Inkommensurabel

Inkommensurabel

Inkommensurabilität (Gegensatz: Kommensurabilität, adj. (in)kommensurabel) leitet sich ab vom lateinischen mensura (Maß), meint wörtlich übersetzt also „nicht zusammen messbar“, "ohne gemeinsames Maß". Im unspezifischen, allgemeinsprachlichen Verwendungskontext gibt es unterschiedliche Verwendungsweisen:

  • zwei verschiedene Sachverhalte gehorchen ganz unterschiedlichen Gesetzen, Kategorien oder Maßstäben und sind darum nicht direkt oder überhaupt nicht miteinander vergleichbar, weil die Maßstäbe des einen nicht die des anderen sind[1]
  • ein Gegenstand, ein Sachverhalt oder eine Größe entzieht sich jedem Vergleich.
  • (unüblicher) zwei verschiedene Sachverhalte können überhaupt nicht miteinander vereinbar sein in dem Sinne, dass sie nicht gleichermaßen wahr sein können, so dass einer von beiden strikt falsch sein muss.

Darüber hinaus wird der Ausdruck "inkommensurabel" in verschiedenen Kontexten spezifischer verwendet:

  • in der Physik für die Unvergleichbarkeit physikalischer Größen, siehe Inkommensurabilität (Physik)
  • in der Mathematik heißen zwei Werte, die (nicht) durch die gleiche Zahl ohne Rest teilbar sind, (in)kommensurabel, siehe Inkommensurabilität (Mathematik)
  • An die mathematische Nichterreichbarkeit irrationaler Größen durch rationale "Maße" knüpft die metaphysische These an, dass es keine Proportionalität zwischen dem Unendlichen und jedwedem Endlichen gebe.[2]
  • innerhalb der modernen Wissenschaftstheorie quantitativer Begriffe (s. Maßtheorie, Metrik) hat Carl Gustav Hempel ein formales Prinzip der Kommensurabilität definiert[3]
  • in der Wissenschaftstheorie von Thomas Samuel Kuhn meint Inkommensurabilität eine lokale Unübersetzbarkeit zentraler Begriffe konkurrierender wissenschaftlicher Theorien, welche bei Paradigmenwechseln eine Rolle spielt. Kuhn schließt daraus, dass in diesem Fall kein einfacher Term-zu-Term Vergleich durchführbar ist. Trotzdem hält Kuhn inkommensurable Theorien nicht für generell unvergleichbar; ein Vergleich kann nach Kuhn z.B. durch unabhängig vom Paradigma geteilte Werte wie Genauigkeit, Einfachheit, interne und externe Konsistenz, trotzdem stattfinden, siehe Inkommensurabilität (Wissenschaftstheorie)
  • in der Theologie für Aussagen, Vorstellungen oder Auslegungen, wenn sich ein Gegensatz zwischen ihnen darstellen lässt, der auf der Anwendung unterschiedlicher Maßstäbe beruht (beispielsweise ein Vergleich zwischen zeitlichen und ewigen Gegenständen oder Gesichtspunkten).

Einzelnachweise

  1. So definiert beispielsweise Helmut Glück (Hg.): Metzler-Lexikon Sprache, 2. A., Stuttgart, Weimar: Metzler 2000, Art. Kommensurabel, S. 354: "[...] Nach denselben Kategorien analysierbare, mit einem geschlossenen System von Termini gleichermaßen beschreibbare, mit demselben Maß meßbare, vergleichbare (Klassen von) Gegenstände(n)."
  2. Sie findet sich etwa bei Aristoteles, De caelo 1, 6, 274a7-8 und bei vielen mittelalterlichen Theoretikern, am bekanntesten vielleicht bei Nikolaus von Kues, s. dazu z.B.: Johannes Hirschberger: Das Prinzip der Inkommensurabilität bei Nikolaus von Kues, in: Mitteilungen und Forschungsbeiträge der Cusanus-Gesellschaft 11, Mainz 1975, S. 39 - 54.
  3. Erläutert und diskutiert bei W. Stegmüller, Probleme und Resultate der Wissenschaftstheorie und Analytischen Philosophie, Bd. 2/1: Theorie und Erfahrung, Springer Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 1970, 57-61

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