Interventionistische Linke

Interventionistische Linke
Make capitalism history-Banner der Interventionistischen Linken, Rostock 2007

Interventionistische Linke (IL) ist ein zum Jahreswechsel 2005 gegründetes[1] Netzwerk mehrerer deutscher, nach eigener Darstellung „linksradikaler und antikapitalistischer“ Gruppen und Einzelpersonen. Der IL gehören u.a. Avanti – Projekt undogmatische Linke, Antifaschistische Linke Berlin, Für eine linke Strömung, die Redaktion analyse & kritik, Libertad! und Einzelpersonen von attac an.

Vom Bundesamt für Verfassungsschutz[2] sowie dem Verfassungsschutz des Landes Sachsen wird die IL als überwiegend linksextremistisch[3] eingestuft.

Von einigen anderen Linken wird die IL als „postautonom“ und ihre Haltung als „plumper Populismus“ kritisiert, entsprechend dem selbstgesetzten Ziel, dass die deutsche Linke wieder „praktisch in die realen politischen und sozialen Auseinandersetzungen einzugreifen“ und „wieder realen Einfluss auf die Richtung von Politik und gesellschaftlicher Entwicklung“ nehmen soll.[4]

Inhaltsverzeichnis

Aktivitäten und Kampagnen

Aktivitäten zum G 8-Gipfel

Laut IL hat sie sich den G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 als „praktisches Experimentierfeld für unsere Zusammenarbeit“ gewählt, die als ein „lockeres Diskussionstreffen“ 1999 begonnen hatte.[5] Bei diesen hat die IL unter anderem einen Block unter dem Motto „Make capitalism history“ (sogenannter Schwarzer Block) auf der Großdemonstration am 2. Juni 2007 in Rostock organisiert. Teilnehmer dieses Blocks werden hauptverantwortlich für die mit zahlreichen Verletzten auf Seiten der Polizei und der Demonstranten verbundenen Ausschreitungen im Verlauf der Demonstration gemacht.[6][7]

Laut dem Berliner Verfassungsschutz[8] hatte die IL explizit „das Ziel, die Proteste anlässlich des G 8-Gipfel zu radikalisieren“. Der Bericht zitiert aus der „Gipfelzeitung“ der IL einen Text, der unter dem Motto „Mit der G 8 kann es keinen Dialog geben“ steht: „In der Radikalisierung und Ausweitung all dieser Initiativen wird sich letztendlich auch die Frage nach einem Bruch mit dem klassenherrschaftlichen, patriarchalen, rassistischen und imperial(istisch)en System und die Eigentumsfrage neu stellen.“ … „Für eine Linke, die in den offenen wie untergründigen sozialen Konflikten und in all ihren widersprüchlichen Verlaufsformen den Ansatzpunkt wie das Potenzial für jede Form revolutionärer Gesellschaftsveränderung sieht, wird es jedoch darauf ankommen, diesen Konflikten in und um Heiligendamm zum Ausdruck zu verhelfen. […] Ob und inwieweit der G8-Gipfel zum Bezugs- oder gar zum Kristallisationspunkt der Klassenauseinandersetzungen hier zu Lande gemacht werden kann, ist auch ein Maßstab für die momentane tatsächliche sozialrevolutionäre Bedeutung der radikalen Linken.“[9]

An der IL sind laut dem VS-Bericht „federführend Gruppen der Berliner linksextremistischen autonomen Szene beteiligt“.[10] Inhaltlich unterscheidet sich die IL laut dem Bericht von anderen linksextremistischen Anti-G8-Bündnissen wie „Dissent!“ oder dem „Revolutionären G8-Bündnis / Anti-G8-Bündnis für eine revolutionäre Perspektive“ in der Frage, wie der Protest organisiert werden soll. Die IL sei „bestrebt, ein möglichst breites Bündnis unter Einschluss von Gewerkschaften und kirchlichen Gruppierungen zu organisieren, um ein großes Protestpotenzial mobilisieren zu können“.[11]

Aktivitäten zum Finanzmarktstabilisierungsgesetz

Im Zuge des von der Bundesregierung bereitgestellten Rettungsfonds für deutsche Banken hat die Interventionistische Linke gemeinsam mit anderen Organisationen (etwa Attac und ver.di)[12] eine Protestveranstaltung vor dem Finanzministerium organisiert und dort die Vergesellschaftung aller Banken und Konzerne sowie die Einführung eines Existenzgeldes gefordert.[13] Flankiert werden diese Aktivitäten u. a. über ein satirisches Flugblatt, dass man an Finanzminister Peer Steinbrück weiterleiten kann. Darin kann man als Bürger ebenfalls finanzielle Unterstützung fordern, wenn man „[ä]hnlich wie etwa die Hypo Real Estate in finanzielle Schwierigkeiten geraten [ist].“[14]

Argumentiert wird, dass der Bürger „als Arbeitnehmer/in und Steuerzahler/in […] nicht nur die Werte geschaffen [habe], die jüngst an den Finanzmärkten vernichtet wurden“ sondern ebenfalls „für einen Großteil der Mittel aufgekommen [ist], mit denen [Peer Steinbrück] gegenwärtig die Zahlungsfähigkeit des Bankensektors wiederherzustellen [hofft].“[15] Deshalb dürfe Verantwortung keine Einbahnstraße sein und nicht nur das gegenseitige Vertrauen der Banken wiederhergestellt werden, sondern auch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in das System.[16]

Anti-AKW-Kampagne "Castor schottern"

Anlässlich des Castor-Transportes aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague in das Atommülllager Gorleben im November 2010, organisierte die Interventionistische Linke gemeinsam mit Gruppen aus dem autonomen Spektrum die weithin beachtete Kampagne "Castor schottern".

Das Bündnis hatte im August 2010 öffentlicht erklärt, „mit Hunderten, Tausenden von Menschen“ auf die Schienenstrecke gehen zu wollen und dort „massenhaft den Schotter aus dem Gleisbett zu entfernen, also die Gleise zu unterhöhlen und sie damit für den Atommüllzug unbefahrbar zu machen.“[17] Diese Erklärung war von 283 Gruppen und 1.492 Einzelpersonen unterzeichnet worden, darunter die Liedermacher Hannes Wader und Konstantin Wecker, sowie zahlreiche Bundestags- und Landtagsabgeordnete der Partei Die Linke [18].

Selbstgestecktes Ziel war es, die zuvor bei Protesten gegen Naziaufmärschen erfolgreiche Strategie der Massenblockade zu einer „kollektiven Selbstermächtigung“ zu verschärfen. Gleichzeitig sollte so einer bislang nur in Kleingruppen durchgeführten Aktionsform ein Rahmen gegeben werden, der aufgrund des Rückhalts in der Großgruppe die Hürden für eine Teilnahme von Atomkraftgegnern aus den unterschiedlichsten Kreisen und Lebenslagen möglichst weit senken sollte.

Am 7. November 2010 zogen nach einigen Angaben rund 4.000, nach Polizeiangaben 2.000 Demonstranten in das Aktionsgebiet an der Schienenstrecke in der Göhrde. Mit einem massiven Polizeieinsatz konfrontiert, gelang es den Atomkraftgegnern im Laufe des Tages zwar immer wieder, für wenige Minuten auf die Schienen zu kommen und Schotter aus dem Gleisbett zu entfernen. Letztlich erzwangen andere Protestformen wie die Sitzblockaden bei Harlingen jedoch im Vergleich dazu längeren Stopp des Castor-Zuges. Zudem wurden bei den Auseinandersetzungen an der Schiene knapp Tausend Demonstranten und zahlreiche Polizisten verletzt.

Neben der Neuartigkeit der Kampagne führte auch die beachtliche Unterzeichnerliste bereits früh zu einem großen Medienecho. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel warnte Atomkraftgegner vor der Teilnahme an der Aktion: "Was so harmlos daherkommt, entschottern, das ist keine friedliche Demonstration, sondern ein Straftatbestand"[19]. Die Staatsanwaltschaft Lüneburg leite im Vorfeld Ermittlungen gegen mehrere Hundert Unterzeichner der Erklärung wegen Anleitung zu Straftaten ein.

Mitgliedergruppen

  • Antifa-KOK, Düsseldorf/Neuss
  • Antifaschistische Linke Berlin (ALB)
  • Antifaschistische Linke International (ALI), Göttingen
  • attac-campus Bochum
  • Avanti – Projekt undogmatische Linke
  • Für eine linke Strömung (FelS), Berlin
  • Gruppe d.i.s.s.i.d.e.n.t., Marburg
  • Institut für Theologie und Politik, Münster
  • Interventionistische Linke Karlsruhe
  • Interventionistische Linke Köln
  • Interventionistische Linke München
  • Interventionistische Linke Tübingen
  • isl - internationale sozialistische linke
  • Kampagne Libertad!
  • Kritisches Kollektiv, Mainz/Worms/Mannheim
  • no lager, Bremen
  • Organisierte Autonomie, Nürnberg
  • Projekt Interventionistische Linke Ravensburg
  • Radikale Linke Nürnberg
  • Redaktion analyse&kritik
  • Redaktion So Oder So
  • Rote Aktion Kornstraße (RAK), Hannover

Weblinks

Quellen

  1. http://www.prager-fruehling-magazin.de/article/117.die_mobilisierung_des_gemeinsamen.html
  2. Verfassungsschutzbericht 2009, S. 146-148
  3. Kurzinformation über wichtige Ereignisse und Aktivitäten extremistischer Organisationen im Monat Februar 2009 (S. 7)
  4. http://web.archive.org/web/20060706203517/http://x-berg.de/2006/07/06/globalisierungskritik-auf-postautonom/
  5. G8 Xtra 1
  6. http://www.zeit.de/online/2007/23/reaktionen-rostocker-gewaltdemo
  7. http://www.berlin.de/imperia/md/content/seninn/verfassungsschutz/stand2005/vsb_2007_akt_le.pdf/ Verfassungsschutzbericht Berlin 2007, S. 46
  8. Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Abteilung Verfassungsschutz über „Linksextremistische Protestvorbereitungen gegen den G 8-Gipfel 2007“, S. 2f.
  9. Herrschaft keine Ruhe gönnen. in: G8-XTRA – Zeitung für eine „Interventionistische Linke“ Nr. 3/2007, S. 1
  10. a.a.O., S. 3
  11. a.a.O., S. 4
  12. [1]
  13. ebd.
  14. http://milliardenhilfe.de/?page_id=3
  15. ebd.
  16. http://milliardenhilfe.de/?page_id=20
  17. http://www.castor-schottern.org/absichtserklaerung
  18. http://www.castor-schottern.org/unterzeichnerinnen
  19. http://www.bild.de/BILD/politik/2010/11/07/castor-transport-gorleben/merkel-warnt-vor-straftatbestand.html

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Undogmatische Linke — Der Begriff Undogmatische Linke bezeichnet eine Strömung innerhalb der politischen Linken, die keinen dogmatischen Wahrheitsanspruch für sich reklamiert.[1] 1989 wurde von zwei autonomen Gruppen in Norddeutschland Avanti – Projekt undogmatische… …   Deutsch Wikipedia

  • Antifaschistische Linke Berlin — Die Antifaschistische Linke Berlin (ALB) ist eine Antifagruppe in Berlin. Die Antifaschistische Linke Berlin (ALB) ist eine von zwei Gruppen, die aus der Trennung der Antifaschistischen Aktion Berlin (AAB) zu Beginn des Jahres 2003 hervorgegangen …   Deutsch Wikipedia

  • Für eine linke Strömung — (FelS) Zweck: Weiterentwicklung linksradikaler Politik[1] Vorsitz: Gründungsdatum: 1991 …   Deutsch Wikipedia

  • Avanti - Projekt undogmatische Linke — ist eine linksradikale politische Organisation in Norddeutschland. Avanti hat lokale Gruppen in Hamburg, Flensburg, Kiel, Norderstedt, Hannover, Lübeck und Bremen. In ihrem Grundsatzpapier bekennt sich die Gruppe zu einer revolutionären… …   Deutsch Wikipedia

  • Linksextrem — Linksextremismus ist ein Sammelbegriff für verschiedene Strömungen und Ideologien innerhalb der politischen Linken, die die parlamentarische Demokratie und den Kapitalismus ablehnen und durch eine egalitäre Gesellschaft ersetzen wollen. Der… …   Deutsch Wikipedia

  • Linksextremist — Linksextremismus ist ein Sammelbegriff für verschiedene Strömungen und Ideologien innerhalb der politischen Linken, die die parlamentarische Demokratie und den Kapitalismus ablehnen und durch eine egalitäre Gesellschaft ersetzen wollen. Der… …   Deutsch Wikipedia

  • Linksextremisten — Linksextremismus ist ein Sammelbegriff für verschiedene Strömungen und Ideologien innerhalb der politischen Linken, die die parlamentarische Demokratie und den Kapitalismus ablehnen und durch eine egalitäre Gesellschaft ersetzen wollen. Der… …   Deutsch Wikipedia

  • Linksradikale — Linksextremismus ist ein Sammelbegriff für verschiedene Strömungen und Ideologien innerhalb der politischen Linken, die die parlamentarische Demokratie und den Kapitalismus ablehnen und durch eine egalitäre Gesellschaft ersetzen wollen. Der… …   Deutsch Wikipedia

  • G8-Gipfel in Heiligendamm — Der G8 Gipfel in Heiligendamm 2007 war das 33. Gipfeltreffen der Regierungschefs der Gruppe der Acht. Das Treffen fand unter deutscher Präsidentschaft vom 6. bis zum 8. Juni 2007 im Grand Hotel Kempinski des rund 15 Kilometer westlich von Rostock …   Deutsch Wikipedia

  • G8 2007 — Der G8 Gipfel in Heiligendamm 2007 war das 33. Gipfeltreffen der Regierungschefs der Gruppe der Acht. Das Treffen fand unter deutscher Präsidentschaft vom 6. bis zum 8. Juni 2007 im Grand Hotel Kempinski des rund 15 Kilometer westlich von Rostock …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”