Immurium

Immurium

Die römische Siedlung und Straßenstation Immurium in den Ostalpen ist ein besonders gutes Beispiel für einen Versorgungskomplex entlang einer römischen Hauptstraße.

Geschichte

Sie befindet sich bei Schloss Moosham (Gemeinde Unternberg), unweit der Kreuzung zwischen Iuvavum (Salzburg), Virunum (Zollfeld nördlich von Klagenfurt) und Teurnia, dem heutigen St. Peter in Holz. Die Siedlung liegt unüberbaut an einem windgeschützten Südhang auf etwa 1100 Metern Meereshöhe, in erhöhter Lage über dem Murtal. Die Bauten passen sich dem teilweise steilen Gelände an, darunter mehrere Wohnhäuser, ein Bad, ein Mithräum und das Stationsgebäude. Der Großteil der Erkenntnisse stammt aus einer Grabung, die zwischen 1964 und 1970 durchgeführt wurde und im Zuge derer insgesamt zehn Gebäude erforscht werden konnten.

Von den ergrabenen Gebäuden scheint die sogenannte Mansio J das älteste zu sein. Es handelt sich dabei um einen mindestens 32.30 x 22.85 m großen Komplex, bei dem in typischer Weise Räume und Stallungen um einen zentralen Hof angeordnet sind. Der Südostteil des rechteckigen Hofes ist inzwischen abgerutscht, eine etwa drei Meter breite Einfahrt findet sich im Südwesten. Zwei Räume im Norden der Mansio verfügen über Hypokaustheizungen, die bevorzugten Räume werden im Südosten talseitig rekonstruiert. Mörtelbruchstück mit Rutenabdrücken deuten darauf hin, dass die Fundamente aus Bruchstein aufgehendes Mauerwerk in der Technik des opus craticium trugen. Es haben sich keine Hinweise auf das Vorhandensein eines Oberstockes gefunden, ebenso gibt es keinen Keller. Hinweise auf die Ausstattung geben Fragmente von bunt bemaltem Wandverputz und blaugrünem Fensterglas. Das Fundmaterial aus diesem Gebäude ist sehr aussagekräftig: Es fand sich dort die größte Anzahl von Amphorenscherben in der ganzen Siedlung, darunter der Typ Dressel 6B, der von augusteischer Zeit bis in die erste Hälfte des 2. Jahrhunderts datiert und wahrscheinlich Öl aus Istrien beinhaltete. Außerdem Weinamphoren des Typs Dressel 2-4, die bis Ende des 1. Jahrhunderts im Westen des römischen Reiches produziert wurden. Datierende Münzen lassen darauf schließen, dass die Mansio schon im Zuge der Erbauung der Straße VirunumIuvavum errichtet wurde.

Wie für eine mansio zu erwarten, gibt es im Fundmaterial auch Wagenteile und eine Hipposandale, die man den Lasttieren beim Aufstieg auf die angrenzenden Pässe, unter die Hufe schnallte. Gute Vergleichsbeispiele für diesen Gebäudekomplex finden sich auf einigen Pässen der Westalpen (Alpenpässe im Wallis zu römischer Zeit): Auf dem Scheitelpunkt des Kleinen St. Bernhard ist ein Bau bekannt, der mit seiner Langseite an der vorbeiziehenden Passstraße liegt. Um einen Innenhof mit Einfahrt lagern sich zwei Gebäudeflügel, die wahrscheinlich mit Ställen und Wohnräumen zu identifizieren sind. Ähnliche Befunde gibt es auf dem Scheitelpunkt des Großen St. Bernhard und der Station in Alpe Graia. Eine Raststation derselben Größe, Struktur und Entstehungszeit ist schließlich aus Riom, am nördlichen Zugang zum Julier- und Septimerpass bekannt.

Am Ende des 1. Jahrhunderts scheinen fast alle ergrabenen Bauten in Immurium bestanden zu haben, das für eine Raststation typische Badegebäude wurde in flavischer Zeit erbaut. Die Siedlung lebte vor allem von der Straße, daneben wurden in allen Gebäuden außer der Mansio zahlreiche Eisen- und Schlackenfunde gemacht, auch Bronzeguss und Textilproduktion sind nachgewiesen . Wie lange die Station in Betrieb war, ob bis ins 4. oder vielleicht sogar ins 5. Jh., lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, da keine ungestörten Befunde aus der Spätantike angetroffen wurden.

Die römische Straße im Bereich von Immurium lässt sich nicht mehr mit Sicherheit feststellen. Ob sich die severische Straße nach Teurnia erst auf der Südseite des Murtales von der frühkaiserzeitlichen Straße nach Virunum gabelte, damit nicht zwei getrennte Trassen über den überschwemmungsgefährdeten Talboden geführt werden mussten, konnte bisher nicht geklärt werden.

Neue Erkenntnisse, insbesondere über die Via Iulia Augusta, lassen annehmen, dass die römische Militärstraße von Aquileia über den Plöckenpass ins Drautal nach Irschen / castrum Ursen und über Teurnia (Seeboden) nach Immurium – über den Radstädter Tauern nach Salzburg, und bis an die Donau führte. Es war die kürzeste Strecke zur Ostalpenüberquerung. Die Straße von Immurium nach Virunum verlief nach den Entfernungsangaben über Stadl/MurFlattnitz–Sirnitz (St. Leonhard)–Feldkirchen und über die von Teurnia–Santicum (Treffen) kommende Hauptstraße, nach Virunum. Laut Itinerarium Antonini muss die von Virunum nach Lauriacum an die Donau führende Straße durchs Görtschitztal, mit der Straßenstation in Wieting, verlaufen sein. Erst mit der Neutrassierung über Friesach und durch die Klamm, wurde die Route nach Immurium, von dieser Straße abzweigend, durch das Gurktal geführt. In der Tabula Peutingeriana sind diese neueren Straßenverläufe aufgenommen, so auch die Strecke durch das Kanaltal nach Aquileia.

Literatur

  • R. Gietl: Die Römer auf den Pässen der Ostalpen. Diplomarbeit Wien 2004.
  • R. Fleischer: Die römische Straßenstation Immurium – Moosham im Salzburger Lungau. = AS 4, 1998.
  • R. Matteotti: In: Jahrbuch der schweizerischen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte 85, 2002, S. 103–196.

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