Ivar Andreas Aasen

Ivar Andreas Aasen
Ivar Andreas Aasen

Ivar Andreas Aasen (* 5. August 1813 Ørsta in der Region Sunnmøre, Fylke Møre og Romsdal; † 23. September 1896 in Kristiania) war ein autodidakter norwegischer Sprachforscher und Dichter.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Er war der jüngste von acht Geschwistern, seine Eltern waren arme Pachtbauern. Seine Mutter Guri starb, als er drei Jahre alt war. Als der Vater 1826 starb, übernahm der Bruder Jon die Wirtschaft, und er musste viel Feldarbeit leisten. In drei Kilometer Entfernung war die allgemein zugängliche Bibliothek von Sivert Aarflot. 1831 wurde er Grundschullehrer in seinem Heimatort. Dadurch hatte er Gelegenheit, das damalige Kulturzentrum in Volda zu besuchen, wo sich eine noch größere Bibliothek befand. Zwei Jahre später kam er in den Haushalt des Pfarrers H. C. Thoresen auf Herøy, der ihn in allen Fächern, auch in Latein gründlich unterwies. 1835 wurde er Hauslehrer für die sechs Kinder des Kapitäns Ludvig Daae in Solnør in der Kommune Skodje in der Nähe von Ålesund. Hier blieb er sieben Jahre. Während dieser Zeit eignete er sich gründliche Kenntnisse in Latein, Deutsch, Englisch, Grammatik, Literatur, Geographie, Geschichte und Botanik an. Besonders intensiv war seine Beschäftigung mit Botanik – er hatte eine Sammlung von 500 Pflanzen – und Grammatik. 1840 zog er zu Pfarrer P. V. Deinboll in Molde. 1841 zog er zu Bischof Jacob Neumann in Bergen. 1840 ging er nach Trondheim und ging auf verschiedene Forschungsreisen. Danach kam er nach Christiania, erhielt dort ein lebenslanges Stipendium, das ihm das Gehalt eines Professors bescherte. Das Amt aber hatte er abgelehnt.

Wirken

Der Botaniker

Ivar Aasen war engagierter Botaniker. Er hatte 506 Pflanzen in seiner Sammlung, die er 1837–1839 in Sunnmøre zusammengestellt hatte. Ursprünglich war er mehr als bedeutender Botaniker bekannt. Seine Pflanzensammlung war eine der größten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das Wertvolle an der Sammlung ist, dass sie eine Bestandsaufnahme für ein genau abgegrenztes Gebiet, nämlich Ørskog und Skodje, ist. Trotz der sehr schlechten Literatur zur Bestimmung der Pflanzen gelang es ihm, sie in das System Linnés einzuordnen. 1841 gab er diese Beschäftigung wegen des Forschungsstipendiums für die norwegische Sprache auf. Aber das Interesse erlosch nie. So verfasste er 1860 einen Artikel „Norske Plantenavne“ (norwegische Pflanzennamen).

Der Sprachforscher

1836 fasste er den Plan zu einer norwegischen Schriftsprache in einem kleinen Aufsatz „Om vort Skriftsprog“ (Über unsere Schriftsprache). Einige Jahre später verfasste er eine Grammatik über die Sprache in Sunnmøre. Diese nahm er mit seiner Pflanzensammlung mit zu Bischof Jacob Neumann, der großes Interesse an der Grammatik zeigte und Teile seiner Arbeit 1841 in „Bergens Stiftstidende“ veröffentlichte. Der Bischof nahm Kontakt mit Frederik Moltke Bugge in Trondheim, dem Präsidenten in „Det kongelig norske Videnskabers Selskab“ (Die Königlich-Norwegische Wissenschaftliche Gesellschaft) auf. In Trondheim erhielt er ein Forschungsstipendium zur Erforschung der norwegischen Dialekte. Dazu bereiste er vier Jahre lang bis 1847 das gesamte Land. Gemäß seiner Wertschätzung für das Altnordische gab er den Dialekten eine Rangfolge nach ihrer Ähnlichkeit mit dem Norrøn. Danach nahmen die Dialekte in Hardanger, Voss und Sogn die Spitzenstellung ein. Hier ist auch das Nynorsk am weitesten verbreitet. Dann ließ er sich in Christiania nieder, wo er bis zu seinem Lebensende blieb. Die wenigen Briefe und das Tagebuch (beides zwischen 1957 und 1960 herausgegeben) schrieb er auf Dänisch, wenige in seiner eigenen Sprache, dem Landsmål. Er schrieb verschiedene kleine Bücher. Der längste von ihm in Landsmål verfasste Text ist „Heimsyn: ei snøgg Umsjaaing yver Skapningen og Menneskja: tilmaatad fyre Ungdomen“ (Sicht der Welt: Eine kurze Übersicht über die Schöpfung und den Menschen, eingerichtet für die Jugend, 1875). Er ist 96 Seiten lang und wurde kaum gelesen.

Der Sprachreformer

Seine Bemühungen um die norwegische Sprache waren von Henrik Wergeland beeinflusst und zeitigten zunächst ein Experiment mit einer neuen Form der norwegischen Schriftsprache: „Samtale mellem to bønder“ (Gespräch zwischen zwei Bauern) von 1849, das die konservative Zeitung Morgenbladet veröffentlichte. Vorausgegangen war 1848 „Det norske Folkesprogs Grammatikk“ (Die Grammatik der Sprache des norwegischen Volkes). 1850 erschien „Det Norske Folkesprogs ordbog“ (Das Wörterbuch der Sprache des norwegischen Volkes). Das Werk umfasste mehr als 25000 Wörter und der große Historiker Peter Andreas Munch bezeichnete es als nationales Meisterwerk. Der erste Text in Landsmål war „Prøver af Landsmaalet i Norge“ (Proben vom Landsmål in Norwegen, 1853). 1873 erschien sein revidiertes „Norsk Ordbog“ (Norwegisches Wörterbuch).

Zu Ivar Aasens Zeit rechnete man für die norrøne Zeit mit einer einheitlichen Sprache für das ganze Land. Spätere Forschungen haben aber ergeben, dass es schon damals viele Dialekte gab. Viele Wörter, die Ivar Aasen als Danizismus verworfen hatte, stellten sich als alte und ursprüngliche norwegische Wörter heraus.

Seine Wirkung

Ivar Aasen war der Ansicht, dass die Sprache umso echter und besser sei, je archaischer sie sei, was dem von Herder geprägten nationalromantischen Zeitgeist der Oberschicht sehr entgegenkam. Andere aber meinten, sie sei für die Wiedergabe moderner Gedanken ungeeignet.

Er wurde zunächst von der gebildeten Oberschicht gefeiert. Seine Bücher verkauften sich sehr gut. Bjørnstjerne Bjørnson bemühte sich um diese neue Sprache. Es fanden sich bald Schriftsteller, die in dieser Sprache Texte verfassten. Aber niemand von ihnen sah darin mehr als einen Ausgangspunkt. 1858 gab es drei Verfasser von Texten in Landsmål, allerdings jeweils in deren eigener Sprachauffassung. Die Texte hatten nicht die gleiche Sprache, und so konnte niemand diese verstehen, der nicht einigermaßen das Norrøn beherrschte. 1858 wurde er für eine Zeitung gebeten, die isländische Fridtjofs saga zu übersetzen. Er tat dies in seinem persönlichen Landsmål. Die Zeitung erteilte ihm mit Rücksicht auf ihre Leser danach keine Aufträge mehr. Nach 1860 ging die Nationalromantik merklich zurück. Seine Bücher verkauften sich nicht mehr, ja, man vergaß sogar hin und wieder, sie anzukündigen. Die Zeitung, in der er Fridtjofs saga veröffentlicht hatte, wechselte die Seiten und ging zur Sprachreform seines Gegners Knud Knudsen über, des gleichen mehrere Dichter, auch Bjørnstjerne Bjørnson, dem die Sprache zu schwierig war. Anderen, wie dem Historiker P. A. Munch, war sie nicht archaisch genug, weil er sich geweigert hatte, grammatikalische Formen zu verwenden, die in keinem Dialekt überlebt hatten. Andere Dichter verwendeten zwar Landsmål, aber zu Ivar Aasens Missbehagen sehr frei, wie zum Beispiel Arne Garborg.

Er war weder Organisator noch konnte er für seine Ideen werben. Die Nynorsk-Bewegung ist weitestgehend ohne seine Mitwirkung entstanden. Die späteren Rechtschreibreformen übernahmen seine grammatikalischen Prinzipien nicht, sondern wandten sich den Vereinfachungen des Bokmål zu.

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