International Court of Justice

International Court of Justice
Sitz des Gerichtshofes in Den Haag

Der Internationale Gerichtshof, IGH (franz.: Cour internationale de Justice, CIJ, engl.: International Court of Justice, ICJ), ist das Hauptrechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen und hat seinen Sitz im Friedenspalast in Den Haag (Niederlande). Seine Funktionsweise und Zuständigkeit sind in der UN-Charta und im IGH-Statut[1] geregelt.

Inhaltsverzeichnis

Zuständigkeit

Siegel des Gerichts

Parteien vor dem IGH können nur Staaten sein, Internationale Organisationen und andere Völkerrechtssubjekte hingegen nicht. Zugang zum Gericht haben nur Vertragsstaaten des IGH-Statuts. Dies sind zum einen gemäß Artikel 93 Absatz 1 der Charta der Vereinten Nationen alle UN-Mitglieder und zum anderen solche Staaten, die kein Mitglied der UN sind, aber das Statut ratifiziert haben. Das Gericht ist nur dann für die Entscheidung eines Falles zuständig, wenn alle beteiligten Parteien die Zuständigkeit anerkannt haben. Eine solche Anerkennung kann durch Erklärung für das jeweilige Verfahren, durch Verweis in einem völkerrechtlichen Vertrag oder in abstrakter Form durch eine Unterwerfungserklärung erfolgen. Solche Erklärungen unterliegen allerdings häufig weitgehenden Vorbehalten. Die Entscheidungen des IGH sind für die jeweiligen Parteien inter partes bindend. Unterorganisationen der Vereinten Nationen können mit jeweiliger Ermächtigung durch die Generalversammlung beim IGH Rechtsgutachten zu relevanten Themen anfordern. Die Generalversammlung oder der Sicherheitsrat kann über jede Rechtsfrage ein Gutachten anfordern. Zwar kam es bis 2003 nur zu 76 Urteilen und 24 Rechtsgutachten, doch war der IGH wesentlich an der Fortentwicklung des Völkerrechts beteiligt.

Deutschland hat 2008 wie bisher 65 andere Staaten eine Unterwerfungserklärung[2] abgegeben und kann seitdem in allen völkerrechtlichen Streitfragen einen anderen Staat, der ebenfalls eine solche Erklärung abgegeben hat, verklagen oder selbst verklagt werden. Vorher war das nur möglich, wenn eine vertragliche Vereinbarung zwischen beiden Parteien bestand, in der der Internationale Gerichtshof ausdrücklich benannt wurde, oder wenn zumindest Einigkeit bestand, den Streit vor ihm auszutragen. Von der Unterwerfungserklärung hat Deutschland Streitkräfteeinsätze im Ausland und die Nutzung deutscher Hoheitsgebiete für militärische Zwecke ausgenommen[3].

Luxemburg hatte bereits 1930 die Gerichtsbarkeit des StIGH als obligatorisch anerkannt[4]. Hinsichtlich des IGH folgten die Schweiz 1948[5], Liechtenstein 1950[6], Österreich 1971[7].

Geschichte

Eröffnungssitzung des Gerichts am 18. April 1946 in Gegenwart von Prinzessin Juliana und Prinz Bernhard von den Niederlanden

Der Internationale Gerichtshof wurde 1945 gegründet. Er arbeitet unter der Charta der Vereinten Nationen als „Hauptrechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen“ (Art. 92). Der Gerichtshof ging aus dem von 1922 bis 1946 bestehenden Ständigen Internationalen Gerichtshof hervor.

Neuere Untersuchungen zeigen, dass die meisten Urteile des Gerichtshofs befolgt werden, auch wenn der Gerichtshof für die Durchsetzung seiner Entscheidungen auf den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen angewiesen ist (Art. 94 Abs. 2 der Charta der Vereinten Nationen). Mehrere Staaten haben aber in der Vergangenheit Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs nicht anerkannt oder befolgt, u. a.:

  • 1971, die Republik Südafrika verstößt gegen den Beschluss zur Aufgabe der Besetzung Namibias.
  • 1973, Frankreich verstößt gegen eine einstweilige Verfügung der Richter im Zusammenhang mit den damaligen oberirdischen Atomwaffentests auf dem Mururoa-Atoll im Pazifik.
  • Marokko ließ kein Referendum über die staatliche Zugehörigkeit der ehemaligen spanischen Kolonie West-Sahara ausrichten, das jedoch im Gutachten des Internationalen Gerichtshofs von 1975 empfohlen wurde.
  • 1984, die USA erklären das Gericht im Fall „Militärische und paramilitärische Aktivitäten in und gegen Nicaragua“ für nicht zuständig, da eigene Sicherheitsbelange einer Anerkennung des Urteils entgegenstünden.
  • 2006 hat der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten in der Entscheidung Sanchez-Llamas v. Oregon in ausdrücklicher Abweichung von der Rechtsprechung des IGH im Avena-Fall (Mexiko gegen Vereinigte Staaten) die Anwendung von Präklusionsvorschriften des amerikanischen Rechts bestätigt, die eine Geltendmachung der Verletzung der Pflicht zur Information über konsularischen Schutz gegenüber Ausländern in zweiter Instanz oder in Verfahren vor Bundesgerichten praktisch unmöglich machen.

Bisherige Verfahren unter Beteiligung deutschsprachiger Staaten

Deutschland rief den IGH bisher dreimal an. Im ersten Verfahren (1967-69 unter Beteiligung von Dänemark[8] und den Niederlanden[9]) ging es um Schürfrechte im Festlandsockel unter der Nordsee. Im zweiten Fall (1972-74; Gegner war hier Island) wurde über das Fischereiwesen geurteilt[10]. Das bisher letzte Verfahren war der „Fall LaGrand“ gegen die Vereinigten Staaten (1999-2001)[11].

Als beklagte Partei war Deutschland bisher zweimal an Verfahren beteiligt. 1999-2004 ging es um den Kosovo-Konflikt[12]. Gegenstand der 2001 vom Fürstentum Liechtenstein eingereichten Klage[13] war der Umgang mit liechtensteinischem Vermögen auf dem Territorium der früheren Tschechoslowakei, das im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg als deutsches Auslandsvermögen behandelt und zur Begleichung deutscher Kriegsschulden genutzt worden war. Das Verfahren endete 2005 mit der Entscheidung, dass die Ansprüche Liechtensteins nicht gegen Deutschland zu richten seien. Der während des Verfahrens am Gerichtshof amtierende deutsche Richter Bruno Simma nahm wegen persönlicher Befangenheit nicht an der Entscheidung teil, da er zuvor als Rechtsberater der deutschen Regierung in diesem Fall tätig war. Anstelle von Simma war Carl-August Fleischhauer, der bis 2003 am Gericht gewirkt hatte, in diesem Verfahren Ad-hoc-Mitglied des Gerichts.

Liechtenstein war bisher an zwei Verfahren beteiligt[14]; ebenso die Schweiz[15]. Österreich und Luxemburg sind vor dem IGH noch nicht in Erscheinung getreten.

Mitglieder

Das Gericht in öffentlicher Sitzung, 2006

Siehe auch: Liste der Richter am Internationalen Gerichtshof

Die 15 Richter des Gerichts, die alle unterschiedlicher Nationalität sein müssen, werden gemeinsam von der UN-Generalversammlung und dem UN-Sicherheitsrat für eine Amtszeit von neun Jahren gewählt, wobei eine spätere Wiederwahl möglich ist. Die Amtszeit der Richter endet am 5. Februar des angegebenen Jahres. Bei der Wahl achten die Staaten auf eine vorher in Form von Verständigungen festgelegte geografische Repräsentation der fünf Weltregionen. Das bedeutet, dass nach einer bestimmten Rotation freie Richterstellen durch Kandidaten aus einer Region besetzt werden. Alle drei Jahre wird ein Drittel der Richter neu gewählt. Bei ihrer Rechtsprechung vertreten die Richter nicht ihr Land, sondern müssen völlig unabhängig urteilen. Maßstab ist das Völkerrecht.

Wenn bei einem Rechtsstreit kein Staatsangehöriger einer der beteiligten Staaten Mitglied des Gerichts ist, kann auf Antrag ein von diesem Staat vorgeschlagener Richter ad hoc am Verfahren teilnehmen. Dann erhöht sich die Anzahl der Mitglieder auf bis zu 17.

Seit dem 6. Februar 2009 gehören dem Internationalen Gerichtshof folgende Richter an:

Präsidenten

Präsidenten des Internationalen Gerichtshofs
# Name Amtsantritt Ende der Amtszeit Nationalität
1 José Gustavo Guerrero (1876−1958) 1946 1949 El Salvador
2 Jules Basdevant (1877−1968) 1949 1952 Frankreich
3 Arnold Duncan McNair (1885−1975) 1952 1955 Vereinigtes Königreich
4 Green H. Hackworth (1883−1973) 1955 1958 USA
5 Helge Klaestad (1885−1965) 1958 1961 Norwegen
6 Bohdan Winiarski (1884−1969) 1961 1964 Polen
7 Sir Percy Claude Spender (1897−1985) 1964 1967 Australien
8 José Luis Bustamante y Rivero (1894−1989) 1967 1970 Peru
9 Sir Muhammad Zafrullah Khan (1893−1985) 1970 1973 Pakistan
10 Manfred Lachs (1914−1993) 1973 1976 Polen
11 Eduardo Jiménez de Aréchaga (1918−1994) 1976 1979 Uruguay
12 Sir Humphrey Waldock (1904−1981) 1979 1981 Vereinigtes Königreich
13 Taslim Olawale Elias (1914−1991) 1982 1985 Nigeria
14 Nagendra Singh (1914−1988) 1985 1988 Indien
15 José María Ruda (1924−1994) 1988 1991 Argentinien
16 Robert Yewdall Jennings (1913−2004) 1991 1994 Vereinigtes Königreich
17 Mohammed Bedjaoui (* 1929) 1994 1997 Algerien
18 Stephen M. Schwebel (* 1929) 1997 2000 USA
19 Gilbert Guillaume (* 1930) 2000 2003 Frankreich
20 Shi Jiuyong (* 1926) 2003 2006 China
21 Rosalyn Higgins (* 1937) 2006 2009 Vereinigtes Königreich
22 Hisashi Owada (* 1932) seit 2009 Japan

Literatur

  • Arthur Eyffinger, Arthur Witteveen, Mohammed Bedjaoui: La Cour internationale de Justice 1946–1996. Martinus Nijhoff Publishers, Den Haag und London 1999, ISBN 90-411-0468-2
  • Shabtai Rosenne: The World Court: What It is and How It Works. 6. Auflage. Nijhoff, Leiden 2003, ISBN 90-04-13633-9
  • Constanze Schulte: Compliance with Decisions of the International Court of Justice. Oxford University Press, Oxford 2004, ISBN 0-19-927672-2
  • Moritz Karg: IGH vs. ISGH. Die Beziehung zwischen zwei völkerrechtlichen Streitbeilegungsorganen. Nomos, Baden-Baden 2005, ISBN 3-8329-1445-5
  • Andreas Zimmermann u. a. (Hrsg.): The Statute of the International Court of Justice: A Commentary. Oxford University Press, Oxford 2006, ISBN 0-19-926177-6

Weblinks

Quellen

  1. Statute of the International Cort of Justice, 26. Juni 1945, BGBl. 1973 II S. 505, UNCIO Vol. 15 p. 355
  2. C.N.357.2008.TREATIES-1; BT-Drs. 16/9218
  3. Zur Kritik an diesen Vorbehalten siehe etwa den offenen Brief der Gewerkschaft ver.di vom 10. Juni 2008.
  4. LNTS Bd. C S. 154 (vgl. Art. 36 Abs. 5 des IGH-Statuts)
  5. UNTS Bd. 17 S. 116; → dt. Fassung
  6. UNTS Bd. 51 S. 120; LGBl. 1950 Nr. 6/1
  7. UNTS Bd. 778 S. 302; BGBl. Nr. 249/1971
  8. North Sea Continental Shelf (Federal Republic of Germany/Denmark)
  9. North Sea Continental Shelf (Federal Republic of Germany/Netherlands)
  10. Fisheries Jurisdiction (Federal Republic of Germany v. Iceland)
  11. LaGrand (Germany v. United States of America)
  12. Legality of Use of Force (Serbia and Montenegro v. Germany)
  13. Certain Property (Liechtenstein v. Germany)
  14. Certain Property (Liechtenstein v. Germany) (s.o.); Nottebohm (Liechtenstein v. Guatemala) (1951-55)
  15. Interhandel (Switzerland v. United States of America) (1957-59); Status vis-à-vis the Host State of a Diplomatic Envoy to the United Nations (Commonwealth of Dominica v. Switzerland) (2006)

52.08664.29557Koordinaten: 52° 5′ 12″ N, 4° 17′ 44″ O

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