Instinktverhalten

Instinktverhalten

Instinktverhalten bezeichnet innerhalb der ethologischen physiologischen Theorie der Instinktbewegung eine angeborene komplexe Verhaltensweise, die aus gegeneinander abgrenzbaren Grundbausteinen des Verhaltens aufgebaut ist: den Instinktbewegungen; ein anderes Wort für Instinktbewegung ist Erbkoordination oder Fixed Action Pattern (FAP). Der englische Begriff wird aufgrund der historischen Belastung dem deutschen Begriff mittlerweile vorgezogen. Instinktbewegungen werden gemäß der erstmals 1937 von Konrad Lorenz formulierten Theorie durch einen Schlüsselreiz ausgelöst und können so lange ablaufen, wie eine innere Handlungsbereitschaft vorhanden ist.

Als Beleg dafür, dass eine Verhaltensweise angeboren ist, gilt unter anderem ihre ‚Reifung‘, das heißt ihre Vervollkommnung im Verlauf der Individualentwicklung ohne Übung.[1]

Inhaltsverzeichnis

„Bausteine“ des Instinktverhaltens

Instinktverhalten (genauer: eine Instinktbewegung) besteht nach Lorenz aus voneinander unabhängigen Teilelementen, und zwar aus dem angeborenen Erkennen einer auslösenden Situation (vergl. Schlüsselreiz), einem Aktivierungsmechanismus (dem Angeborenen Auslösemechanismus), einer Bewegungskomponente und einem spezifischen inneren Antrieb für die Bewegungskomponente (von Lorenz eingeführt unter der Bezeichnung aktionsspezifische Erregung).

Das Verhalten muss vier Kriterien erfüllen, um als angeboren und damit als Instinktverhalten zu gelten:

Es muss

  • stereotyp sein, (wobei ungerichtete Appetenz sehr variabel sein kann)
  • bei allen Exemplaren einer Art auftreten, (in Abhängigkeit vom Reifezustand)
  • auch bei isoliert aufgezogenen Exemplaren dieser Art auftreten (Sonderfall: Prägung), und
  • auch bei Exemplaren auftreten, die zuvor an der Ausübung der Verhaltensfigur gehindert wurden.

Häufig finden sich bei einem vollständig ablaufenden Instinktverhalten drei Phasen:

  1. Die Basis einer instinktgeleiteten Handlung ist das ungerichtete Appetenzverhalten, das im Rahmen der Instinkttheorie als Suche nach bestimmten Schlüsselreizen aufgefasst wird. Voraussetzung ist eine selektive, für bestimmte Reize sensibilisierte Wahrnehmung der Umwelt und eine aktivierte Handlungsbereitschaft.
  2. Bei Wahrnehmung des gesuchten Schlüsselreizes und bei entsprechender Handlungsbereitschaft findet ein gerichtetes Appetenzverhalten (Taxis, Orientierungsbewegung) statt, eine Ausrichtung auf das Objekt hin.
  3. Diese Bewegung führt zu weiteren Schlüsselreizen, die letztlich die Endhandlung auslösen. Bei Erfolg (z. B. Fangen eines Beutetieres) setzt die vollzogene Endhandlung die Handlungsbereitschaft herab. Sie läuft stets auf die gleiche Art und Weise ab und kann nicht mehr unterbrochen werden.

Die ‚Kontrolle‘ durch die Handlungsbereitschaft ermöglicht einen Abbruch des ursprünglichen Verhaltens und den Übergang zu einem anderen Verhalten, wenn sich die inneren oder äußeren Bedingungen ändern. Beispiel: Ein Vogel auf Nahrungssuche wird diese unterbrechen, wenn er von einer Katze bedroht wird.

Instinktbewegungen können der Theorie zufolge mit sehr unterschiedlicher Stärke auftreten: von ihrer vollen Ausprägung bis hin zu bloß angedeuteten Bewegungen, die als Intentionsbewegungen aufgefasst werden. Auch werden von den Vertretern der Instinkttheorie Bewegungsmuster höchst unterschiedlicher Komplexität als Instinktbewegungen bezeichnet: bei Vögeln zum Beispiel sowohl Kratz- und Pickbewegungen als auch so komplizierte Bewegungsabfolgen wie das Schlingen eines Knotens beim Nestbau mancher Vögel.

Historisches

Das fortschrittliche und grundlegend neue an diesem Konzept war in den 1930er-Jahren, dass tierisches Verhalten weder als rein reaktiv angesehen wurde (wie von den klassischen Behavioristen) noch als Kette starrer Reflexe, sondern dass auch innere Zustandsänderungen - also die Spontaneität des Verhaltens - in Rechnung gestellt wurde. Ferner wurde der Blick besonders auf angeborenes, ererbtes Verhalten gerichtet und auf dessen Plastizität.

Heute spielt die Instinkttheorie in der Verhaltensbiologie kaum noch eine Rolle, da die Hirnforschung bislang keinerlei physiologische Entsprechung zur postulierten aktionsspezifischen Erregung auffinden konnte. Ob dies eher als Mangel der ‚physiologischen Theorie der Instinktbewegung‘ anzusehen oder auf noch bestehende experimentelle Unzulänglichkeiten der Hirnforschung zurückzuführen ist, kann derzeit nicht entschieden werden.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Klaus Immelmann: Verhaltensforschung. Ergänzungsband zu Grzimeks Tierleben, Kindler Verlag, Zürich 1974, S. 635

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