Infibulation

Infibulation

Eine Infibulation (lat. fibula „Spange“)[1] ist die (teilweise) Verschließung der menschlichen Genitalöffnung mit dem Ziel, Koitus (Geschlechtsverkehr) und Masturbation (Selbstbefriedigung) zu verhindern.[2] Die Infibulation ist seit dem Altertum bekannt und wird in neuerer Zeit noch bei Naturvölkern beobachtet.[3]

Inhaltsverzeichnis

Infibulation des männlichen Genitals

Bei Männern wird das Praeputium (Vorhaut des Penis) mit einem eingesetzten Ring verschlossen, damit die Vorhaut nicht mehr zurückgestreift werden kann.[4] Als Infibulation wird aber in älteren Quellen auch die Durchspießung der Glans penis (Eichel des Penis) bei Männern durch z. B. Knochenspangen zu Schmuckzwecken und zur Reizerhöhung beschrieben.[5] Heute verwendet man dafür die Bezeichnung Piercing, die es damals noch nicht gab.

Infibulation des weiblichen Genitals

Die Infibulation bei Frauen (synonyme Bezeichnung: pharaonische Beschneidung[6]) steht für die in einigen Kulturen noch heute praktizierte Entfernung der ganzen oder eines Teils der äußeren Genitalien mit anschließender Verengung der Vaginalöffnung: Nach Entfernung von Klitoris und kleinen Schamlippen sowie der Innenseiten der großen Schamlippen werden die Wundränder beispielsweise mit Seide oder Tierdarm vernäht oder mit Dornen verklammert[7]. Verheilt die verbleibende Haut der großen Schamlippen, bildet sich so eine Brücke aus Narbengewebe über der Vaginalöffnung. Durch Einführen eines Fremdkörpers wird eine kleine Öffnung für den Abfluss von Urin und Menstruationsblut gewährleistet.[8] Beim ersten Geschlechtsverkehr muss die Infibulation u. U. teilweise und zum Gebären eines Kindes vollständig geöffnet werden (Defibulation). Nach Geburten außerhalb von Krankenhäusern wird fast immer, in Kliniken manchmal eine Re-Infibulation, also ein erneutes Verschließen der Scheidenöffnung vollzogen.[9] Die höchste Verbreitung hat diese Praktik im Sudan. Etwa 90 Prozent aller im Nordsudan lebenden Frauen untergingen in ihrer Kindheit einer Infibulation.[10]

Siehe auch Formen der Beschneidung weiblicher Genitalien.

Literatur

  • D. Schultheiss, J. Mattelaer, F.Hodges: Preputial infibulation: from ancient medicine to modern genital piercing. BJU International, 2003, Nr. 92, S. 758–763, doi: 10.1046/j.1464-410X.2003.04490.x

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. nach Pschyrembel Klinisches Wörterbuch. 261. Auflage, 2007, Lemma Infibulation
  2. Grunddefinition aktueller deutschsprachiger medizinischer Fachwörterbücher
  3. Satz nach Günter Thiele (Hrsg.): Handlexikon der Medizin. 1980, 1. Band A-K, Lemma Infibulation
    Roche Lexikon Medizin. 5. Auflage, 2003, Lemma Infibulation
  4. Satz nach Pschyrembel Klinisches Wörterbuch. 261. Auflage, 2007, Lemma Infibulation
  5. vgl. Günter Thiele (Hrsg.): Handlexikon der Medizin, 1980, 1. Band A-K, Lemma Infibulation und Zetkin-Schaldach (Hrsg.): Wörterbuch der Medizin, VEB Verlag Volk und Gesundheit, Berlin, 1978, Lemma Infibulation
  6. Christine Binder-Fritz, Christian Dadak (Hg.): Die weibliche Genitalverstümmelung aus ethnomedizinischer Sicht - 1. Hintergrund und Definition In: Sexualität, Reproduktion, Schwangerschaft, Geburt, 2. Auflage, S. 273; Facultas Verlag, 2009. ISBN 3708905350 Volltext
  7. Infibulation In: Brockhaus Enzyklopädie 2002 digital
  8. Anna Kölling: Weibliche Genitalverstümmelung im Diskurs: Exemplarische Analysen zu Erscheinungsformen, Begründungsmustern und Bekämpfungsstrategien, 1. Auflage, S. 14; LIT Verlag Berlin-Hamburg-Münster, 2008. ISBN 9783825818210 Volltext
  9. Rebecca J. Cooka and Bernard M. Dickens: Special commentary on the issue of reinfibulation. International Journal of Gynecology & Obstetrics, 109, 2, Mai 2010, S. 281-287.
  10. Vanja Berggren, Gerais Abdel Salam, Staffan Bergström, Eva Johansson, Anna-Karin Edberg: An explorative study of Sudanese midwives’ motives, perceptions and experiences of re-infibulation after birth. In: Midwifery, 20,4, Dezember 2004, S. 299-311, hier S. 300.

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