Industriearchäologie

Industriearchäologie

Industriearchäologie ist im engeren Sinne die Erforschung der materiellen Hinterlassenschaft früherer technischer Produktion. Sie steht jedoch in engem Kontext mit Begriffen wie „Industriekultur“, „Industrielle Denkmäler“, „Kulturlandschaftsforschung“ und „Wüstungsforschung“ und kann daher auch umfassender als Methode zur Erforschung und Katalogisierung der Kulturlandschaft verstanden werden. Es handelt sich hierbei um eine ganzheitliche Auseinandersetzung mit der Kulturgeschichte des industriellen Zeitalters, im speziellen mit der Entwicklung des geografischen Raumes in der industriellen Kulturlandschaft. In Deutschland hat sich dieser, in England erstmals verwendete, Begriff der Industriearchäologie nie so richtig durchsetzen können. In Deutschland wird häufig der Begriff „Industriekultur“ verwendet.

Wie viele der geographischen Themen stellt sich die Industriearchäologie ebenso interdisziplinär dar. In den 1950er Jahren wurde begonnen, die Strukturen ehemaliger Industrieanlagen zu dokumentieren. Die typisch archäologische Arbeitsweise der Ausgrabung kommt dabei nur begrenzt zum Einsatz, da viele der Denkmäler noch über dem Boden erhalten sind. Im Vordergrund steht eine Dokumentation, die der Bauaufnahme entspricht, wie sie in der Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit praktiziert wird. Aus Sicht der Archäologie ist die Industriearchäologie nur ein Teilgebiet der "Archäologie der Neuzeit", die auch Themen des nicht-technischen Bereiches abdeckt (Kulturlandschaft, Mentalitätsgeschichte, Monumente der jüngeren Geschichte [z.B. Kriegsgefangenenlager, KZ, innerdeutsche Grenze]). Auswertungen zu Grundproduktion und Handwerk prähistorischer Zeit wurden forschungsgeschichtlich jedoch ebenfalls als Teil der Industriearchäologie verstanden und spielten bei ihrer Entwicklung eine wesentliche Rolle (Richard Pittioni).

Als einzige deutsche Universität bietet die Technische Universität Bergakademie Freiberg Industriearchäologie als Bachelor-/Masterstudiengang an.

Die wohl national bekannteste Maßnahme der Öffentlichkeitsarbeit für das Thema ist die „Route der Industriekultur“ im Ruhrgebiet. Hierbei handelt es sich vorwiegend um eine Tourismusinitiative des Landes Nordrhein-Westfalen, in der 46 Standorte der ehemaligen Industrielandschaft in verschiedenen Routen anzusteuern sind. Die Ruhrgebietsroute war beispielgebend für die Europäische Route der Industriekultur (ERIH).

Die Nachnutzung ehemaliger Industriekomplexe ist vielschichtig. Beispiele hierfür sind:

Nicht anerkannte Teilbereiche

Aus der weiten Streuung des Themenbereiches haben sich Unterkategorien ausgebildet, die aber nicht anerkannt sind. Sie haben umgangssprachlich Bedeutung, das heißt die professionelle Wissenschaft wird Tätigkeit in einem solchen thematischen Segment weiterhin als Industriearchäologie bezeichnen, während die Bearbeitung des Themas im Rahmen der Freizeitbeschäftigung ("Hobby-Archäologie") mit dem Begriff der Unterkategorie angesprochen wird.

So wird beispielsweise die Suche nach Resten stillgelegter Eisenbahnstrecken von Eisenbahnfreunden auch Eisenbahnarchäologie genannt, während Straßenbahnenthusiasten bei der Suche nach stillgelegten Straßenbahnabschnitte von Gleisarchäologie sprechen, auch wenn sich die Tätigkeit (Wiederauffindung von Gleistrassen) ähnelt.

Literatur (Auswahl)

  • Maurice Daumas: L' archéologie industrielle en France. Laffont, Paris 1980, ISBN 2-221-50108-X, (Les hommes et l'histoire).
  • Manfred Hösch: Lagetypologie der Industriebetriebe im Viertel unter dem Wienerwald bis 1850. Wien, Techn. Universität, Diss. 1984, Katalogzettel Österreichische Nationalbibliothek.
  • Industriearchäologie. Studien zur Erforschung, Dokumentation und Bewahrung von Quellen zur Industriekultur. Zweckverband Sächsisches Industriemuseum, Chemnitz, 1, 2001–*, ISSN 1617-8998.
  • Ulrich Linse: Die Entdeckung der technischen Denkmäler. Über die Anfänge der „Industriearchäologie“ in Deutschland. In: Technikgeschichte 53, 1986, ISSN 0040-117x, S. 201–222.
  • Frank Norbert Nagel (Hrsg.): Kulturlandschaftsforschung und Industriearchäologie. Ergebnisse der Fachsitzung des 52. Deutschen Geographentags Hamburg. Verlag Steiner, Stuttgart 2001, ISBN 3-515-07950-5, (Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft in Hamburg 91).
  • Frank Norbert Nagel (Hrsg.): Türme · Schornsteine · Industrie-Mühlen · Land-Art. Bedeutung und Bewertung von Landmarken in der Kulturlandschaft. Institut für Geographie u. a., Hamburg u. a. 2006, ISBN 3-8334-5035-5, (Kulturlandschaftsforschung und Industriearchäologie 2).
  • Marilyn Palmer, Peter Neaverson: Industrial Archaeology. Principles and Practice. Routledge, London u. a. 1998, ISBN 0-415-16626-8.
  • Christiane Segers-Glocke (Hrsg.): Auf den Spuren einer frühen Industrielandschaft. Naturraum - Mensch - Umwelt im Harz. Niemeyer, Hameln 2000, ISBN 3-8271-8021-X, (Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen 21).
  • Rainer Slotta: Einführung in die Industriearchäologie. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1982, ISBN 3-534-07411-4.
  • Gerhard A. Stadler: Das industrielle Erbe Niederösterreichs. Geschichte, Technik, Architektur. Böhlau, Wien 2006, ISBN 3-205-77460-4.
  • Manfred Wehdorn: Die Baudenkmäler des Eisenhüttenwesens in Österreich. (Ein Beitrag zur Erforschung u. Erhaltung techn. -wirtschaftl. Bauten.) Wien, Techn. Hochschule, Diss. 21. März 1969, Katalogzettel Österreichische Nationalbibliothek.

Weblinks

 Commons: Industriearchäologie – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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