Iwakura-Mission

Iwakura-Mission

Iwakura-Mission (jap. 岩倉使節団 Iwakura shisetsudan) ist der Name einer von 1871 bis 1873 dauernden Reise einer aus fünf hochrangigen japanischen Politikern bestehenden Gruppe unter der Leitung von Iwakura Tomomi nach Nordamerika und Europa.

Das Ziel dieser Reise war die Erkundung der europäischen Staaten, ihrer Staatsform, der Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Technologie. Die Erkenntnisse, die auf dieser Mission gewonnen wurden, spielten für die Entwicklung des modernen japanischen Staates eine entscheidende Rolle. Ein weiteres Ziel war die Auflösung der Ungleichen Verträge.

Ein bedeutender Initiator war der holländische Missionar Guido Verbeck.

Inhaltsverzeichnis

Ziele

Erkenntnisgewinn über die europäischen Staaten

Nachdem mehrere Reisen von niederrangigen japanischen Beamten vorausgegangen waren (Die Takenouchi-Mission 1862 u. andere), entschloss sich Iwakura Tomomi, 1871 eine große Entdeckungsreise in den europäisch geprägten Teil der Erde zu unternehmen. Zu diesem Zeitpunkt war bereits eine größere Anzahl von Japanern nach Europa gereist. Auch das hochrangige Delegationsmitglied Itō Hirobumi war bereits 1863 als Student in Europa gewesen. Der Erkenntnisgewinn, der aus diesen Aufenthalten hervorging, reichte aber bei weitem nicht aus, um ein modernes Japan nach europäischem Vorbild zu errichten. Dies wurde auch von in Japan ansässigen europäischen Missionaren bestätigt, insbesondere 1869 von dem Holländer Guido Verbeck, der eine Schule in Tokio leitete, aus der später die Universität Tokio hervorging. Verbeck spielte zusammen mit dem Beamten des Bildungsministeriums Tanaka Fujimaro bei der Planung der Reisestationen eine wesentliche Rolle.

Auflösung der Ungleichen Verträge

In den letzten Jahren des Shogunats waren dem japanischen Staat verschiedene Ungleiche Verträge durch die USA, Großbritannien und weitere europäische Staaten aufgenötigt worden. Man beabsichtigte, diese Verträge mit diplomatischen Mitteln aufzukündigen.

Mitglieder der Gesandtschaft

Die leitenden Mitglieder der Iwakura-Mission, in der Mitte befindet sich Iwakura Tomomi, rechts außen sitzt Ōkubo Toshimichi. Das Foto wurde 1872 während des Aufenthaltes in London aufgenommen.

Neben bedeutenden Politikern wurde auch eine Anzahl von Gelehrten und Bediensteten mitgenommen. Die Gesamtzahl der Teilnehmer an der Iwakura-Mission belief sich auf 48 Personen. Es reisten 60 Studenten mit der Gesandtschaft, die zum Teil in den besuchten Ländern zurückgelassen wurden, um an Studiengängen und Ausbildungen in den fremden Ländern teilzunehmen. Fünf junge Frauen blieben in den Vereinigten Staaten.

  • Iwakura Tomomi, Kaiserlicher Prinz, Leiter der Mission, Botschafter
  • Ōkubo Toshimichi, Vizebotschafter, späterer Innenminister Japans
  • Itō Hirobumi, Vizebotschafter, später Finanz- und erster Premierminister Japans
  • Yamaguchi Naoyoshi, Vizebotschafter
  • Kido Takayoshi, Vizebotschafter
  • Tanaka Fujimaro, Kommissar für Bildung und Erziehung
  • Nakae Chōmin, Justizminister, blieb in Frankreich, um das französische Staatssystem kennenzulernen. Später wurde er Journalist, Philosoph und Übersetzer und brachte unter anderem die Schriften von Jean-Jacques Rousseau nach Japan.
  • Kume Kunitake, Chronist und Historiker
  • Kaneko Kentarō blieb als Student in den USA und traf dort an der Universität auf Theodore Roosevelt. Der Kontakt zwischen beiden wurde aufrechterhalten. Kaneko konnte Roosevelt am Ende des Russisch-Japanischen Krieges dazu bewegen, als Vermittler zwischen den Kriegsparteien aufzutreten, was zum Abschluss des Vertrags von Portsmouth führte.
  • die damals siebenjährige Tsuda Umeko, die nach ihrer Rückkehr 1900 das in Japan berühmte, später nach ihr benannte Tsuda College gründete.

Verlauf

Am 23. Dezember 1871 verließ die Gesandtschaft den Hafen Yokohama und fuhr über den Stillen Ozean nach San Francisco. Nach der Landung im Januar 1872 hielt sich die Gesandtschaft bis Ende Juli in den Vereinigten Staaten auf. Die Industrie der USA befand sich aber trotz großen Potentials noch in einem Entwicklungsstadium. Außerdem waren die Vereinigten Staaten immer noch damit beschäftigt, die Folgen des Bürgerkriegs zu beseitigen. Entwickelt war dagegen die Industrie für kleinkalibrige Schusswaffen. Die Delegation Iwakuras besichtigte deshalb am 20. Juni 1872 die Springfield-Werke. Weiterhin wurde den Japanern die Wirkungsweise des Gatling-Maschinengewehrs vorgeführt. Von Washington D.C. aus verließen die Japaner die USA und fuhren per Schiff in Richtung England.

Ab dem 17. August 1872 verbrachte die Gesandtschaft insgesamt 122 Tage in Großbritannien. Dies war der längste Aufenthalt, den die Japaner auf ihrer Weltreise in einem europäischen Land hatten. Sie unternahmen Abstecher in die Midlands, Nordengland und Schottland, hielten sich aber über die Hälfte der Zeit in London auf. Zu diesem Zeitpunkt hielten sich bereits über 100 japanische Studenten in Großbritannien auf, die ihren Wohnsitz hauptsächlich in der Umgebung Londons hatten. Sie trugen wesentlich dazu bei, dass der durch Kume Kunitake erstellte Erkundungsbericht dieser Mission der bis dahin mit Abstand umfangreichste japanische Bericht über Großbritannien wurde. Da dieses Land zum damaligen Zeitpunkt die wirtschaftliche und politische Führungsmacht der Welt war, hatte dieser Aufenthalt besonderen Einfluss auf die Gestaltung des japanischen Staates. Zwischen beiden Ländern entwickelten sich intensive wirtschaftliche Beziehungen. So exportierte Großbritanniens Stahlindustrie neben einer großen Menge anderer Erzeugnisse über 1000 Lokomotiven in den Jahren von 1871 bis 1911 nach Japan. Außerdem wurden Verträge über den Bau von Kriegsschiffen für die japanische Marine abgeschlossen. Die Rücknahme der ungleichen Verträge gelang jedoch nicht, dies geschah erst 1894 mit dem "englisch-japanischen Vertrag über Handel und Navigation".

Am 16. Dezember 1872 verließ die Gesandtschaft London in Richtung Paris. Die Gesandtschaft besichtigte Frankreich im Januar 1873, welches mit der Aufarbeitung der Niederlage im Deutsch-Französischen Krieg belastet war. Aus Frankreich führte der Weg der Japaner über Belgien in die Niederlande. Die diplomatischen Beziehungen mit Holland waren die einzigen, die während der Edo-Zeit nicht abgebrochen wurden, auch wenn der Handel auf die kleine Insel Dejima im Hafen von Nagasaki beschränkt blieb.

Im März besuchten die Japaner das Deutsche Reich. Das preußische Militärwesen, das aus dem Deutsch-Französischen Krieg siegreich hervorging, sollte für die Entwicklung der japanischen Armee zum Vorbild werden. Es wurden die Werke von Krupp in Essen und das Gefängnis Moabit in Berlin besucht. Itō Hirobumi wurde besonders von der autoritären preußischen Staatsform beeindruckt, die, wie in Japan gewünscht, einen starken Kaiser vorsah. Von Berlin aus ging es weiter nach Sankt Petersburg.

Vom 18. bis 23. April bereiste die Gruppe Dänemark und besuchte unter anderem das Dänische Nationalmuseum. Danach reiste sie für eine Woche nach Schweden.

Über München führte die Reise weiter nach Österreich, das von den Japanern als rückständig eingeschätzt wurde. Am 19. Juni 1873 reisten die Japaner schließlich in die Schweiz. Hier wurde als besonders positiv empfunden, dass trotz des Fehlens von Rohstoffen in den Städten eine Schwerindustrie aufgebaut wurde.

Am 15. Juli 1873 verließ die Delegation schließlich die Schweiz und kehrte nach Japan zurück. Die Rückreise verlief durch Ägypten, Aden, Ceylon, Singapur, Saigon, Hong Kong und Shanghai. Die Aufenthalte an diesen Orten waren jedoch viel kürzer als die in Europa oder Amerika. Am 13. September 1873 war die Iwakura-Mission nach Japan zurückgekehrt, fast ein Jahr später als geplant.

Ergebnisse

Das Ziel der Iwakura-Mission, neue Erkenntnisse über die westlichen Staaten zu sammeln, wurde voll und ganz erreicht. Entscheidende Umwälzungen in Japan hatten bereits vor der Abreise der Mission stattgefunden, die Auflösung des Shogunats 1867, der Umzug des Kaisers nach Tokyo 1868 und die Auflösung der Daimyate 1871.

Das Ziel war nun, einen Staat aufzubauen, der den europäischen Mächten ebenbürtig war. Etwa 5000 ausländische Berater (o-yatoi gaikokujin) wurden ins Land geholt, bevorzugt auf den Gebieten, in denen man das jeweilige Land als führend ansah. Diese halfen, ein Bildungssystem, Universitäten, ein Gesundheitswesen, das Militär, die Wirtschaft und das Rechtssystem nach europäischen Vorbildern aufzubauen. Deutsche waren vor allem in der Armee und in der Medizin tätig, Engländer in der Flotte und Franzosen im Zivilrecht.

Das zweite Ziel, die Aufkündigung von nachteiligen Verträgen zu erreichen, wurde jedoch verfehlt. Obwohl die Mission wegen dieser Bemühungen verlängert worden war und die Regierungsmitglieder in den Verhandlungen teilweise sogar ihre Kompetenzen überschritten, konnte keiner der Verträge aufgelöst werden. Die Verlängerung der Mission brachte den Botschaftern Ōkubo Toshimichi und Kido Takayoshi nach der Rückkehr viel Kritik ein. Ausgleichend wurden jedoch neue diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen geknüpft, die für den Aufschwung Japans in den folgenden Jahrzehnten von Vorteil waren.

Geschichtliche Bedeutung

Die auf der Iwakura-Mission gewonnenen Eindrücke sowie die entstandenen diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen waren bestimmend für die rasche Entwicklung Japans zu einer imperialistischen Großmacht bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts. Besonders hervorzuheben sind dabei der wirtschaftliche Einfluss Großbritanniens, sowie der politische und militärische Einfluss Preußens.

Literatur

  • Kume Kunitake: Tokumei Zenken Taishi Bei-Ō Kairan Jikki (特命全権大使米歐回覧実記, dt. etwa wahrer Rundschreibbericht über die USA/Europa des bevollmächtigten Sonderbotschafters); übers. von Peter Pantzer: Die Iwakura- Mission. Das Logbuch des Kume Kunitake über den Besuch der japanischen Sondergesandtschaft in Deutschland, Österreich und der Schweiz im Jahre 1873. Iudicium-Verlag, 2002, ISBN 3-89129-746-7
  • The Iwakura Mission to America and Europe: A New Assessment, edited by Ian Nish, published by Routledge/Curzon; 1st edition (October 23, 1998) ISBN 1-873410-84-0

Weblinks


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