, großes Interesse zeigten aber auch Bewohner von Regionen mit schlechter Festnetzversorgung. 2010 beschäftigte Jablotron 450 Mitarbeiter und erwirtschaftete einen Umsatz von 1,36 Mrd. Kronen (ca. 57 Mio. €).[3]

Die Firma Lucas Varity produziert Autobremsen in Jablonec und Umgebung unter dem Namen TRW Automotive Aftermarket CZ LUCAS Autobrzdy; sie nutzt hierbei Anlagen der früheren Autobrzdy, später Ateso. Einer der wichtigsten Automobilzulieferer ist A. Raymond Jablonec sro, ein Tochterunternehmen der weltweit operierenden A. Raymond Gruppe.

Verkehr

Die Stadt liegt an der Bahnstrecke Liberec–Tanvald, sie ist zudem seit 1955 durch die schmalspurige Überlandstraßenbahn des Verkehrsbetriebes der Stadt Liberec mit Liberec verbunden. Die Schnellstraße R10 nach Prag liegt etwa 7 km entfernt.

Kultur und Sehenswürdigkeiten

  • Das neue Rathaus wurde 1931–1933 im funktionalistischen Stil nach Entwurf des Architekten K. Winter erbaut.
  • Das alte Rathaus, ein dreistöckiges Gebäude mit dem vierkantigem Turm, wurde 1867–1869 vom Reichenberger Baumeister Gustav Sachers erbaut.
  • Das Glas- und Bijouterie Museum im Jugendstil gehörte ursprünglich der Exportfirma Zimmer & Schmidt. Heute ist es Sitz des Museums für Glas und Bijouterie. Seine Sammlungen enthalten Objekte zur Dokumentation der Geschichte der Glasmacherei, der Herstellung von Schmuck und Bijouterie, und neuerdings auch der Medaillenkunst und Münzenprägerei; alles in besonderer Hinsicht zur Entwicklung in Nordböhmen.
  • Die römisch-katholische Annenkirche, ein einschiffiger rechteckiger Barockbau mit polygonalem Presbyterium, wurde 1685–1687 erbaut.
  • Das ehemalige Pfarramt, ein Gebäude vom Anfang des 18. Jahrhunderts mit einer Neo-Renaissance-Fassade vom Ende des 19. Jahrhunderts. Bemerkenswert sind die Statue der hl. Maria vor der Kirche und ein etwa 1 m hohes Versöhnungskreuz an der Kirchwand von 1666.
Stadttheater Jablonec nad Nisou
  • Das Stadttheater (Městské divadlo) wurde nach den Plänen der Wiener Theaterarchitekten Fellner und Helmer 1906–1907 grundrissgleich mit jenen in Gießen und Klagenfurt im Jugendstil erbaut.
  • Die römisch-katholische Herz-Jesu-Kirche – ein dreischiffiges rechteckiges Ziegelobjekt mit einem Querschiff und einem vierkanigen Turm – wurde in den Jahren 1930–1931 erbaut. Autor des Entwurfes war ein Gablonzer Landsmann, der Architekt Josef Zasche.
  • Die evangelische Pfarrkirche, ein pseudogotisches einschiffiges Objekt mit einem rechteckigen Turm an der Vorderfront, wurde 1892 vom Baumeister Arwed Thamerus erbaut.
  • Die altkatholische Kreuzkirche wurde im Jugendstil in den Jahren 1900–1902 erbaut. Die Pläne stammen vom Gablonzer Architekten Josef Zasche.
  • Die Talsperre Mšeno wurde 1906–1909 im Gebiet der Gewässer der Lausitzer Neiße erbaut. Sie soll den regelmäßig wiederkehrenden Überschwemmungen vorbeugen. Die Talsperre liegt 513 m über dem Meeresspiegel und fasst 3 Millionen Kubikmeter Wasser. Dieses technische Baudenkmal ist ein attraktives Erholungsgebiet der Stadt.
  • Das Schützenhaus war Sitz des örtlichen Schützenvereines, der im Jahr 1761 gegründet wurde. Das spätere Zentrum des Gablonzer Sport- und Kulturlebens wurde in den Jahren 1870–1771 erbaut.
  • Petřín; dieses Ausflugsrestaurant (früher Nickelkoppe genannt) mit einem 20 m hohen Aussichtsturm am Südrand der Stadt, wurde im Jahr 1906 erbaut.
  • Galerie Belveder, ein spätbarockes zweistöckiges Haus mit einem Mansarddach, gehört zu den ältesten Gebäuden der Stadt. Die erste Erwähnung stammt aus dem Jahr 1773.
  • Nad Prosečí (Proschwitzer Kamm) ist ein beliebtes Ziel für Spaziergänge zwischen Jablonec und Liberec mit Baude und Aussichtsturm.
  • Die Schwarzbrunnwarte ist ein Granit-Aussichtsturm mit Baude und wurde 1905 nach Entwürfen des Gablonzer Architekten Hemmrich auf dem Schwarzbrunnberg (heute Černá Studnice) errichtet.
  • Die Neißequelle befindet sich im Gelände der Ortschaft Nová Ves nad Nisou (Neudorf), in der Nähe der Hauptstraße nach Lučany nad Nisou (Wiesenthal) .

Stadtgliederung

Blick auf die Stadt vom Isergebirge aus
  • Jablonec nad Nisou (Gablonz an der Neiße)
  • Jablonecké Paseky (Bad Schlag)
  • Kokonín (Kukan)
  • Lukášov (Luxdorf)
  • Mšeno nad Nisou (Grünwald an der Neiße)
  • Proseč nad Nisou (Proschwitz an der Neiße)
  • Rýnovice (Reinowitz)
  • Vrkoslavice (Seidenschwanz)

Bevölkerungsentwicklung

Jahr damaliges
Stadtgebiet
bezogen auf
heutiges Gebiet
1830 3.000 – –
1869 7.000 13.000
1890 15.000 23.000
1910 30.000 43.000
1930 34.000 50.000
1950 23.000 33.000
1970 34.000 42.000
1991 46.000 46.000
2001 45.000 45.000

Die erste Zahl ist die Bevölkerung im Stadtgebiet (Kataster) in der damaligen Zeit, die zweite Zahl im heutigen Gebiet (die Stadt ist gewachsen, einige Dörfer wurden eingemeindet).[4]

Politik

Bürgermeister

  • 1881 –1918 Adolph Heinrich Posselt
  • 1918–1934 Karl Richard Fischer (DNSAP)
  • 1934–1938 Oskar Petrowsky (SdP)
  • 1938–1942 Oswald Wondrak (NSDAP, 1942–45 als Strafe an der Front)
  • 1942–1945 (Mai) Karl Lehmann (NSDAP, als Stellvertreter)
  • 8. Mai 1945 – 21. Mai 1945 Karel Šimon (Demokrat)
  • 21. Mai 1945 – 1950 Karel Šilhán (Kommunist)
  • 1990–1994 Jiří Musil (Bürgerforum, später Sozialdemokraten)
  • 1994–2006 Jiří Čeřovský (ODS)
  • seit 2. November 2006 Petr Tulpa, unabhängige Vereinigung Domov nad Nisou (Heimat an der Neiße)
  • seit November 2010 Petr Beitl ODS[5]

Städtepartnerschaften

Persönlichkeiten

Söhne und Töchter der Stadt

Personen, die mit dem Ort in Verbindung stehen

  • Gustav Leutelt (1860–1947), deutscher Schriftsteller und Dichter, lebte ab 1922 als Pensionär in Gablonz
  • Rudolf Medek (1890–1940), tschechischer Schriftsteller und Oberst, begann in Gablonz seine Offizierslaufbahn
  • Konrad Henlein (1898–1945), nationalsozialistischer Politiker, studierte in Gablonz
  • Jan Železný (*1966), tschechischer Speerwerfer, dreimaliger Olympiasieger, startete eine Zeitlang für den Gablonzer Leichtathletikverein TJ Liaz

Einzelnachweise

  1. Český statistický úřad – Die Einwohnerzahlen der tschechischen Gemeinden vom 1. Januar 2011 (XLS, 1,3 MB)
  2. Helgra Raschke: Vertrieben: In Gotha fingen die Gablonzer neu an. Aufbruchstimmung und endgültiger Niedergang der sudetendeutschen Glas- und Schmuckindustrie. In: Thüringer Allgemeine. Gotha 1999.
  3. "Der Millionär im Plattenbau", Sächsische Zeitung (Ausgabe Pirna) vom 21./22. Mai 2011]
  4. Dějiny obyvatelstva českých zemí (Geschichte der Bevölkerung der Böhmischen Länder), Mladá fronta, Prag 1996, S. 397, 398
  5. http://liberec.idnes.cz/liberec-zpravy.asp?c=A101112_1482132_liberec-zpravy_oks

Weblinks

 Commons: Jablonec nad Nisou – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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