Islamisierung

Islamisierung

Islamisierung bezeichnet die Einführung des Islams als vorherrschende Religion in zuvor mehrheitlich nicht islamisch geprägten Regionen oder Ländern. Historisch fand sie vor allem durch die islamische Expansion im Mittleren und Nahen Osten sowie auf der iberischen Halbinsel im 7.-10. Jahrhundert statt.

Unter Re-Islamisierung wird die Rückbesinnung auf religiöse Werte und Traditionen verstanden, wie sie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in einigen islamisch geprägten Ländern ihren Ausgangspunkt nahm.[1]

Inhaltsverzeichnis

Historische Islamisierung

Anders als die Konversion einer einzelnen Person zum Islam umfasst der Begriff "Islamisierung" einen Umwandlungsprozess in historisch-politischer Dimension - teilweise analog zur Christianisierung.

Historisch führte die islamische Expansion zur Islamisierung der jeweiligen Gebiete unter islamischer Herrschaft: Zwar bestand aufgrund der hohen Bedeutung der Dschizya für die damaligen muslimischen Steuereinnahmen von Seiten der muslimischen Herrscher wenig Interesse an einer Konversion von Nicht-Muslimen zum Islam,[2] aber aufgrund ihres niedrigeren Rechtsstatus als nicht-muslimische Schutzbefohlene zogen diese oft dennoch eine Konversion zum Islam vor. Gegen die maurische Herrschaft in Spanien richtete sich seit dem Hochmittelalter die Reconquista, durch die alle Muslime und Juden vertrieben oder zwangschristianisiert wurden. (siehe auch: Conversos)

Die letzte Islamisierung auf europäischem Boden fand ab dem 15. Jahrhundert durch die Osmanen auf dem Balkan (Bosniaken, Albaner) statt, während sie in Griechenland durch den starken kulturellen Widerstand gegen die osmanische Vorherrschaft nur sehr begrenzt wirkte. Durchaus sind jedoch auch in diesen Gebieten Einflüsse auf die Bildende Kunst, auf die Musik (z.B. zahlreiche Opern) und auf die Küche festzustellen.

Siehe auch: Islam in Europa

Ausbreitung des Islams im Europa der Gegenwart

Die Daten für Prognosen sind nicht ausreichend vorhanden, da es nur in wenigen europäischen Ländern aktuelle oder gesicherte Zahlen über den Anteil von Muslimen an der Gesamtbevölkerung gibt. Eine Reihe von Ländern, darunter Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Ungarn, Italien, Luxemburg und Spanien, stellen die Frage nach dem Glaubensbekenntnis weder in Volkszählungen noch anderen offiziellen Dokumenten. In Deutschland wurde diese Frage zuletzt bei der Volkszählung im Jahr 1987 erhoben[3]. Oftmals werden Menschen, deren Vorfahren aus islamisch geprägten Ländern stammen, automatisch hierzu gezählt.'[4]

Warnungen vor einer Islamisierung in Europa

Die Warnung vor einer Islamisierung Europas findet sich regelmäßig in rechtspopulistischen Kreisen und wird mit nationalistischen Motiven und dem Beklagen drohender „Überfremdung“ und „Umvolkung“ verknüpft. In Antwerpen in Belgien stellten im Januar 2008 die Politiker Heinz-Christian Strache (Freiheitliche Partei Österreichs) und Filip Dewinter (Vlaams Belang) sowie Markus Beisicht von der Bürgerbewegung pro Köln eine „Europäische Städteallianz gegen Islamisierung“ vor[5]. Ihre Forderungen umfassen unter anderem die Eintragung der Religionsgemeinschaft in jedem Reisepass und die Sammlung von Fingerabdrücken von „Personen mit islamischem Hintergrund“. Strache zeigte sich „entsetzt über den Islamisierungs- und Überfremdungsgrad“ Antwerpens und forderte einen sofortigen Einwanderungsstopp, da nur so „Europa jetzt noch vor dem drohenden Untergang“ zu retten sei[6].

Im Zusammenhang mit der These einer Islamisierung Europas wird vor gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen gewarnt, die dadurch bedingt sein sollen. Der französische Philosoph Robert Redeker warnt etwa vor einer „Islamisierung des Denkens“ und nennt als Beispiele dafür „in den öffentlichen Badeanstalten Schwimmzeiten nur für Frauen, das Verbot, diese Religion zu karikieren, der Anspruch auf einen Sonderspeiseplan für muslimische Kinder in den Schulkantinen, der Kampf für das islamische Kopftuch an den Schulen“ und schließlich den „Vorwurf der Islamophobie gegen alle freien Denker“[7].

Manche Vertreter der These unterscheiden dabei zwischen dem Islam bzw. den Muslimen im Allgemeinen, dem orthodoxen Islam und dem islamischen Fundamentalismus. So meint etwa der Göttinger Soziologe und Moslem Bassam Tibi: „Wer sich in der Islam-Diaspora Europas auskennt, weiß, dass nicht nur die Islamisten von einem islamischen, von der Scharia beherrschten Europa träumen; auch orthodoxe Moslems tun dies und rechnen Europa durch demographische Islamisierung durch Migration zum Dar al-Islam/Haus des Islam.“, fügt aber hinzu, es gehe „nicht darum, den Islam aus Europa zu entfernen, sondern ihn mit Europa als Euro-Islam zu versöhnen.“[8]

Der Begriff „Islamisierung“ wird aber auch von Konservativen verwendet. So schrieb Beat Christoph Bäschlin, Mitarbeiter im Schweizer Innenministerium und Autor in der Wochenzeitung Junge Freiheit, im Jahr 1990:

„Frankreich ist der Brückenkopf der islamischen Invasion. Deshalb ist Frankreich heute eine tödliche Gefahr für Europa. Seine meinungsmachende und politische Führungskaste betreibt eine systematische und äußerst wirksame Förderung der afrikanisch-asiatischen Einwanderung. Früher oder später werden sich die in Frankreich eingesickerten Einwanderermassen in das übrige Europa ergießen. [...] Bei der Abwürgung der Nationalstaaten und staatlichen Nationalismen war der Einwanderung eine grundlegende Rolle zugedacht: eine Art einheitlichen europäischen Staatsvolkes war programmiert. Bis 1993 sollte jeder französische oder sonstige Nationalismus überwunden sein und eine Art gesamteuropäischer Menschenrasse sollte entstehen. Durch eine massive Einspritzung von arabisch-schwarzafrikanischen Elementen sollte eine vereinheitlichte Tönung europaweit erreicht werden.“

Beat Christoph Bäschlin: Der Islam wird uns fressen! Der islamische Ansturm auf Europa und die europäischen Komplizen dieser Invasion. Selvapiana-Verlag, 1990. S. 11

Auch Edmund Stoiber (CSU) warnte vor einer schleichenden Islamisierung Deutschlands und forderte in dem Zusammenhang den Schutz muslimischer Mädchen vor Zwangsehen, dass in den Moscheen auf Deutsch gepredigt werden solle und die muslimischen Gemeinden sogenannte „Ehrenmorde“ ächten und Extremisten in den eigenen Reihen der Polizei melden sollen[9].

Kritik des Begriffes „Islamisierung“

Kritiker werfen Anhängern der Islamisierungsthese vor, sie würden aufgrund xenophober Reflexe das Fremde für schlecht halten und erlägen alten Überfremdungsängsten.[10] Diese Gegenposition erkennt keine Islamisierung, sondern eine sogenannte Islamophobie.

Außerdem wird von Kritikern darauf hingewiesen, dass die Zukunftsszenarien weitgehend spekulativ seien und sich keine stichhaltigen Aussagen über die Entwicklung treffen ließen.[11] Darüber hinaus sei auch kein ausreichendes Datenmaterial vorhanden, um eine Prognose über die künftige Bevölkerungsentwicklung der Muslime zu treffen. So fehlten genaue Angaben dazu, wie viele Muslime heute in europäischen Ländern leben. Vielmehr wurden im Sommer 2010 Studien veröffentlicht, nach denen sich Migrantinnen an die deutsche Geburtenrate anpassen.[12]

Zwangsislamisierung

Die Zwangsislamisierung bezeichnet die erzwungene Konversion zum Islam. Nach klassischem islamischem Recht ist sie bei Polytheisten[13] sowie vom Islam Abgefallenen[14] als auch unter bestimmten Umständen bei Frauen, Kindern und Kriegsgefangenen[15] erlaubt: Sie können vor die Wahl zwischen der Annahme des Islams oder dem Tod gestellt werden. In der gegenwärtigen islamischen Welt findet dies - von einzelnen Staaten, die für den Abfall vom Islam die Todesstrafe vorsehen, abgesehen - keine Anwendung mehr.

Als der islamische Religionsstifter Mohammed 632 n.Chr. starb, erstreckte sich der islamische Machtbereich über die gesamte arabische Halbinsel.[16] Einige arabische Stämme, die mit der islamischen Gemeinschaft auf verschiedenem Wege verbunden waren[17], weigerten sich nach Mohammeds Tod die finanziellen Abgabebedingungen des Islam (Zakat) weiterhin zu erfüllen. In den sogenannten Ridda-Kriegen unter Führung des ersten Kalifen Abu Bakr wurden diese unterworfen und zwangsislamisiert.

Die osmanische Knabenlese, bei der ein bestimmter Anteil christlicher Knaben abgeliefert werden musste, die dann zu muslimischen Soldaten ausgebildet wurden, war eine organisierte Form der Zwangsislamisierung.

Siehe auch

Literatur

Historisch

  • Yohanan Friedmann: Tolerance and Coercion in Islam. Interfaith Relations in the Muslim Tradition. Cambridge University Press, 2006. ISBN 0-521-02699-7
  • Adel Th. Khoury: Toleranz im Islam. Grünewald, 1980. ISBN 3-459-01250-1
  • Bat Ye'or: Der Niedergang des orientalischen Christentums unter dem Islam. Vom Dschihad zum Schutzvertrag. Resch, Gräfelfing 2002. ISBN 3-935197-19-5.
  • Anton Minkov: Conversion to Islam in the Balkans. Kisve Bahasi Petitions and Ottoman Social Life, 1670-1730. Leiden 2004 (The Ottoman Empire and its heritage, Bd. 30). ISBN 90-04-13576-6

Aktuell

Einzelnachweise

  1. Artikel Re-Islamisierung bei der Bundeszentrale für politische Bildung
  2. Albrecht Noth: Früher Islam. In: Ulrich Haarmann (Hrsg.): Geschichte der arabischen Welt. C. H. Beck, 1991. S. 92 f.
  3. Focus: Islam im demographischen Aufwind, 23. April 2007
  4. Migration Info: Deutschland: Bundesregierung antwortet auf Große Anfrage zum Islam
  5. Die Presse: FPÖ vs. Islam: Strache gründet "Allianz gegen Islamisierung", 16. Januar 2008
  6. FPÖ-Presseaussendung: Strache bekräftigt in Antwerpen Städtepartnerschaft gegen drohende Islamisierung in Europa, 18. Januar 2008
  7. Michaela Wiegel: Ein Philosophielehrer auf der Flucht, FAZ, 6. Oktober 2006
  8. Bassam Tibi: Europa droht eine Islamisierung, Die Welt, 28. Mai 2002
  9. Financial Times Deutschland: Stoiber warnt vor „Islamisierung“ Deutschlands, 14. Oktober 2006
  10. taz: Die Islamisierung in den Köpfen
  11. Die Zeit: Jede hat einen guten Grund, 22. Juni 2006
  12. Migrantinnen passen sich deutscher Geburtenrate an, Die Welt, 10. August 2010
  13. The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill, Leiden. Bd. 9, S. 484
  14. Yohanan Friedmann: Tolerance and Coercion in Islam. Interfaith Relations in the Muslim Tradition. Cambridge University Press, 2003. S. 121
  15. Yohanan Friedmann: Tolerance and Coercion in Islam. Interfaith Relations in the Muslim Tradition. Cambridge University Press, 2003. S. 121 sowie 106
  16. Für eine Zusammenfassung siehe: W. Montgomery Watt: Muhammad at Medina. Oxford University Press, 1962. S. 78-151; Elias Shoufani: Al-Ridda and the Muslim Conquest of Arabia. University of Toronto Press, 1973. S. 10-48
  17. siehe: Albrecht Noth: Früher Islam. In: Ulrich Haarmann (Hrsg.): Geschichte der arabischen Welt. C.H. Beck, 1991. S. 39

Weblinks


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