Irokesen

Irokesen
Die fünf Nationen der Irokesen, circa 1650.
Irokesen 1914 in Buffalo, New York

Die Irokesen sind ein nordamerikanisches Volk und im engeren Sinne ein Völkerbund aus zuerst fünf und später sechs sprachverwandten Völkern (auch bekannt als Five Nations bzw. Six Nations, in Deutsch auch Fünf/Sechs Nationen) nordamerikanischer Ureinwohner. Sie selbst nennen sich Haudenosaunee, zu Deutsch Völker des Langhauses. In einem weiteren Sinne gehören zu ihnen auch Wyandot, Tionontati, Neutrale und früh verschwundene Gruppen, wie die Kahkwas auf der Niagara-Halbinsel[1] oder die Sankt-Lorenz-Irokesen.

Heute leben die meisten der etwa 75.000 Irokesen in Ontario und im Staat New York. Andere Irokesen leben in Wisconsin, Québec und Oklahoma. Nur eine kleine Minderheit spricht noch eine der Irokesischen Sprachen, darunter ungefähr 2.000 Mohawksprecher, die größtenteils im Reservat Kahnawake bei Montreal leben.

Inhaltsverzeichnis

Name

Das Wort „Irokesen“ (engl./fr. Iroquois) wird vermutlich von hiro kone („ich habe gesagt“ in einer der irokesischen Sprachen) gewandelt. Am Ende jeder Rede würden sie „hiro kone“ sagen. Andere glauben, dass das Wort Irokesen auf eine französische Abart eines Schimpfnamens zurückführt, der „Schwarze Schlangen“ bedeutet. Wegen der Rivalitäten im Pelzhandel waren die Irokesen Feinde der Wyandot und der Algonquin, die mit den Franzosen verbündet waren.

Das auch verwendete Wort Haudenosaunee bedeutet „Menschen, die ein langes Haus bauen“ und es wird erzählt, dass der Große Friedensstifter den Namen zur Zeit des Zusammenschlusses der Völker des Bundes einführte. Es impliziert, dass die Nationen des Bundes wie Familien in denselben Langhäusern zusammenleben sollen. Die Seneca waren die Wächter der westlichen Tür des symbolischen Stammeslanghauses, dementsprechend die Mohawk die Wächter der östlichen Tür. Ihr Siedlungsgebiet erstreckte sich vom Südufer des Sankt-Lorenz-Strom bis zum Hudson und westlich über den Eriesee hinaus.

Geschichte

Überlieferungen zufolge sind die Irokesen aus dem unteren Mississippi entlang des Ohio eingewandert. Im heutigen Siedlungsgebiet sind die Irokesen erstmals um das Jahr 1000 nachweisbar.

Der Irokesenbund (auch: Irokesenliga, Eigenbezeichnung Haudenosaunee oder Haudenosaunee Conference) ist ein Völkerbund aus den sechs Nationen der Mohawk, Oneida, Onondaga, Cayuga, Onodowohgah (Seneca) und Tuscarora. In der englischen Literatur werden sie als Iroquois proper („eigentliche Irokesen“) bezeichnet. Die Bezeichnung „Five Nations“ stammt aus der Zeit, als der Bund aus fünf Völkern bestand.

Bis spätestens 1600 ist der Irokesenbund (Haudenosaunee) entstanden, der Legende nach vereint durch den Propheten Deganawidah und Häuptling Hiawatha. Auf der politisch vorteilhaften Verfassung, dem Großen Gesetz des Friedens, basiert das Zusammenwirken bis heute. Einer Legende nach sträubte sich ein Onondaga-Delegierter namens Tadodaho lange gegen den Beitritt zur Irokesenliga und rangen ihr dabei das Privileg ab, im gemeinsamen Rat mit einem – ebenfalls Tadodaho genannten – spirituellen Führer vertreten zu sein. Der Rat der Liga bestand aus 50 Häuptlingen.

1623 wurde der niederländische Handelsposten Fort Orange auf dem Territorium der Mohawk gegründet. Im 17. Jahrhundert vernichtete der Bund im Zuge der Biberkriege die Wyandot, Tionontati und Erie. Die Tuscarora stießen erst 1722 zu den Fünf Nationen (danach Sechs Nationen), nachdem sie von europäischen Siedlern aus North Carolina vertrieben worden waren.

Im Französisch-Indianischen Krieg (1754-1763) zwischen Briten und Franzosen standen die Irokesen auf Seiten der Briten. Im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg spalteten sich die Irokesen in Oneida und Tuscarora (die sich auf die Seite der Amerikaner stellten) und den restlichen Bund (der für die Briten kämpfte). Eine amerikanische Strafexpedition zerstörte 1779 eine wichtige Siedlung der Irokesen und brach ihren Widerstand.

Der sogenannte zweite Vertrag von Fort Stanwix, in dem die Haudenosaunee große Landgebiete abtreten sollten, wurde nie ratifiziert.

Auch im Zweiten Weltkrieg sahen sich die Irokesen als eigenes Volk, das alleine dem Dritten Reich den Krieg erklärte, aber nicht mit den USA kooperieren wollte.

Kultur und Bedeutung der Irokesen

Traditionell besteht jede Nation aus mehreren Klans, denen jeweils eine gewählte Klanmutter vorsteht. Jeder Klan konnte bis zu drei Abgeordnete in die Ratsversammlung der Irokesen schicken. Die Gesellschaft war demokratisch organisiert, das Individuum genoss erstaunliche Freiheiten. Das Verwandtschaftssystem ist matrilinear, die Lebensweise matrilokal. In der Kindererziehung wurde Verbundenheit zum Stamm, wie auch Unabhängigkeit und Nichtunterwerfung gegenüber Autoritäten gelehrt.

Die Irokesen haben eine starke, für Einzelpersonen kaum durchbrechbare geschlechtliche Arbeitsteilung. So sind die Frauen für die Häuser und die Landwirtschaft zuständig, während die Männer der Jagd und anderen Aufgaben nachgehen, die ein Verlassen des Klanlandes erforderlich machen.

Die Irokesen lebten hauptsächlich vom Maisanbau. Die Irokesen verwendeten kein Privateigentum, das Agrargebiet wurde gemeinsam bewirtschaftet.[2] Sie kannten Dutzende verschiedener Maisarten. Dies machte sie unabhängig vom Jagdglück und erlaubte eine relativ sesshafte Lebensweise. Es war aber auch eine ständige Gefahr, denn gelang es den Feinden, die Maisfelder zu zerstören, brach das Wirtschaftssystem der Haudenosaunee zusammen. Neben dem Mais verpflegten sie sich mit Squash-Kürbis, Bohnen und Wildfrüchten, die sie oft zusammen anpflanzten. Der Sinn dahinter war die „Ergänzung“ der einzelnen Pflanzensorten: „Der Mais wächst schnell nach oben, die Blätter des Kürbisses bewahren den Boden vor dem Austrocknen, die Bohne kann an der Maisstaude emporranken.“ Die Jagd vervollständigte die Lebensmittelauswahl mit Fleisch.

Traditionelles Langhaus der Irokesen

Die Irokesen lebten in mit Palisadenzäunen befestigten Dörfern, die aus bis zu hundert Langhäusern bestanden. Nach etwa zehn bis fünfzehn Jahren, wenn der Boden und der Wald nicht mehr die gewünschten Ernte- und Jagderträge brachten, zogen die Bewohner zu einem neuen Gelände.

Ein besonderes kulturelles Merkmal der Haudenosaunee sind die Medizinbünde.

Die freiheitliche Verfassung der Irokesen wurde in Schriften der europäischen Aufklärung wie „Die große Friedensfrau der Irokesen“ von Johann Gottfried Herder thematisiert. Bei Friedrich Engels nimmt sie in dessen Schrift „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats“ eine wichtige Stellung ein (beeinflusst wiederum von BachofensMutterrecht“).

Irokesen heute

Von den heute etwa 75.000 Irokesen sprechen noch etwa 5 % eine der alten Sprachen.

Nation Population Sprache Sprecher Anteil
Cayuga 10.000 Goyogo̱hó:nǫ’ 62 0,62 %
Mohawk 35.000 Kanien'keha 3.433 9,81 %
Oneida 14.000 Onʌyota’a:ka 160 1,14 %
Onondaga 1.200 Onǫda’géga’ 17 1,42 %
Seneca 15.000 Onödowága 25 0,17 %
Tuscarora 1.000 Skarù∙rę’ 12 1,20 %
alle Irokesen 76.200 Rotinonhsón:ni (ohne Tsalagi) 3.709 4,86 %

Berühmte Irokesen

  • Graham Greene: Oneida aus Kanada, Schauspieler (Der mit dem Wolf tanzt, Clearcut, u. v. a.)
  • Ely Samuel Parker: Seneca-Häuptling und General der Nordstaaten-Armee im Bürgerkrieg
  • Joseph Brant: Mohawk-Häuptling und Verbündeter der Briten
  • Hiawatha: Mohawk-Häuptling, von den Onondaga vertrieben, gilt als Gründer des Irokesenbunds

Siehe auch

Literatur

  • José Antonio Brandào: „Your fyre shall burn no more“. Iroquois Policy toward New France and its Native Allies to 1701. Lincoln u. a. 1997.
  • Willam N. Fenton: The Great Law and the Longhouse: a political history of the Iroquois Confederacy. (The civilization of the American Indian series, 223).University of Oklahoma Press, Norman 1998
  • Susan M. Hill: The Clay We Are Made Of. Haudenosaunee Land Tenure on the Grand River, University of Manitoba Press 2010 ISBN 978-0-88755-189-5
  • Heinz Lippuner: Demokratie aus indianischer Hand? Unsere Bundesverfassung und das Great Law of Peace der Irokesen-Konföderation. Aus Kleine Schriften des Museumsvereins Schaffhausen 99/5.
  • Eva Lips: Nicht nur in der Prärie. Edition Leipzig, Leipzig 1974
  • Egon Renner, Boris Kruse: Die irokesische Konföderation im 17. Jahrhundert. Gesellschaft, Kriegführung und Politik. In: Magazin für Amerikanistik 1/2004 - 2/2004. Verlag für Amerikanistik, Wyk auf Föhr 2004.
  • Irene Schumacher: Gesellschaftsstruktur und Rolle der Frau. Das Beispiel der Irokesen. (Soziologische Schriften; 10) Duncker & Humblot, Berlin 1972.
  • Dean R. Snow: The Iroquois. Blackwell Publishers, Oxford 1994.
  • Thomas Wagner: Irokesen und Demokratie. Ein Beitrag zur Soziologie interkultureller Kommunikation. Lit-Verlag, Münster 2004

Weblinks

 Commons: Irokesen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. James F. Pendergast: The Kakouagoga or Kahkwas: An Iroquoian Nation Destroyed in the Niagara Region, in: Proceedings of the American Philosophical Society, 138/1 (März 1994) 96-144.
  2. Howard Zinn: A People’s History of the United States, Harper Perennial, 2005, S. 20

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