In-vitro-Befruchtung

In-vitro-Befruchtung

Die In-vitro-Fertilisation (IVF) – lateinisch für „Befruchtung im Glas“ – ist eine Methode zur künstlichen Befruchtung. In Deutschland ist diese Behandlung zulässig, wenn bei einem (Ehe-)Paar ein Jahr lang trotz regelmäßigem, ungeschütztem Geschlechtsverkehr die Schwangerschaft ausbleibt.

Inhaltsverzeichnis

Ablauf der In-vitro-Fertilisation

Spermien- und Eizellen-Gewinnung

Überprüfung auf Fehler im Erbgut: Bei Verdacht auf Vorliegen von Erbkrankheiten, erfolgt im Regelfall eine Chromosomenuntersuchung, zur Feststellung schwerer vererbbarer Krankheiten (z.B. Mukoviszidose, die auf Fehlern in bestimmten Abschnitten von Chromosom Nr. 7 beruht).

Downregulation: Durch Gabe bestimmter Medikamente GnRH-Analoga/-Agonisten, GnRH-Antagonisten oder Anti-Baby-Pille wird die Eigentätigkeit der Eierstöcke gedrosselt, damit anschließend mehr als eine Eizelle zum Heranreifen gebracht werden kann.

Ovarielle Stimulation: Durch Hormonbehandlung werden mehrere Eizellen zur Reifung gebracht. Die Frau spritzt sich ca. 15 Tage lang mit einem sog. Pen (Spritze) das FSH (Follicle Stimulating Hormone) in einer festgelegten Dosis subkutan, d.h. unter die Bauchdecke.

Überprüfung der Spermien: Spermien werden, auf Anzahl, Form, Beweglichkeit und Infektionen überprüft.

Überwachung des Follikelwachstums: Ab dem circa 3. Zyklustag werden die Follikel mittels Ultraschall überwacht. Die Bauchdecke der Frau kann sich leicht anspannen.

Auslösung des Eisprungs: Die Ovulation der Eizellen wird durch das Hormon HCG ausgelöst.

Eizellenpunktion: Die Follikelflüssigkeit wird unter Vollnarkose transvaginal, ultraschallgesteuert mit einem stabförmigen Schallkopf, der mit einer Punktionsnadel versehen ist, aus den einzelnen Follikeln punktiert.

Spermiengewinnung: Spermien zur Befruchtung der Eizelle werden zumeist parallel zur Eizellenpunktion durch Masturbation oder einen mikrochirurgischen Eingriff (TESE, s.u.) gewonnen.

Befruchtung

Die gewonnenen Eizellen werden befruchtet. Dies gelingt mit einer Erfolgsrate von ca. 50% bis 70 %. Dazu gibt es 3 Methoden.

Klassische In-vitro-Fertilisation (IVF)

Die Eizellen werden mit dem aufbereiteten Sperma (natürliche Selektion der mobilen und schnellen Spermien) in einem Reagenzglas zusammengebracht. Es findet eine spontane Befruchtung statt.

Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI)

Die ICSI wird bei gestörter Beweglichkeit der Spermien, Spermien-Antikörpern oder sehr niedriger Spermienanzahl im Ejakulat verwendet. Eine weitere Indikation ist die ausgebliebene Befruchtung bei der klassischen In-Vitro-Fertilisation (s. oben)trotz unauffälliger Samenparameter. Bei der ICSI wird ein einzelnes Spermium unter mikroskopischer Sicht mittels eines Mikromanipulators in die vorbereitete Eizelle injiziert.

Eine Sonderform stellt die Intracytoplasmic Morphologically Selected-Sperm Injection (IMSI) dar, bei der das verwendete Spermium unter einem hochauflösenden Mikroskop anhand morphologischer Kriterien ausgesucht wird[1]. Ob der IMSI ein Nutzen zukommt, ist durch größere Studien bisher nicht belegt.

Testikuläre Spermien Extraktion mit ICSI (TESE-ICSI)

Dasselbe Vorgehen wie bei der ICSI, jedoch werden die Spermien nicht aus dem Ejakulat, sondern aus einer Hodenbiopsie gewonnen. Verwendung findet es bei einem Verschluss der ableitenden Samenwege.

Nachbefruchtungsphase und Embryonentransfer

Kultur der Embryonen: Zygoten werden im Brutschrank kultiviert und einer Qualitätskontrolle unterzogen.

Embryonentransfer: Optimalerweise werden 2 Embryonen in den Uterus transferiert. Dies geschieht entweder am 2. Tag nach Befruchtung (4-Zell-Stadium) oder am 5. Tag nach Befruchtung (Blastozysten-Stadium). Überzählige imprägnierte Eizellen im Vorkernstadium (ca. 16-20 h nach Befruchtung zunächst 2 Vorkerne - jeweils Genmaterial aus Samen-u. Eizelle ) oder Embryonen (in Deutschland nur als Notfallmaßnahme erlaubt) können in flüssigem Stickstoff tiefgefroren (Kryokonservierung) werden. Vor dem 35. Lebensjahr sollten im Allgemeinen nicht mehr als 2 Embryonen transferiert werden, da sonst das Risiko von Mehrlingen und einer damit verbundenen Risikoschwangerschaft hoch ist.

Zeit des Abwartens: 14 Tage nach der Follikelpunktion kann ein Schwangerschaftstest mit sicherer Aussage (Blutentnahme, HCG-Bestimmung) gemacht werden.

Die Erfolgsrate, ein Kind auszutragen, liegt bei ungefähr 20%-40% und ist in hohem Maß vom Alter der Frau zum Zeitpunkt der Eizellentnahme und den nationalen Gesetzgebungen abhängig.

Rechtliche und ethische Probleme

Elternkombinationen

Bei der IVF ist es möglich, dass die genetische und die soziale Elternschaft auseinanderfallen. So ist es im Extremfall denkbar, dass die Eizelle einer Spenderin mit der Samenzelle eines Spenders befruchtet und die auf diese Weise entstandene Zygote einer Leihmutter eingesetzt wird. Zusammen mit den sozialen Eltern ist hier also die (Teil-)Elternschaft von bis zu fünf Personen denkbar.

Derartige Kombinationen sind allerdings ethisch problematisch und nicht erwünscht. In manchen Ländern sind Eizellspenden und/oder Leihmutterschaften deshalb verboten, in vielen anderen gesetzlich geregelt. In Deutschland sind sowohl die Eizellspende als auch die Leihmutterschaft durch das Embryonenschutzgesetz verboten. Dagegen ist die Samenspende erlaubt, was angesichts des Gleichbehandlungsgrundsatzes kritisch diskutiert wird. Werden die Samen des Partners verwendet, spricht man von "homologer", bei der Verwendung von Samen dritter (meist unbekannter) Spender von "heterologer" Samenspende.

Erzeugung und Übertragung mehrerer Embryonen

Eine weitere Problematik betrifft die Erzeugung überzähliger Embryonen. Die künstliche Befruchtung wird, um die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft zu erhöhen, meist an mehreren Eizellen durchgeführt. Die so entstandenen Zygoten werden jedoch oft nicht alle in die Gebärmutter der Frau eingesetzt. Wie mit den „überschüssigen“ Embryonen umgegangen wird bzw. werden soll, ist ein ethisch-moralisches Problem, das in vielen Ländern unterschiedlich gehandhabt wird.

Zum großen Teil werden diese Embryonen „verworfen“, also abgetötet, zum kleinen Teil im Rahmen der umstrittenen Embryonenforschung verwendet: Beides ist in Deutschland aufgrund des Embryonenschutzgesetzes allerdings verboten. Eine andere Möglichkeit, die überzähligen Embryonen zu bewahren, ist die Kryokonservierung, bei der die Embryonen in flüssigem Stickstoff konserviert und für eine spätere Behandlung aufbewahrt werden.

Um dem Problem der in Deutschland verbotenen Verwerfung entwicklungsfähiger Embryonen und der Erzeugung von Embryonen "auf Vorrat" zu begegnen, dürfen imprägnierte Eizellen im sogenannten Vorkernstadium, also vor der Verschmelzung des mütterlichen und väterlichen Erbguts, zulässigerweise kryokonserviert werden. Diese imprägnierten Eizellen können später aufgetaut werden und sich zu Embryonen entwickeln, die in die Gebärmutter übertragen werden.

Abtötung überzähliger Embryonen

Bei einer Mehrlingsschwangerschaft mit mehr als drei Föten besteht Gefahr sowohl für die körperliche (Eklampsie, Thrombo-Embolie) und seelische Gesundheit der Mutter, wie auch für die Kinder, da sie ein Geburtsgewicht von 1250g (Minimumgewicht für eine gute Prognose für die körperliche und geistige Gesundheit) mit hoher Wahrscheinlichkeit so nicht erreichen. Hierfür soll nach Bundesärztekammer[2] zunächst mit allen Mittel versucht werden, die Schwangerschaft auf drei Föten zu begrenzen. Pro IVF-Zyklus dürfen demnach in Deutschland deshalb maximal drei Embryonen eingesetzt werden[3]. Sollte es trotz aller Vorsicht, z.B. im Rahmen einer Hormontherapie, zu einer höhergradigen Mehrlingsschwangerschaft kommen, besteht die Möglichkeit der Mehrlingsreduktion durch Fetozid (intrauterine Tötung einzelner Föten) des am Besten erreichbaren Fötus. Nur bei konkretem Anhalt für eine Gefährdung von Mutter und / oder Kind wäre im Einzelfall eine Reduktion auf unter drei Föten möglich.

Sozialrechtliche Situation in Deutschland

Bis zum Jahre 2003 kamen die gesetzlichen Krankenkassen für vier volle Behandlungszyklen auf, inzwischen werden nur noch drei zur Hälfte übernommen. Die restlichen Kosten müssen selbst getragen werden. Die Kostenübernahme ist in § 27a SGB V geregelt.

Sozialrechtliche Situation in Österreich

Bei bestimmten Indikationen übernimmt der österreichische IVF-Fonds seit dem Jahr 2000 bei bis zu vier IVF-Behandlungen 70 Prozent der Arzneimittel- und Behandlungskosten. Tritt bei einer Behandlung eine Schwangerschaft bis zur achten Woche ein (Herzschlag muss am Ultraschall ersichtlich sein), dann können wieder bis zu vier Behandlungszyklen beansprucht werden. Des Weiteren ist im Gegensatz zu Deutschland, das die (Blastozyste)nkultur auch unter den restriktiven Bedingungen des Embryonenschutzgesetzes (ESchG) rechtlich zulässt, in Österreich die weitere Kultivierung aller imprägnierten Eizellen und damit auch aller entstehenden Embryonen sowie die anschließende Embryoselektion erlaubt.

Sozialrechtliche Situation in der Schweiz

In der Schweiz werden die Kosten für eine In-vitro-Fertilisation nicht von der Krankenkasse übernommen. Einzig bei der Steuererklärung der Frau (des Ehepaars) besteht die Möglichkeit, die gesamten Auslagen als Krankheitskosten geltend zu machen und somit einen kleinen Teil der Ausgaben wieder einzusparen.

Gesundheitliche und psychische Probleme

Der Prozess einer IVF als sehr aufwendige Behandlung im Zuge einer künstlichen Befruchtung (z. B. im Vergleich zur Insemination) ist für beide beteiligten Partner eine starke Belastung.

  • Im psychischen Bereich stehen bei Mann und Frau gleichermaßen der – evtl. langjährige – erfolglose Kinderwunsch sowie der Leistungsdruck im Vordergrund. Der Kinderwunsch bzw. dessen Erfüllung liegt vermeintlich sehr nahe. Ohne Schwangerschaft verlaufene Behandlungszyklen können bis hin zu Depressionen führen. Im Extremfall kann die Beziehung auseinanderbrechen.
  • Im gesundheitlichen Bereich ist vor allem die Frau betroffen. Die notwendigen, oftmals über Monate oder Jahre andauernden Hormonbehandlungen mit starken Dosen können zu Gemütsschwankungen, Gewichtszunahme, Ödemen, gesteigertem Infarktrisiko etc. führen. Die Entnahme der Eizellen stellt eine Operation mit allen zugeordneten Risiken (Infektion, Verletzung innerer Organe etc.) dar. Die Tatsache, dass auch bei einer vom Mann verursachten Kinderlosigkeit die Frau den körperlichen und medizinischen Hauptaufwand trägt, kann wiederum zu psychischem Druck und partnerschaftlichen Problemen führen.

Trotz dieses Problemkomplexes ist oft zu beobachten, dass Paare bei anhaltendem Misserfolg dennoch immer wieder die Strapazen einer erneuten Behandlungen auf sich nehmen, auch auf eigene Kosten. Beendet wird dies dann nur noch durch Resignation, Erschöpfung der finanziellen Mittel oder Ablehnung der behandelnden Ärzte aufgrund zu hohen Risikos oder keinerlei Erfolgsaussicht.

Erfolgsaussichten

Die Erfolgsaussichten bei der IVF sind stark von unterschiedlichen Faktoren abhängig, wie z. B. dem Alter der Frau, der Anzahl der befruchteten Embryonen und ähnlichem. Auch die psychische Belastung bei Maßnahmen wie der IVF sollte nicht unterschätzt werden und kann die Erfolgsaussichten beeinflussen.

Unabhängige statistische Untersuchungen werden jährlich im deutschen IVF-Register veröffentlicht[4]. Global lässt sich sagen, dass für ca. 40 Prozent der Paare die IVF erfolgreich verläuft (wobei hierfür mehrere IVF-Zyklen notwendig sind). In Deutschland wird ca. jedes 80. Kind per IVF gezeugt, jedes zehnte Paar benötigt ärztliche Unterstützung bei der Erfüllung des Kinderwunsches.

Untersuchungen im Bereich der Epigenetik ergaben, dass Kinder aus IVF theoretisch eine leicht erhöhte Wahrscheinlichkeit haben, an genetisch bedingten Störungen zu erkranken. Die vermuteten Zahlen konnten in der Praxis zum Teil nachvollzogen werden. So erkranken Kinder, die durch eine künstliche Befruchtung gezeugt wurden, drei- bis sechsmal häufiger am Größenwuchs-Syndrom als natürlich gezeugte Kinder.

Quellen

  1. Berkovitz A. et al.; How to improve IVF-ICSI outcome by sperm selection; Reprod Biomed Online. 2006 May;12(5):634-8.
  2. Stellungnahme der "Zentralen Kommission der Bundesärztekammer zur Wahrung ethischer Grundsätze in der Reproduktionsmedizin, Forschung an menschlichen Embryonen und Gentherapie" - Mehrlingsreduktion mittels Fetozid, 07.08.1989, [1]
  3. (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 ESchG); http://bundesrecht.juris.de/eschg/BJNR027460990.html Gesetz zum Schutz von Embryonen
  4. Webseite des Deutschen IVF-Registers

Siehe auch

Weblinks

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