Italienische Nacht

Italienische Nacht
Daten des Dramas
Titel: Italienische Nacht
Gattung: Volksstück [in sieben Bildern]
Originalsprache: Deutsch
Autor: Ödön von Horváth
Erscheinungsjahr: 1931
Uraufführung: 20. März 1931
Ort der Uraufführung: Theater am Schiffbauerdamm, Berlin
Ort und Zeit der Handlung: Süddeutsche Kleinstadt, 1930 - ?
Personen
  • Stadtrat
  • Kranz
  • Engelbert
  • Betz
  • Wirt
  • Karl
  • Martin
  • Martins Kameraden
  • Ein Kamerad aus Magdeburg
  • Ein Faschist
  • Der Leutnant
  • Der Major
  • Czernowitz
  • Adele
  • Anna
  • Leni
  • Die Dvorakische
  • Zwei Frauenzimmer
  • Frau Hinterberger
  • Geschwister Leimsieder
  • Republikaner und Faschisten

Italienische Nacht ist ein Volksstück in sieben Bildern von Ödön von Horváth, das am 20. März 1931 mit Fritz Kampers und Berta Drews[1] im Theater am Schiffbauerdamm Berlin unter der Regie von Francesco von Mendelssohn[2] mit großem Erfolg[3] uraufgeführt wurde. Am 4. Juli 1931 brachte Oskar Sima seine entpolitisierte Fassung[4] in Wien auf die Bühne. Dann wurde das Lustspiel erst 1967 wieder in Konstanz[5] gegeben.

Inhaltsverzeichnis

Zeit und Ort

Das Stück spielt 1930 in einer süddeutschen Kleinstadt.[6] Krischke[7] berichtet über dem Lustspiel zugrunde liegende Ereignisse im oberbayrischen Murnau. Demnach sind Horváths „Republikaner“ die Sozialdemokraten, genauer, die Linken insgesamt, die sich zersplittern anstatt gegen die Rechten zu kämpfen. Martin ist ein Marxist.[8]

Inhalt

1

Mitglieder und Vorstand des republikanischen Schutzverbandes sitzen am Sonntag Vormittag in ihrem Stammlokal und machen dem geschäftstüchtigen Wirt Josef Lehninger Vorwürfe. Zeitgleich mit der am kommenden Abend angekündigten republikanischen italienischen Nacht will die Ortsgruppe der Faschisten einen deutschen Tag im Lokal steigen lassen.

2

Die aufrechten Republikaner, deren Ziel der Sozialismus ist, werden von Horváth vorgestellt: Karl, Musiker in einem Konzertcafé, triebhaft, freundet sich mit der unpolitischen Leni an.

3

Der junge Arbeiter Martin bildet sich ein, er sei der Intelligentere und habe mehr Durchschlagskraft[9] als seine Genossen. Er schickt die Freundin Anna auf den politischen Strich.[10] Anna soll mit einem Faschisten anbandeln[11] und bei der Gelegenheit den Gegner auskundschaften.

4

Das Rendezvous Annas mit dem Faschisten findet gegen Ende der Abenddämmerung in den städtischen Anlagen vor dem Denkmal des ehemaligen Landesvaters statt. Martins junge Kameraden beschmieren das Denkmal mit roter Farbe. Währenddessen verrät der Faschist nicht viel über seine Mitkämpfer, sondern fällt über Anna her.

5

Der republikanische Stadtrat Alfons Ammetsberger, maßgeblicher Organisator der italienischer Nacht, erweist sich während dieses bunten Abends als Spießbürger, der seine Frau Adele in der Öffentlichkeit bloßstellt und gängelt. Martin, mit seinen jungen Kameraden, verfolgt stumm und mürrisch die aufwendig eingeübten Darbietungen der republikanischen Laienkünstler während der italienischen Nacht. Als die jungen Klassenkämpfer dann doch zur kleinkalibrigen Bewaffnung gegen die militanten Faschisten aufrufen, kommt es zum Eklat. Ammetsberger schließt Martin und Kameraden von der italienischen Nacht aus.

6

Martin bezeichnet sich gegenüber einem angereisten Magdeburger Genossen als den offiziellen Führer vor Ort und verjagt kraft seines Amtes den Fremden. Und Martin sagt sich von Karl los, weil dieser den Klassenkampf mit Leni - entgegen vorheriger Abmachung - auf dem Tanzparkett führte. Anna kommt von ihrem Faschisten mit einem verräterischen Fleck am Hals aus dem finsteren Park zurück und trifft auf einen verärgerten Martin. Anna berichtet, die Faschisten wollen den italienischen Abend stürmen. Martin verkraftet zwar den bevorstehenden Sturm, nicht aber den „Überfall“ des Faschisten auf seine Freundin Anna. Karl kann die Zurückweisung durch Martin nicht wegstecken, aber Leni tröstet ihn. Mit ihrem Geld wollen sie eine Kolonialwarenhandlung gründen.

7

Nach dem o.a. Eklat war die italienische Nacht zu Ende. Nur Ammetsberger und seine älteren Genossen halten aus Prinzip die Stellung bis zur Polizeistunde. Da kommt der Wirt mit der Hiobsbotschaft. Das Häuflein der Republikaner im Lokal ist von den Faschisten eingekreist und wird sogleich Prügel für die Schändung des Denkmals im Park beziehen. Ammetsberger will sich davonmachen. Seine Frau Adele stellt nun ihrerseits seine Feigheit bloß, bleibt jedoch die vom Ehemann brutal unterdrückte Frau. Die Lage der Umzingelten ist aussichtslos. Die alten Genossen sind an ihrer Situation selber schuld. Warum haben sie auch ihre jungen, kräftigen Genossen nausgeworfen? Trotzdem wollen sie lieber Prügel als feig[12] sein. Martins überstürzter Ausschluß soll rückgängig gemacht werden. Er und sein starker Anhang seien doch gar nicht so schlecht; auf alle Fälle seien die jungen Männer wehrhaft. Ammetsberger versteht die eigenen Genossen nicht mehr und will sich aus dem politischen Leben zurückziehen. Ein Major kommt mit zwei Faschisten und zwingt den roten Stadtrat Ammetsberger zu einem schriftlichen Statement: Er sei ein ganz gewöhnlicher Schweinehund.[13] Adele tritt forscht für ihren Mann ein und schlägt die Ankömmlinge in die Flucht. Als klar wird, dass die Faschisten draußen vor Martin und seinen Kameraden gewichen sind, bekommt Ammetsberger sofort wieder Oberwasser.

Zitat

Pflichten verpflichten.[9]

Selbstzeugnis

Der Autor zu seinem Stück: Es geht gegen die Masse der Politisierenden.[14]

Rezeption

  • Geladene Gäste, auch die Nazis Hinkel und Bronnen, applaudierten der Berliner Uraufführung.[2]
  • Ernst Heilborn nennt das Stück einen Bierulk.[15]
  • Felix Hollaender äußert sich unzufrieden. Es reiche nicht, aufzuzeigen, daß die politische Welt eine Narrenbude ist.[15]
  • Arthur Eloesser bescheinigt Horváth Talent.[15]
  • Kerr lacht sich über die „Italienische Nacht“, den besten Zeitspaß dieser Läufte[16], krank.[17]
  • Hildebrandt[18] bespricht den Schlusssatz des Lustspiels: Die Republik kann ruhig schlafen![19] mit Hinweis auf die Arglosigkeit der Republikaner und zitiert den Kommentar des Völkischen Beobachters zur „Italienische Nacht“: Wird sich der Ödön noch wundern!
  • Frauen werden aus dem politischen Leben ausgeklammert, konstatiert Führich.[20]
  • Der Revolutionär Martin entpuppt sich als politischer Spießer, wenn er… nicht einmal einen anderen deutschen Dialekt aushält.[21]

Verfilmung

1965 verfilmte Michael Kehlmann das Stück für das Fernsehen (mit Oskar Sima als Stadtrat Ammetsberger, Jane Tilden als seine Frau Adele, Hans Clarin als Karl, Herta Staal als Leni, Walter Kohut als Martin, Hertha Martin als Anna und Kurt Horwitz als Major).[22]

Weblinks

Literatur

Quelle

  • Ödön von Horváth: Dramen. S. 81-136. Verlag Volk und Welt. Berlin 1969 (Lizenz: Thomas Sessler-Verlag GmbH, München). 384 Seiten

Sekundärliteratur

  • Dieter Hildebrandt: Ödön von Horváth. Reinbek bei Hamburg 1975. Nachauflage: Mai 1989. 145 Seiten, ISBN 3-499-50231-3
  • Traugott Krischke: Ödön von Horváth. Kind seiner Zeit. S. 96-105. München 1980. Nachauflage: Berlin 1998. 336 Seiten, ISBN 3-548-26525-1
  • Angelika Führich: Aufbrüche des Weiblichen im Drama der Weimarer Republik. Brecht - Fleißer - Horváth - Gmeyner. S. 72-83. Heidelberg 1992. Diss. Uni Pennsylvania Pa. 1989. 118 Seiten, ISBN 3-533-04494-7
  • Kurt Bartsch: Ödön von Horváth. S. 72-78. Stuttgart 2000. 195 Seiten, ISBN 3-476-10326-9
  • Deutsche Literaturgeschichte. Band 9. Ingo Leiß und Hermann Stadler: Weimarer Republik 1918 - 1933. S. 308-314. München im Februar 2003. 415 Seiten, ISBN 3-423-03349-5
  • Gero von Wilpert: Lexikon der Weltliteratur. Deutsche Autoren A - Z. S. 292-293. Stuttgart 2004. 698 Seiten, ISBN 3-520-83704-8

Einzelnachweise

  1. Hildebrandt S. 102
  2. a b Krischke S. 102
  3. Bartsch S. 72
  4. Hildebrandt S. 128
  5. Bartsch S. 73
  6. Horváth S. 22
  7. Krischke S. 96-102
  8. Leiß und Stadler S. 313
  9. a b Horváth S. 95
  10. Horváth S. 98
  11. Horváth S. 96
  12. Horváth S. 131
  13. Horváth S. 135
  14. Krischke S. 105
  15. a b c Krischke S. 103
  16. Hildebrandt S. 65
  17. Krischke S. 104
  18. Hildebrandt S. 66
  19. Horváth S. 136
  20. Führich S. 72
  21. Bartsch S. 77
  22. IMDb

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