Amazonomachie

Amazonomachie
Dieser Artikel behandelt den mythischen Volksstamm – zu anderen Bedeutungen siehe Amazone (Begriffsklärung).
Amazone bereitet sich auf die Schlacht vor, v. Pierre-Eugène-Emile Hébert, 1872

Amazonen im engeren Sinne ist der Name, den die Griechen einem in den Mythen matriarchalisch organisierten, angeblich in Anatolien und am Ostufer des Schwarzen Meeres lebenden Volk gaben. Später wurde dieser Name auch für ein mythisches Frauenvolk in Nordafrika verwendet.

In der westlichen Moderne, vor allem in der Popkultur, wird der Begriff „Amazonen“ auch für alle weiblichen Krieger und Gesellschaften benutzt, in denen es nur Frauen gibt oder in denen Frauen deutlich im Vordergrund stehen. Überdies gibt es eine These, dass die Amazonen Namensgeber für den südamerikanischen Amazonas-Fluss waren.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft des Namens

Oft wurde die griechische Bezeichnung „Amazone“ auf a-mazos (brustlos) zurückgeführt. Denn die Amazonen sollen ihren kleinen Töchtern – laut einigen späteren Quellen – die rechte Brust ausgebrannt haben, damit diese später den Bogen ungehindert abschießen konnten. Wahrscheinlicher ist aber, dass die Amazonen über der rechten Brust ein Lederdreieck trugen, welches die Brust flach drückte. Damit konnte die Sehne des Bogens ungehindert gespannt werden. Dies erweckte den Eindruck von „Einbrüstigen“.

Allerdings wurden Amazonen in den griechischen Darstellungen gewöhnlich mit zwei Brüsten wiedergegeben. Die Herleitung von a-mazos wird in der Forschung daher mittlerweile überwiegend abgelehnt und ist nicht die einzige vorgeschlagene mögliche Deutung des Namens.

So wird der Name zum Beispiel auch von a-mazas (brotlos) hergeleitet. Es ist überliefert, dass der Verzehr von Brot bei den kaukasischen Amazonen als verweichlicht galt. Deshalb bekamen nur ihre männlichen Sklaven Brot, während die kämpferischen Frauen eiweiß- und vitaminreiche Kost wie Fisch, Früchte und Fleisch bevorzugten.

Ebenfalls denkbar ist eine Herleitung von zone (Gürtel). Ama-zone könnte demnach etwa „wohlgegürtet“ bedeuten und auf die Tracht der Amazonen anspielen. Diese Deutung steht in Zusammenhang mit Herakles' Abenteuer bei den Amazonen, denn seine Aufgabe hierbei war die Beschaffung des Zaubergürtels der Hippolyte, der Königin der Amazonen (s. u.).

Das Synonym für Amazonen bedeutet „Antianeirai“, was soviel wie männerhassend oder männerfeindlich bedeutet. Homer benutzt dieses Wort für die Amazonen in seinem Werk Ilias.

Wissenschaftler sprechen auch von dem indo-iranischen Wort Hamazan (Kämpferin) als Herkunft des Namens.

Amazonen in der griechischen Mythologie und in sonstigen griechischen Quellen

Zwei Amazonen im Kampf mit einem Griechen, Athen, ca. 4. Jahrhundert v. Chr.
Feuerbachs Amazonenschlacht

Der antike Dichter Homer nennt die Amazonen in seiner im 8. Jahrhundert v. Chr. verfassten Ilias an zwei Stellen:

  1. Im Zusammenhang mit dem Bellerophon-Mythos (Ilias VI,186), bei dem der griechische Held Bellerophon bei seinem Aufenthalt in Lykien u.a. gegen Amazonen kämpfte.
  2. Priamos, der König von Troja, kämpfte in seiner Jugend auf Seiten der Phryger, als diese von Amazonen angegriffen wurden (Ilias III, 184ff.). Eine Sage, die diesen Kampf schildert, ist nicht erhalten. Homer setzte sie jedoch beim Leser als bekannt voraus, wie auch die Mythen um die Amazonen selber. Es liegt demnach nahe, dass Amazonensagen schon vor Homer existiert haben.

In etwas späteren Quellen erfahren wir, dass die Amazonen ihre Hauptstadt Themiskaia am Fluss Thermodon im Pontos-Gebiet (Nordost-Kleinasien) gehabt haben sollen. Archäologische Untersuchungen konnten diese mythologische Darstellung allerdings bislang nicht bestätigen – wobei anzumerken ist, dass diese Region archäologisch noch schlecht erforscht ist. Auch die Berichte aus deutlich späteren antiken Quellen, wonach Kappadokien, Samothrake und Lesbos von „Amazonenstämmen besetzt gehalten“ wurde, entspricht nicht den philologischen und archäologischen Fakten. Zwar wurde – der Sage nach – auf der Insel Lesbos die unter Griechen übliche männliche Homosexualität von einer weiblichen Homosexualität nachgeahmt (daher der Begriff „lesbisch“), dennoch handelte es sich hier um mythische griechische Stämme und nicht um die aus der Sagenwelt stammenden Amazonenstämme.

Im Epos Aithiopis, das an die Dichtungen von Homer anschließt, wird folgende Episode berichtet: Während des trojanischen Krieges, als die Amazonen schon nicht mehr so mächtig waren, sollen sie unter ihrer Königin Penthesilea den Trojanern zu Hilfe gekommen sein und die Griechen in arge Bedrängnis gebracht haben. Mit herben Anstrengungen und durch das Eingreifen Achills siegten die Griechen. Penthesilea fiel im Kampf gegen Achilles.

Kaukasus mit Siedlungsgebieten von Sarmaten und Amazonen

In der Argonautensage, die nur in der späten Version des 3. Jahrhunderts v. Chr. erhalten ist, heißt es, dass die Argonauten – eine Gruppe von 52 bedeutenden griechischen Heroen mit ihrem Schiff, der Argo – auf dem Weg nach Kolchis nicht wagten, an bestimmten Abschnitten der kleinasiatischen Schwarzmeerküste, zum Beispiel am Fluss Thermodon, an Land zu gehen, weil dort Amazonen lebten.

Amazone

Herodot (484–425 v. Chr.) schrieb in seinen Historien (4.21-117), die zwischen Kaspischem und Schwarzem Meer ansässigen Sauromaten (Vorgänger der Sarmaten) wären aus einer Vermischung von Skythen und Amazonen entstanden. Vor einigen Jahren ist in diesem Gebiet (bei Pokrovka) tatsächlich ein Gräberfeld aus dem 6.-4. Jahrhundert v. Chr. entdeckt worden (s. u. und Weblinks). Die ausführlich von Herodot geschilderte schöne Geschichte von der Verbindung von Amazonen und Skythen im Bereich der Krim und deren Auswanderung in das spätere Gebiet der Sauromaten enthält jedoch einen Anachronismus: Die Skythen – so Herodot an anderer Stelle selbst – sind erst im späten 8. Jahrhundert v. Chr. ins Schwarzmeergebiet vorgedrungen, zu einer Zeit, in der Amazonen in Nordanatolien nicht mehr anzutreffen waren. Eventuell lässt Herodot die Amazonen einfließen, weil dies beim Leser die – aus griechischer Sicht höchst ungewöhnliche – gleichberechtigte Stellung der Frau bei den Sauromaten/Sarmaten verständlicher macht.

An anderer Stelle betont Herodot die aus seiner Sicht ungewöhnlichen Bräuche der Lykier, die in Südwest-Kleinasien lebten (Herodot I,173): Sie sollen sich noch zu seiner Zeit nach ihren Müttern benannt haben. Außerdem richtete sich der Status eines Kindes nach dem Status der Mutter. War sie aus dem Bürgerstand, bekamen automatisch auch ihre Kinder Bürgerrechte, selbst wenn der Vater ein Sklave war. War ihre Mutter hingegen unfrei, so bekamen auch die Kinder keine Bürgerrechte, selbst wenn der Vater ein noch so angesehener Bürger war. Dies deutet auf eine ehemals sehr hohe Stellung der Frau in dem Teil Lykiens, den Herodot bereist hat. Die mütterrechtlichen Regelungen mögen Herodot auf die Idee gebracht haben, es handele sich hierbei um Nachfahren des Sagenvolkes der Amazonen.

Theseus, sagenhafter König von Athen, soll die Amazonenkönigin Antiope, Schwester von Hippolyte, entführt, mit nach Athen genommen und dort zu seiner Frau gemacht haben. Aus Rachelust drangen die Amazonen daraufhin in Griechenland ein, plünderten einige Städte an der Küste und belagerten Athen. Bei den Kämpfen wurde Antiope getötet. Diese Sage hat mit Sicherheit kaum Wahrheitsgehalt. Eine Belagerung Athens durch kleinasiatische Stämme ist nicht nachgewiesen und sehr unwahrscheinlich. Doch lässt eine solche Sage Athen in hellerem Licht erstrahlen: es klingt gut, wenn man darauf verweisen kann, in grauer Vorzeit der Belagerung durch ein Volk standgehalten zu haben, vor dem selbst die schimmerndsten Heroen großen Respekt hatten.

Eine weitere Sage berichtet, dass die Amazonenkönigin Hippolyte von Herakles (Herkules) erschlagen wurde, der ins Amazonenland aufbrach, um den Zaubergürtel der Königin zu erlangen. Obwohl beide Seiten keine kriegerischen Absichten hatten, kam es durch ein Missverständnis zum Kampf, in dessen Verlauf Herakles die Königin und einige weitere Amazonen tötete. Voller Ehrfurcht vor diesem starken Helden händigten die überlebenden Amazonen Herakles den Gürtel daraufhin aus.

Ferner gibt es eine Reihe von Gründungslegenden, in denen Amazonen eine Rolle spielen: So gründeten sie unter anderen die Städte Kyme, Myrne und Paphos. Auch den Tempel der Artemis in Ephesos soll ursprünglich von Amazonen mitgegründet worden sein. Es war in der Antike üblich, sich Völker und Gruppen aus der Sagenwelt als Ahnherren zu wählen. Dies hatte den Vorteil, dass man sich auf eine ältere Vergangenheit berufen konnte, als es der Wirklichkeit entsprach, ohne mit einem tatsächlich historischen Volk in Konflikt darüber zu geraten.

Die griechischen Mythen erwähnen auch verschiedene Inseln, auf denen zeitweise Frauen ohne Männer gelebt haben sollen. Die Frauen dort hatten nur zu bestimmten Zeiten mit den Männern benachbarter Siedlungen Kontakt, um von ihnen geschwängert zu werden. Diese Frauengemeinschaften werden aber nicht konsequent als „Amazonen“ bezeichnet. Zum Beispiel die Inseln Tamnos, Lemnos und Lesbos (s. o.) sollen zeitweise solche „Fraueninseln“ gewesen sein. Die Frauen von Tamnos sollen demnach ihrer Göttin in einem rituellen Menschenopfer alle Männer, die an ihren Küsten landeten, geopfert haben. Über die Frauen von Lemnos wurde gesagt, sie hätten sich gegen ihre Männer erhoben und alle gleichzeitig ermordet.

Die künstlerische Darstellung von kriegerischen Handlungen, in die auch Amazonen involviert sind, wird „Amazonomachie“ genannt.

Amazonen in der römischen Mythologie

Der griechische Historiker Diodorus Siculus, der sich längere Zeit in Rom und in Ägypten aufhielt, erwähnt im 1. Jahrhundert v. Chr. Amazonen in Nordwest-Afrika, die lange vor den kleinasiatischen Amazonen gelebt und ganz Nordafrika unterworfen haben sollen. In deren Zusammenhang spricht man auch von „libyschen Amazonen“, die bereits von Herodot erwähnt wurden. Diodor widerspricht sich jedoch in einem späteren Abschnitt seines Werks, denn dort fließen asiatische und libysche Amazonen, die er vorher strikt trennt, ineinander über. Demzufolge sollen die Amazonen von Kleinasien aus einige Inseln der Ägäis angegriffen und später Athen belagert haben.

Der römische Historiker Sueton schrieb im 1. Jahrhundert, dass die Amazonen „einst einen großen Teil Kleinasiens beherrschten“, allerdings meinte er wohl die Skythen. Noch im 5. Jahrhundert wurde das Schwarze Meer auch „Amazonenmeer“ genannt.

Sonstige Hinweise auf Amazonen

In zwei demotischen Papyri aus Ägypten werden Unternehmungen des Pharaos Petubastis I. (ca. 818–793 v. Chr.) geschildert, bei denen er u.a. mit Amazonen unter einer Königin namens Sarpot kämpft. Später führen Ägypter und Amazonen gemeinsam Krieg gegen das Land Hintu. Diese Geschichten sind aber lange nach Petubastis entstanden und können demnach nicht als „außergriechische“ Hinweise für eine reale Existenz der Amazonen angesehen werden. Es ist nicht auszuschließen, dass diese Erzählungen von griechischen oder orientalischen Mythen beeinflusst wurden.

Um einen realen Kern in den Amazonenmythen ausmachen zu können, würden zeitgenössische Schriftquellen benötigt, denn selbst für den Sagendichter Homer lebten die Amazonen „in grauer Vorzeit“. Assyrische Quellen liefern keine Hinweise auf Amazonen. Die vielen hethitischen Texte aus den Archiven von Hattuša und Ugarit datieren zwar ins 15. bis 13. Jahrhundert v. Chr. – der Zeit also, in der die meisten griechischen Sagen spielen dürften. Jedoch konnten in ihnen keinerlei Hinweise auf das Sagenvolk der Amazonen gefunden werden. In hethitischen Quellen wird auch nur selten Nordost-Anatolien erwähnt, und es ist heute noch ungeklärt, welche Völker dort in der späten Bronzezeit siedelten. Außerdem lässt sich diesen Quellen nur sehr wenig über die Gesellschaftsstrukturen, Sitten usw. der hethitischen Nachbarn entnehmen.

Hypothesen zum realen Kern der mythischen Amazonen

Leonhards Gleichsetzung mit den Hethitern

Walther Leonhard hat 1911 eine Gleichsetzung der Amazonen mit den Hethitern postuliert [1]. Eine solche Identifikation würde zwar zwei Probleme lösen: Die Hethiter waren ein mächtiges reales Volk, das griechische Quellen jedoch mit keiner Silbe erwähnen; die Amazonen dagegen sind ein archäologisch nicht fassbares Volk, das eine große Rolle in Schrifttum und Kunst der Griechen spielte. Zudem waren rechtlich bei den Hethitern die Frauen den Männern gleichgestellt, was bei indogermanischen Völkern ungewöhnlich war.

Gegen diese Theorie sprechen jedoch schon die Tatsachen, dass erstens das Kerngebiet der Hethiter Zentral-Anatolien und nicht das Pontos-Gebiet war, und zweitens hethitische Frauen nicht mit in den Krieg zogen. Die Theorie Leonhards ist daher abgelehnt worden und wird nicht mehr vertreten.

Die Forschungen von Jeannine Davis-Kimball

Es wird für möglich gehalten, dass die realen Vorbilder für die Amazonen bei den Griechen Stämme der Skythen oder Sarmaten waren. Vor einiger Zeit fanden der russische Archäologe Leonid Jablonskij und seine amerikanische Kollegin Jeannine Davis-Kimball in Südrussland und der Ukraine zahlreiche Gräber (Kurgane) skytischer oder sarmatischer Frauen, die mit Waffen und Rüstungen begraben wurden. Ein wichtiger Fundort ist eine Nekropole bei Pokrovka. Zwischen ca. 600 v. Chr. und 300 v. Chr. wurden hier den weiblichen Gräbern sogar mehr Waffenbeigaben als den männlichen beigefügt. Im letzten Drittel der Belegungsphase wurde die Nekropole von Sarmaten benutzt. Einige Waffen weisen Gebrauchsspuren auf, sind also sehr wahrscheinlich auch benutzt worden.

In weiteren Gräbern wurden 2500 Jahre alte Frauenskelette, die anatomisch auffällig waren, entdeckt. Zum einen waren ihre Oberschenkelknochen gebogen und ihre Steißbeine gestaucht. Sie waren also viel geritten. Zum anderen wurden als Grabbeigaben unter anderem auch Waffen gefunden. Andere anatomische Auffälligkeiten, wie etwa durch Hiebe und Stiche in einem Kampf verursachte Verwundungen, wiesen die Skelette nicht auf. Es mag sich also um rein rituell-symbolische Grabbeigaben handeln. Es wurde jedoch auch ein weiteres „Amazonengrab“ entdeckt, das nicht nur Schmuckstücke wie Dutzende von Goldperlen, Goldbroschen und einen Ohrring, sondern auch mehr als 110 Pfeilspitzen enthielt. Die große Anzahl der Pfeilspitzen lässt die Forscher vermuten, dass es sich bei der Toten um eine berittene Kriegerin handelte.

Wahrscheinlich handelt es sich um die Gräber der von Herodot (s. o.) genannten Sauromaten – zumindest was die Nekropole bei Pokrovka angeht.

Dass diese Stämme der Sarmaten und Skythen mit den mythischen Amazonen identisch sind oder auch nur die Amazonenerzählungen und -darstellungen stärker beeinflusst haben, wie Davis-Kimball meint, ist jedoch äußerst zweifelhaft. Ebenso ihre – mittlerweile auch im Deutschen Fernsehen verbreitete – ethnologischen und genetischen Untersuchungen, die darin gipfeln, dass sich Spuren der „Amazonen“ bis in die Mongolei nachweisen lassen, wo Davis-Kimball ein kleines Mädchen getroffen hat, das genetisch Nachfahrin dieses Volks ist. Wenn sich Spuren skythischer, sarmatischer oder sonstiger Stämme, bei denen Frauen hochgestellt waren, bis heute verfolgen lassen, hat das kaum etwas mit den Amazonen zu tun. Denn das Bindeglied zwischen diesen Völkern und den Amazonen der griechischen Sagen fehlt. Davis-Kimballs Argument, auf griechischer Vasenmalerei begegneten Amazonen als Motiv ab dem 6. Jh. v. Chr. – als die Griechen von diesen Völkern angeblich erfuhren – in stark zunehmendem Maße, ist schwach: Erst im Laufe des 5. Jh. hört Herodot von den Sauromaten. Zudem ist es in der griechischen Kunst üblich, alte oder mythische Völker so darzustellen, wie zeitgenössische Völker aus ungefähr derselben Gegend bekleidet und bewaffnet waren. Dass daher Amazonen ähnlich den Skythen (oder auch Parthern) dargestellt werden, ist als normal anzusehen. Davis-Kimballs Forschungen belegen daher lediglich, dass es zwischen dem 6. und 3. Jh. v. Chr. in den genannten Gebieten Südrusslands, der Ukraine und Kasachstans Völker gab, bei denen Frauen offenbar eine gesellschaftlich hohe Stellung hatten und mit Waffen kämpften. Eine Verbindung zu den viel früher lebenden – falls realen – Amazonen der griechischen Mythologie lässt sich jedoch nicht nachweisen.

Erinnerungen an matriarchale Völker in Kleinasien

Einige Forscher gehen davon aus, dass die Amazonensagen auf Erinnerungen fußen, die frühe Ereignisse widerspiegeln, bei denen Griechen im kleinasiatischen Raum auf matriarchal regierte Völker getroffen und in Kämpfe verwickelt worden sind. Später seien diese Erinnerungen immer mehr ausgeschmückt worden. Diese Hypothese geht von einem (kleinen) realen Kern der Amazonensagen aus, sagt jedoch nicht, wann und wo und bei welcher Gelegenheit Griechen auf solche Völker getroffen sind. Die Kontakte mit diesen matriarchal regierten Völkern müssen aber vor der Mitte des 8. Jahrhunderts v. Chr. gewesen sein, denn Homer sind Erzählungen über Amazonen schon bekannt (s. o.). Zudem haben Griechen im Zuge der Kolonisation der Kleinasiatischen Schwarzmeerküste (spätestens ab dem dritten Viertel des 7. Jahrhunderts v. Chr., vorher schon präkolonialer Handel) solche Völker oder deren Spuren dort nicht mehr angetroffen. Folglich müssen von dieser These angenommene Kontakte vor Mitte des 8. Jahrhunderts stattgefunden haben und matriarchal regierte Völker Mitte des 7. Jahrhunderts nicht mehr existiert haben.

„Amazonen“-Völker in der nordischen Welt

Auch die Walküren, die Botinnen Wotans aus Walhalla in der nordischen Sagenwelt, werden von Feministinnen als Amazonen betrachtet. Allerdings handelte es sich bei den Walküren ursprünglich um Totengeister, die erst in spätgermanischen Mythen vermenschlicht wurden. Unter den Wikingern gab es insofern „Amazonen“, als es weibliche Kampfgefährtinnen der Wikinger gab, die auch das Schwert ergriffen. Die norwegische Flotte, die im 10. Jahrhundert in Irland einfiel und Ulster niederbrannte, wurde von einer Kriegerin angeleitet, die „die rote Frau“ genannt wurde. Es handelte sich bei dieser Frau um die Tochter eines bedeutenden Wikingers, die auf einem Rachefeldzug Stammeskrieger auf die irische Insel führte.

Im keltischen Irland selbst war es bis ins 7. Jahrhundert nicht verboten, wenn Frauen ihre Männer als Kampfgefährtinnen unterstützten, dann wurde den Frauen von der christlichen Kirche das Tragen von Waffen verboten. In den Ländern um das Schwarze Meer herum trugen einzelne Frauen bis ins 18. Jahrhundert hinein Männerkleider, ritten rittlings und kämpften an der Seite der Männer. Ihr taktischer Wert war aufgrund ihrer geringeren Körperkraft allerdings gering, und ihre Verwendung war dem der jugendlichen Verbände gleichgestellt.

„Amazonen“-Völker in anderen Regionen der Welt

Auch auf anderen Kontinenten gab es „Amazonenvölker“. So zeigte sich zum Beispiel Christoph Kolumbus beeindruckt von den Arawak-Frauen auf Santa Cruz, die in der Armee mitkämpften. Der Fluss Amazonas wurde möglicherweise nach den Amazonen benannt, weil die Spanier glaubten, in das sagenumwobene Land des griechischen Mythos gelangt zu sein. Es gibt jedoch auch andere Theorien für den Ursprung des Namens. Die „Amazonen“ wurden zwar von Francisco de Orellana in der Gonzalo-Pizarro-Expedition beschrieben, doch die Existenz wird angezweifelt. Wie schon bei den Griechen ist es schwierig, Geschichte und Legenden auseinanderzuhalten.

Literatur

  • Jochen Fornasier: Amazonen. Frauen, Kämpferinnen, Städtegründerinnen. Zabern, Mainz 2007, ISBN 978-3-8053-3784-7.
  • Gerhard Pöllauer: Die verlorene Geschichte der Amazonen. Neueste Forschungserkenntnisse über das sagenumwobene Frauenvolk. AT Verlag, Klagenfurt 2002, ISBN 3-902096-88-8.
  • Lyn Webster Wilde: Amazonen. Auf den Spuren kriegerischer Frauen und göttlicher Frauen. Europa-Verlag, Wien 2001, ISBN 3-203-84040-5.
  • Gabriele Frohnhaus, Barbara Grotkamp-Schepers, Renate Philipp (Hrsg.): Schwert in Frauenhand. Weibliche Bewaffnung. Klartext, Essen 1998, ISBN 3-88474-693-6.
  • Manfred Hammes: Die Amazonen. Vom Mutterrecht und der Erfindung des gebärenden Mannes. Fischer Taschenbuch, Frankfurt 1981, ISBN 3-596-23043-8-
  • Andreas David Mordtmann: Die Amazonen. Ein Beitrag zur unbefangenen Prüfung und Würdigung der ältesten Ueberlieferungen. Hahn, Hannover 1862 (Digitalisat)
  • Maximilian Steiner: Üeber den Amazonen-Mythus in der antiken Plastik. Weigel, Leipzig 1857 (Digitalisat)
  • Friedrich Nagel: Geschichte der Amazonen. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1838 (Digitalisat)

Englisch:

  • Jeannine Davis-Kimball: Warrior Women: An Archaeologist's Search for History's Hidden Heroines. Warner Books, New York 2002, ISBN 0-446-52546-4.

Quellen

  1. W. Leonhard, Hethiter und Amazonen. Die griechische Tradition über die 'Chatti' und ein Versuch ihrer historischen Wertung, 1911.

Weblinks


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