Internationaler Sportgerichtshof

Internationaler Sportgerichtshof

Der Internationale Sportgerichtshof (französisch Tribunal Arbitral du Sport, englisch Court of Arbitration for Sport, Abk. TAS bzw. CAS) ist die oberste Sportgerichtsbarkeit und damit die letzte Entscheidungsinstanz für die Sportverbände und Nationalen Olympischen Komitees in Streitfragen zum internationalen Sportrecht.

Das Schiedsgericht ist beispielsweise bei Disziplinarfragen (Unklarheiten bei Regelverstößen), Verfahrensfragen (beispielsweise bei Spielertransfers), Dopingfragen und sportbezogenen Vertragsfragen (Sponsoring, Fernsehrechte etc.) zuständig.

Das Schiedsgericht wurde 1984 auf Initiative des IOC als unabhängiges Gremium gegründet und hat seinen Sitz in Lausanne in der Schweiz. Seit 1994 ist der CAS dem ICAS (International Council of Arbitration for Sport) unterstellt. Ihm gehörten 2004 über 150 Richter aus 55 Nationen an. Erster und bis zu seinem Tod 2007 einziger Präsident war der Senegalese Kéba Mbaye. Am 3. April 2008 wurde Mino Auletta zum Präsidenten gewählt, der nach dem Tode Mbayes schon die Präsidentschaft kommissarisch innehatte. Seine Amtszeit endete Ende 2010. Nachfolger ist John Coates, bisheriger Vizepräsident der CAS. Er trat sein Amt zum 1. Januar 2011 an.[1]

Für die Dauer von bestimmten sportlichen Großereignissen, wie Olympischen Spielen oder Commonwealth Games richtet der Internationale Sportgerichtshof seit 1996 nichtpermanente Tribunale ein (siehe Abschnitt Geschichte), die eine zügige, vorläufige Bearbeitung und Schlichtung von Streitfragen gewährleisten sollen, die während der Wettkämpfe auftreten. Diese Fragen betreffen meist die Zulässigkeit von Individualbeschwerden oder Beschwerden eines nationalen Verbandes, nach deren Meinung eine andere Nation oder deren Angehörige gegen geltende Wettkampfregeln verstoßen habe.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Gründung geht auf eine Idee des damaligen IOC-Präsidenten Juan Antonio Samaranch zurück, der 1981 die Schaffung einer Sportgerichtsbarkeit vorschlug. Gründe dafür waren vor allem die fortschreitende Professionalisierung des Sports in den frühen 1980er Jahren, die auch einen Anstieg zu lösender sportspezifischer Schlichtungsfragen mit sich brachte. Da sportliche Entscheidungen meist auf internationaler Ebene entstehen, musste die zu schaffende Instanz ebenso einen internationalen Status erhalten.

Die Statuten des Internationalen Sportgerichtshofes wurden 1983 ratifiziert und traten am 30. Juni 1984 in Kraft. Der CAS setzte sich bei seiner Gründung aus 60 Mitgliedern zusammen, die anfangs ausschließlich vom IOC, den internationalen Verbänden, den Nationalen Olympische Komitees und dem IOC-Präsident bestimmt wurden.

Eine erste offizielle Anerkennung durch ein oberstes Landesgericht erfuhr der Internationale Sportgerichtshof im März 1993 durch das Schweizer Bundesgericht. Dieses Gericht erkannte die Gerichtsbarkeit und das Urteil des Internationale Sportgerichtshofs gegen den deutschen Reiter Elmar Gundel, die Disqualifikation nach Doping seines Pferdes, an. Es bemängelte jedoch den organisatorischen und finanziellen Einfluss durch das IOC, da das IOC das Gericht vollständig finanzierte und das Recht hatte, die Statuten zu ändern.

1994 wurde der CAS daraufhin grundlegend reformiert. Um den Sportgerichtshof unabhängiger zu machen, wurde der International Council Of Arbitration for Sport (ICAS), eine Stiftung nach schweizerischem Recht,[2] als oberste Institution des CAS gegründet, die nun die Führung und die Finanzierung des CAS übernahm. Es wurde eine eigene Kammer für Einsprüche eingeführt, um solche Fälle schneller bearbeiten zu können. Zudem wurde ein neues Gesetzbuch für sportspezifische Rechtsprechung in Kraft gesetzt. Außerdem wurde die Zahl der Schlichter erhöht. 2000 sollte sie bereits 186 betragen.

1996 eröffnete der ICAS Büros in Sydney und in Denver (später in New York), um den Zugang zum CAS in Amerika und Ozeanien zu erleichtern. Zu den Olympischen Sommerspielen in Atlanta wurden erstmals nichtpermanente Tribunale eingerichtet, die Schlichtungsfragen vorläufig bearbeiten. 2000 wurde neben den Olympischen Spielen auch ein solches Tribunal erstmals bei den Fußball-Europameisterschaften eingeführt. 2002 erkannte auch die FIFA den CAS als oberstes internationales Sportgericht an.[3]

Probleme und Kritik

Besonderheiten der Rechtsprechung, der Zuständigkeiten und der Bestandskraft der richterlichen Entscheidungen trugen in der Vergangenheit wiederholt zu Akzeptanzschwierigkeiten des Internationalen Sportgerichtshofes bei.

Der Internationale Sportgerichtshof unterliegt Schweizer Recht. Seine Entscheidungen können vor dem Schweizer Bundesgericht angefochten und auch aufgehoben werden. Obwohl der Internationale Sportgerichtshof in den meisten Ländern als oberste Sportgerichtsbarkeit fungiert, wird er nicht von allen nationalen Sportverbänden als letzte Instanz anerkannt. Dies verhindert eine internationale Gleichbehandlung aller Sportler in Sportrechtsfragen.[4]

Urteile des Internationalen Sportgerichts besitzen zivil- und strafrechtlich grundsätzlich keine Wirkung. So klagten verschiedene des Dopings überführte Sportler ihr Recht bei nationalen ordentlichen Gerichten ein. Danilo Hondo erwirkte beispielsweise 2006 beim Schweizerischen Bundesgericht die Aufhebung der vom CAS verhängten Dopingsperre bis zu einer endgültigen rechtlichen Entscheidung.[5]

Auch geriet der Internationale Sportgerichtshof aufgrund verschiedener strittiger Entscheidungen mehrfach in die Kritik. [6]

  • 2003 lehnte der CAS einen Antrag des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF ab. Der US-amerikanische Leichtathletikverband (USA Track & Field) sollte den Namen eines Dopingsünders preisgeben, der bei den Olympischen Spielen 2000 für die USA eine Medaille in Leichtathletik errang. Der Internationale Sportgerichtshof begründete die Entscheidung mit den rechtlichen Bestimmungen in den USA. Dem USATF, der Sportler, die bereits vor den Spielen positiv getestet wurden nicht sperrte sowie das Vergehen nicht an den Weltverband gemeldet hatte, hätte eine Millionenklage gedroht, wenn die Rechte des Sportlers durch die Namensnennung verletzt worden wären. Weiterhin wäre die zeitnahe Ausräumung rechtlicher Widersprüche zwischen den nationalen und den internationalen Regelungen durch die IAAF versäumt worden.[7]
  • 2004 stieß die Entscheidung, den deutschen Olympiasiegern im Vielseitigkeitsreiten von Athen wegen eines durch einen Fehler des Zeitnehmers bedingten Regelverstoßes die Goldmedaille abzuerkennen, auf Unverständnis, da diese Entscheidung allein die Sportler bestrafte. [8][9]
  • 2005 hob der CAS die Dopingsperre des geständigen Bahnradfahrers Mark French auf, weil für eine Sperre ein wissenschaftlicher Nachweis vonnöten wäre und ein Geständnis nicht ausreiche.[10]
  • 2006 wies der Internationale Sportgerichtshof eine Klage des DSV gegen eine durch die FIS ausgesprochenen Schutzsperre für die Skilangläuferin Evi Sachenbacher-Stehle bei den Olympischen Winterspielen in Turin aufgrund eines zu hohen Hämoglobin-Wertes ab, obwohl der DSV hätte belegen können, dass die Sportlerin genetisch bedingt einen grenzwertigen Wert aufweist, der sich bei langen Höhenaufenthalt noch erhöht. [11][12]

Literatur

  • Lorenzo Casini: The Making of a Lex Sportiva by the Court of Arbitration for Sport. In: German Law Journal 12 (2011) S. 1317–1340. (PDF).
  • Maurício Ferrão Pereira Borges: Verbandsgerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit im internationalen Berufsfußball. Unter Berücksichtigung der verbandsinternen FIFA-Rechtsprechung in Bezug auf die lex sportiva. Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main u.a. 2009, ISBN 978-3-631-59015-7.
  • Karsten Hofmann: Zur Notwendigkeit eines institutionellen Sportschiedsgerichtes in Deutschland. Eine Untersuchung der nationalen Sportgerichtsbarkeit unter besonderer Beachtung der §§ 1025 ff. ZPO. Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2009, ISBN 978-3-8300-4510-6.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Australier Coates neuer CAS-Präsident in: Zeit Online vom 16. November 2010
  2. NADA: Der Court of Arbitration (CAS)
  3. Sportgericht.de: FIFA erkennt CAS als oberstes Gericht an
  4. Sportgericht.de: Thomas Bach fordert Reform des nationalen und internationalen Sportgerichtswesens
  5. Sportgericht.de: Dopingfall Hondo – Schweizer Gericht hebt CAS-Urteil auf
  6. Sportgericht.de: Bach besorgt über Protestflut zum CAS
  7. Sportgericht.de: Amerikanische Dopingsünder bleiben unerkannt
  8. Sportgericht.de: Einspruch gegen deutschen Team-Olympiasieg vor CAS
  9. Sportgericht.de: Olympische Spiele Athen: Goldmedaillen nachträglich aberkannt - Stellungnahme der Deutschen Reiterlichen Vereinigung
  10. Sportgericht.de: CAS spricht doping-gesperrten Bahn-Fahrer French frei
  11. Sportgericht.de: CAS bestätigt Schutzsperre für Evi Sachenbacher – NOK-Präsident will Hämoglobin-Problematik genauer untersuchen
  12. Sportgericht.de: Sachenbacher-Stehle leget Blutwerte offen

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