Innere Mazedonische Revolutionäre Organisation

Innere Mazedonische Revolutionäre Organisation

Die Innere Mazedonische Revolutionäre Organisation, kurz IMRO (auch VMRO von bulgarisch Вътрешна Македонска Революционна Организация und mazedonisch Внатрешна Македонска Револуционерна Организација) wurde 1919 gegründet, als Nachfolgeorganisation der am 23. Oktober 1893 in dem zu diesem Zeitpunkt noch zum Osmanischen Reich gehörenden Thessaloniki gegründeten BMARK – Bulgarische Makedonien-Adrianopeler Revolutionäre Komitees (БМОРК – Български Македоно-Одрински революционни комитети).

Inhaltsverzeichnis

Anfänge

Die Gründer der IMRO

Gründungsmitglieder waren neben ihren späteren Führern, Christo Tatartschew und Dame Gruew, Petar Poparsow, Anton Dimitrow, Christo Batandschiew und Iwan Chadschinikolow. 1895 traf Gruew auf Goze Deltschew, der dann schließlich auch dem BMARK beitrat und später noch zu einer der bedeutendsten Personen in der Organisation werden sollte. Ursprüngliches Ziel der BMARK war es, unter der mit der osmanischen Herrschaft unzufriedenen Bevölkerung in Makedonien und Thrakien einen Aufstand zu organisieren, um die Befreiung oder wenigstens Autonomie zu erreichen; zuvor hatten Serbien, Bulgarien und Griechenland zumindest teilweise schon seit Jahrzehnten die Unabhängigkeit erlangt. Zunächst wurde eine Befreiung und Zusammenschluss mit Bulgarien angestrebt. Später änderte man die Strategie dahingehend, dass man im ersten Schritt Autonomie und im zweiten Schritt den Anschluss an Bulgarien nach dem Vorbild Ostrumeliens zu erreichen suchte.

Bewaffneter Kampf

1897 kam es zur ersten Zäsur, als osmanische Polizeitruppen in der Ortschaft Vinica in der Nähe der damaligen osmanisch-bulgarischen Grenze ein Munitionslager der BMARK aufdeckten. Mit den darauffolgenden Verhaftungen und Repressionen gegen BMARK-Mitglieder wandelten sich die BMARK von einer Gruppe idealistischer Revolutionärer zu einer militanten Guerilla, deren Kämpfer man Komitadschi nannte. 1902 folgte die erste Umbenennung in Geheime Makedonien-Adrianopel Revolutionäre Organisation (ТМОРО – Тайна Македоно-Одринска революционна организация ). Die Organisation war mittlerweile in zwei Flügel gespalten: die Autonomisten um Delcev, die als Ziel immer eine Befreiung Makedoniens verfolgten, und die Supremisten, die über Provokation eines Krieges die Annexion durch Bulgarien ohne Widerstände Serbiens und Griechenlands zu erreichen versuchten.

Die Leiter der GMARK in Ostthrakien

Ilinden-Aufstand

Anfang des Jahres 1903 häuften sich Anschläge und Attentate der Geheimen Makedonisch-Adrinopeler Revolutionäre Komitees (GMARK) (ТМОРК – Тайни Македоно-Одрински Революционни комитети), wie die BMARK ab 1902 hießen, auf die Osmanische Truppen mit ungleich härteren Vergeltungsmaßnahmen reagierten. Unter der makedonischen Bevölkerung wuchs die Unruhe, und der geplante konzertierte Aufstand drohte bereits zum verfrühten Selbstläufer zu werden. Serbien und Griechenland nutzten diese Umstände, um ihrerseits bereits paramilitärische Truppen nach Makedonien zu schicken, um im Falle eines Aufstandes reagieren und eine Annexion einleiten zu können. Damit wurden Griechen und Serben ebenso wie die Türken von der GMARK als Feinde betrachtet. Der Aufstand, der eigentlich für den Herbst 1903 geplant war, musste nun vorgezogen werden. Während der Vorbereitungen kam Deltschew ums Leben, dennoch konnte der Ilinden-Preobraschenie-Aufstand wenige Monate später initiiert werden. Mit Ausrufung der Republiken von Kruševo und Strandscha erlebten die GMARK ihren bis dahin größten Erfolg, der aber mit der Niederschlagung des Aufstands zum Trauma wurde.

Zeit bis zu den Balkankriegen

Komitadshi in der bulgarische Armee
Emblem der IMRO mit der Losung „Freiheit oder Tod“

Der in seinen Anfängen erfolgreich verlaufene und schließlich doch desaströse Aufstand führte dazu, dass sich der linke Flügel der Autonomisten nun endgültig von den GMARK abspaltete. 1905 erfolgte abermals eine Umbenennung in IMARO – Innere Makedonien Adrianopel Revolutionäre Organisation (ВМОРО – Вътрешна Македоно-Одринска революционна организация). Vordergründig wurde immer noch die Befreiung Makedonien und Thrakien als Ziel ausgegeben – dies aber nur, um zum einen sich die Unterstützung durch Serbien und Griechenland, die für die IMARO hilfreich war, um die Osmanen zu schwächen, zu sichern, zum anderen weil weder Serbien noch Griechenland oder Österreich-Ungarn den erwünschten Anschluss an Bulgarien ohne weiteres zugelassen hätten.

Einige Jahre lang schränkte die IMARO ihre Tätigkeiten ein, bis sich 1912 der erste Balkankrieg abzeichnete, der damit endete, dass Makedonien zwischen Serbien, Griechenland und zu einem kleineren Teil Bulgarien, das dafür Thrakien und Adrianopel erhielt, aufgeteilt wurde. Während der Balkankriege wurde die Organisation als Makedonien-Adrianopel-Freiwilligen-Korps der bulgarische Armee unterstellt und kämpfte an dessen Seite in Thrakien gegen die Türken, sowie später in Makedonien gegen die Serben und Griechen.

Nachdem Thrakien weitgehend bulgarisch war, benannte sich die Organisation 1919 nun zum letzten mal in den endgültigen Namen IMRO um und setzte ihren Kampf nun nur noch in Makedonien fort.

Radikalisierung

Todor Aleksandrow

Mit Todor Aleksandrow übernahm ein Anhänger eines Großbulgarischen Reiches 1912 die Führung der IMRO und beschritt nun endgültig einen radikalen bulgarisch-nationalistischen Kurs der Organisation. Die IMRO setzte nun ihre Komitadshi genannten Guerilla-Kämpfer immer häufiger ein, um Anschläge und Attentate auf serbische und griechische Ziele auszuüben. Gleichzeitig etablierte sich in Bulgarien ein politischer Arm der IMRO, der als nationalistische Partei am äußersten rechten Rand schon bald erheblichen Einfluss auf die bulgarische Politik während des ausbrechenden Ersten Weltkriegs haben sollte. Die IMRO, die den Kurs des Zaren als Teil der Mittelmächte am Ersten Weltkrieg teilzunehmen unterstützte, erhoffte so, das gesamte Makedonien von Serbien und Griechenland abzutrennen und an Bulgarien anzuschließen. Dennoch erlitt Bulgarien 1919 als Kriegsverlierer abermals erhebliche Gebietsverluste, und der Vertrag von Neuilly-sur-Seine schien nun den Verbleib Makedoniens bei Griechenland und Serbien endgültig zu machen. Der Erste Weltkrieg stürzte Bulgarien darüber hinaus in eine ernste soziale und wirtschaftliche Krise, zu deren Überwindung der damalige Ministerpräsident Aleksandar Stambolijski den Ausgleich mit Griechenland und Serbien suchte.

Eskalation der Gewalt

Damit geriet Stambolijski in die Rolle des Feindbildes Nummer Eins der IMRO und der bulgarischen Offiziers-Elite. Als Instrument des Militärs verübten IMRO-Komitadshi 1923 ein Attentat auf Stambolijski, bei dem dieser ums Leben kam. Mit Stambolijskis Nachfolger Aleksandar Zankow hatte Bulgarien nun wieder eine rechte Regierung, die der IMRO die Hoheit über Pirin-Makedonien verlieh. Die IMRO übernahm die Kontrolle über die Grenze zwischen Bulgarien und dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen und unterstützte nicht nur die rechte Regierung, sondern knüpfte auch enge Kontakte zum faschistischen Italien unter Benito Mussolini.

1924 übernahm der Revisionist Iwan Michajlow die Führung der IMRO, die ab diesem Zeitpunkt immer häufiger Anschläge ausübte. Diesmal konzentrierten sich die Anschläge nicht nur auf Serbien und Griechenland, sondern fanden in ganz Europa statt. Ihren Höhepunkt erreichte die Gewalt 1934, als Vlada der Chauffeur in Marseille das von der IMRO in Zusammenarbeit mit der kroatischen Ustascha geplante Attentat auf den jugoslawischen König Alexander I. und den französischen Außenminister Louis Barthou verübte, bei dem beide ums Leben kamen. Damit besiegelte die IMRO ihr Schicksal, da das bulgarische Militär nicht mehr länger gewillt war, die durch die IMRO provozierte Angreifbarkeit Bulgariens hinzunehmen. Die IMRO wurde faktisch entmachtet. Nachdem der Kommunismus auch Bulgarien erreicht hatte, spaltete sich IMRO.

In der Gegend von Petritsch in der Oblast Blagoewgrad hatte die IMRO seit Jahren einen „Staat im Staate“ errichtet. Es wurden eigene Steuern erhoben, das öffentliche Leben überwacht und ein Guerillakrieg mit Serbien bzw. Jugoslawien geführt, der das außenpolitische Verhältnis zwischen Sofia und Belgrad belastete.[1]

Abspaltung des linken Flügels

Bereits 1925 fanden sich in Wien mehrere ehemalige Anhänger des linken Flügels der IMRO zusammen und gründeten die Vereinigte IMRO (ВМРО (обединета)), die sich vom bulgarischen IMRO-Kurs distanzierte und stattdessen in der Tradition der Republik Kruševo sah. Man verfolgte immer noch die Idee eines unabhängigen Makedoniens, in dem alle „Nationalitäten die hier leben und gelebt haben, […] Bulgaren, Albaner, Türken, Juden, Walachen, Griechen, Roma“ nach dem Vorbild der Sowjetunion zusammenleben sollten. Es wurden enge Kontakte zu kommunistischen Parteien auf dem Balkan und der KPdSU geknüpft und die Vereinigte IMRO schließlich durch die Komintern anerkannt. Es entwickelte sich eine enge Zusammenarbeit vor allem mit der Kommunistischen Partei Griechenlands. Die Vereinigte IMRO löste sich zwar 1936 auf, wirkte aber im Wesen noch bis in den Griechischen Bürgerkrieg nach. Spätestens ab 1948 wurde die IMRO nun auch in Jugoslawien Vergangenheit. In den darauffolgenden Jahrzehnten entwickelte sich immer mehr eine Mystifizierung und Glorifizierung der IMRO, insbesondere in Jugoslawien.

Namen

  • 1893 – Bulgarische Makedonisch-Adrianopeler Revolutionäre Komitees (BMARK)
  • 1902 – Geheime Makedonisch-Adrianopeler Revolutionäre Komitees (GMARK)
  • 1905 – Innere Makedonisch-Adrianopeler Revolutionäre Organisation (IMARO)
  • 1919 – Innere Makedonische Revolutionäre Organisation (IMRO)

Die IMRO arbeitete mit weiteren Unterorganisationen wie zB. der Inneren Thrakischen Revolutionären Organisation (ITRO), Innere Dobrudschanische Revolutionäre Organisation (IDRO) und der Inneren Westgebiete Revolutionären Organisation (IWRO).

(siehe auch Innere Revolutionäre Organisation, IRO)

Bedeutende Persönlichkeiten

Wiederentdeckung

Als es im Zuge der politischen Umwälzungen in Osteuropa 1990 überall zu zahlreichen Parteigründungen kommt, wird die IMRO wiederentdeckt. In der Republik Mazedonien wird 1990 die VMRO-DPMNE (ВМРО-Демократска партија за македонско национално единство – IMRO-Demokratische Partei für Mazedonische Nationale Einheit) gegründet, die an die IMRO Goce Delcevs anknüpft und dabei eine Kontinuität suggeriert, die es so nicht gegeben hat.

In Bulgarien wurde ebenfalls 1990 die rechts-konservative Partei VMRO-BND (ВМРО-Българско национално движение – VMRO-Bulgarische Nationale Bewegung) vom Bund der Mazedonischen Kulturvereine gegründet, die ebenfalls an die Geschichte der IMRO – allerdings an den bulgarisch-nationalen Flügel – anknüpft. Am 9. März 2010 wurde in Bulgarien die VMRO-NIE, als eine Abspaltung der VMRO-BND gegründet.

Am 14. Juli 2004 gründete der ehemalige Ministerpräsident und Vorsitzender der VMRO-DPMNE Ljubčo Georgievski eine eigene Partei unter den Namen VMRO-NP (ВМРО-Народна партија – IMRO-Volkspartei), die an die Kontinuität in den Aufgaben und Zielen der IMRO anknüpfen will und sich für engere Beziehungen mit Bulgarien einsetzt.

Einzelnachweise

  1. Claudia Weber: Auf der Suche nach der Nation. Erinnerungskultur in Bulgarien von 1878–1944. (=Studien zur Geschichte, Kultur und Gesellschaft Südosteuropas 2.) Lit-Verlag, Münster 2006, ISBN 3-8258-7736-1, S. 248.

Literatur

  • Die „Innere Makedonische Revolutionäre Organisation“ und die Außenpolitik der Weimarer Republik (1919-1933) In: Stefan Troebst: Das makedonische Jahrhundert: von den Anfängen der nationalrevolutionären Bewegung zum Abkommen von Ohrid 1893-2001. Ausgewählte Aufsätze, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2007; ISBN 3-486-58050-7, 9783486580501; 461 Seiten (bei google-books verfügbar)

Weblinks

 Commons: Innere Mazedonische Revolutionäre Organisation – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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