Intensive Psychodynamische Kurzzeittherapie

Intensive Psychodynamische Kurzzeittherapie

Die Intensive Psychodynamische Kurzzeittherapie (engl.: Intensive Short-Term Dynamic Psychotherapy (ISTDP)) wurde vom Psychiater und Psychoanalytiker Habib Davanloo (Harvard USA) entwickelt und 1978 veröffentlicht. Sie will verdrängte Wurzeln von psychischen Störungen (Neurosen und neurotischen Persönlichkeitsstörungen) aufdecken und durcharbeiten.

Inhaltsverzeichnis

Video-Analyse

Grundlage sind Erkenntnisse aus Mikro-Analysen von Filmaufzeichnungen von Therapeut-Patienten-Interaktionen, insbesondere über Abwehrmechanismen, Angst und die Wechselwirkungen von Gefühlen und Therapeutenverhalten. Die videogestützte Therapeutenreflektion (Supervision) ist ein unverzichtbares Element in der ISTDP.

Motor der Störung

Der Motor für neurotische Störungen liegt in unverarbeiteten, im Unbewussten gespeicherten traumatischen Erlebnissen mit elterlichen Bezugspersonen. In der Therapie werden diese alten Situationen in der Übertragung zwischen Klient und Therapeut wieder inszeniert.

Verdrängte Gefühle drängen nach Abfuhr, das erzeugt Angst, und diese erzeugt Widerstand.

Widerstand gegen Gefühle

Widerstand wird analysiert, Verdrängtes aufgedeckt und befreit. Durch Erkennen der Wurzeln erfolgt Integration abgespaltener Erfahrungen, Gefühle und Energien. In der therapeutischen Beziehung werden neue Erfahrungen gemacht, neue Verhaltensweisen eingeübt und so neue psychische Strukturen geschaffen und gefestigt. (siehe auch Reparenting)

Therapeutische Methode

In einer Probetherapie wird durch Wertschätzung und erste Erfolgserlebnisse eine "unbewusste therapeutische Allianz" aufgebaut. Einleitend wird dann der Patient nach seinen Schwierigkeiten befragt. Durch direkten Druck ("was fühlen Sie jetzt?!", "wo spüren Sie ihre Angst? wie?") werden Gefühle geweckt. Widerstand zeigt sich vielfältig (Weinerlichkeit, Hilflosigkeit, Trotz, Arroganz, Impulsivität, Verdrängung, Seh- und Hörstörungen, etc.). Abwehr wird herausfordernd angesprochen ("Sie sind voller Angst - aber Sie lachen...") und die Mechanismen werden bewusst gemacht. Anders als in der Psychoanalyse wird auf "freie Assoziation" und "Übertragungsneurose" verzichtet, dafür immer wieder Druck aufgebaut ("Sie wollen etwas ändern?!"). Angst steigt auf und wird körperlich als Zittern, Schlottern oder Schreien erlebt. Der Therapeut steuert dies mit präzisen Interventionen je nach Angsttoleranz des Patienten. Durch innere Bilder ("schauen Sie ihren Widersacher an - was sehen Sie? was fühlen Sie?") und direkte Übertragung ("was fühlen Sie jetzt mir gegenüber?") werden hinter der Angst verdrängte Gefühle geweckt.

In mehreren Durchgängen (Druck - Widerstand - Abfuhr) werden immer tiefere Gefühlsschichten erreicht. Entscheidend ist die Überwindung der "intrapsychischen Krise" (soll ich - oder soll ich nicht). Das wird unterstützt mit inneren Bildern ("stellen sie sich vor, ihre Wut wäre ein wildes Tier und würde sich auf mich stürzen: was würde es tun?!").

Passage

Mit diesen Bildern verbundene Gefühle werden als intensiv körperlich erfahrbarer Energiestrom mit spezifischer Intensität und Qualität erlebt. Die so bezeichnete „Passage“ ist ein energetischer Fluss von emotionaler Energie. Die größte Angst entsteht durch eine verdrängte mörderische Wut. Die „Passage“ ist der entscheidende Durchbruch in der Therapie. Es ist sehr wichtig zu erleben, dass Wut als Gefühlsstrom nicht real verletzt, sondern dass danach Schuld, Trauer, Reue, und dahinter liegende zärtliche liebevolle erotische Gefühle auftauchen. Diese werden wiederum intensiv auf einer körperlichen Ebene erlebt.

Transfer

Das Bild das sich der Patient über den Therapeuten macht wandelt sich in der Passage in alte Bilder von früheren Bezugspersonen. Alte Verletzungen, die damit verbundene Wut und die gleichzeitigen Schuldgefühle über die zerstörerische Wut steigen auf, gefolgt von einem tiefen Schmerz über die dadurch damals verpasste liebevolle Nähe.

Neurophysiologie

In der Literatur wird beschrieben, dass die Patienten einen körperlichen Druck spüren, der sich mit der Auflösung der Widerstände in wellenartige Ströme verändert, die während der Passage durch den ganzen Körper fließen. Die Bewegungsbahnen entsprechen dabei neuroanatomischen Bahnen, ähnlich wie es auch in anderen Körpertherapien beobachtet wird.

Literatur

  • Habib Davanloo: Basic Principles and Techniques in Short-Term Dynamic Psychotherapy. 1978.
  • International Journal of Short-Term Psychotherapy.
  • Gerda Gottwik: Intensive Psychodynamische Kurzzeittherapie nach Davanloo. In: H. Henning: Kurzzeit-Psychotherapie. 1996, ISBN 3-931660-20-6.

Weblinks


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