Ilse Kokula

Ilse Kokula

Ilse Kokula (* 13. Januar 1944 in Sagan, Schlesien[1]) ist eine deutsche Forscherin, Autorin und LGBT-Aktivistin im Bereich lesbischen Lebens und Trägerin des Bundesverdienstkreuzes.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ilse Kokula verband über vier Jahrzehnte hinweg verschiedene Ebenen miteinander: Als Forscherin hat sie bereits in den 70er und frühen 80er Jahren wegweisende Werke zur Gegenwart und Geschichte lesbischer Frauen publiziert, auf deren Grundlagen jüngere Forscherinnen in Geschichte, Soziologie, Psychologie und Literaturwissenschaft aufbauen konnten. Als polititische Kämpferin hat Ilse Kokula in der Frauen- und Lesbenbewegung mitgearbeitet (u.a. im LAZ Berlin, in den Zeitschriften UkZ und Lesbenfront), die lesbisch-schwule Zusammenarbeit gepflegt (u.a. die lesbisch-schwule Gewerkschaftsgruppe der ÖTV aufgebaut, bei der Ausstellung "Eldorado-Berlin 1850-1950" mitgearbeitet). Als Vernetzerin hat Ilse Kokula schon vor dem Fall der Mauer 1989 (und erst recht danach) viele Lesben aus Ost und West, aus den Niederlanden, Oesterreich, Schweiz und Deutschland miteinander verbunden. Als erste Gleichstellungsbeauftragte im "Referat für gleichgeschlechtliche Lebensweise des Berliner Senats" hat sie von 1989 bis 1996 zahlreiche wichtige Themen durch Tagungen und Publikationen in die gesellschaftliche Diskussion gebracht und gleichzeitig in der „Arbeitsgemeinschaft kommunale Lesben- und Schwulenpolitik“ des Bezirksamtes Berlin-Charlottenburg als Expertin mitgewirkt.

Ilse Kokula wurde 1944 in Schlesien geboren, wuchs in Franken auf und lebt seit 1971 in Berlin. Als älteste Tochter mit acht Geschwistern war für sie nur eine Hilfsarbeit vorgesehen, weshalb sie bereits die Lehre als Köchin erkämpfen musste. Sie suchte und fand Unterstützung, sodass sie die mittlere Reife nachholen und an der Höheren Fachschule in Sozialarbeit studieren und 1967 in Bayern erfolreich abschliessen konnte. Nach einigen Jahren Sozialarbeit studierte Ilse Kokula an der Freien Universitäte Berlin Pädagogik, verfasste ihre Diplomarbeit über die Lesbengruppe der LAZ (Lesbisches Aktionszentrum Berlin), in der sie selbst aktiv war. Mitte der 70er Jahre, als Leseben gesellschaftlich noch totgeschwiegen wurden, publizierte Ilse Kokula diese Arbeit unter dem Pseudonym "Ina Kuckuck" unter dem Titel "Der Kampf gegen Unterdrückung" im Verlag Frauenoffensive in München. Danach arbeitete sie einige Jahre in der Praxis, ehe sie 1982 an der Universität Bremen in Soziologie provmovierte. Ergebnis davon waren zwei weitere Bücher: "Weibliche Homosexualität um 1900" und "Formen lesbischer Subkultur". 1985 wurde Ilse Kokula von der Universität Utrecht als erste Gastprofessorin für "soziale Geschichte und Sozialisation lesbischer Frauen" auf einen Wechsellehrstuhl berufen und erhielt damit den Professorinnen-Titel..[2]

Sie lehrte, lernte und knüpfte viele Kontakte und arbeitete danach einige Jahre als freie Forschende und Vortragende, bis sie im Jahr des Mauerfalls (1989) zur ersten Gleichstellungsbeauftragte des Referates für gleichgeschlechtliche Lebensweisen des Senates von Berlin in Berlin-West berufen wurde.

Dort stellte sie an Tagungen wichtige Themen zur Diskussion, u.a. die Frage, wie homosoxueller NS-Opfer zu gedenken sei, wie Stadtbehörden lesbische und schwule Emanzipation fördern könnten oder welche Geschichte und Perspektiven Lesben und Schwule in den neuen Bundesländern (ehemals DDR) hätten. Diese und viele andere Diskussionen wurden in der Reihe "Dokumente lesbisch-schwuler Emanzipation" des "Referat für gleichgeschlechtliche Lebensweisen" publiziert (Herausgegeben von der Senatsverwaltung für Jugend und Familie, Berlin).[3]

Als profilierte Lesbenforscherin und Emanzipationskämpferin die Funktion einer Gleichstellungsbeauftragten in der Verwaltung wahrzunehmen, das ergab ein Spannungsfeld in- und ausserhalb der Institutionen und Beteiligten.[4] Nach sieben Jahren verliess Ilse Kokula dieses und verlegte ihr Wirkungsfeld in den Bereich des Jugendschutzes. Seit ihrer Pensionierung 2004 ist sie in ehrenamtlicher Funktion im Frauenzentrum Frieda tätig, wo sie immer wieder Vorträge und Diskussionen zu verschiedensten Aspekten lesbischen Lebens veranstaltet. [5]

2007 wurde ihr im Namen des Bundespräsidenten durch die Staatssekretärin Almuth Nehring-Venus das Bundesverdienstkreuz verliehen. Zur Begründung hieß es „Dr. Ilse Kokula hat mit ihrem außerordentlichen, von Courage, Wissensdrang und Beharrlichkeit getragenen Engagement wesentlich zur Emanzipation von Lesben und Schwulen und zur Entwicklung einer toleranten und offenen Gesellschaft beigetragen.“ .[6]

Werke (Auswahl)

Autorin folgender Bücher:

  • Der Kampf gegen Unterdrückung, München : Frauenoffensive, 1975
  • Weibliche Homosexualität um 1900 in zeitgenössischen Dokumenten, Müchen : Frauenoffensive, 1981
  • Formen lesbischer Subkultur, Berlin : Rosa Winkel Verlag, 1983
  • Jahre des Glücks, Jahre des Leids - Gespräche mit älteren lesbischen Frauen, Kiel : Frühlings Erwachen, 1986
  • Wir leiden nicht mehr, sondern sind gelitten! Lesbisch leben in Deutschland, Köln: Kiepenheuer und Witsch, 1987
  • Die Welt gehört uns doch! Zusammenschluss lesbischer Frauen in der Schweiz der 30er Jahre (Mitautorin: Ulrike Böhmer, Zürich/Bern : efef, 1991

Redaktorin folgender Publikationen der Reihe "Dokumente lesbisch-schwuler Emanzipation":

  • Wie aufgeklärt ist die Verwaltung?, Berlin : Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport, Fachbereich für Gleichgeschlechtliche Lebensweisen, 1996
  • Der homosexuellen NS-Opfer gedenken, Berlin : Senatsverwaltung für Jugend und Familie, Fachbereich für Gleichgeschlechtliche Lebensweisen, 1995, 1. Aufl.
  • Lesben, Schwule, Partnerschaften, Berlin : Senatsverwaltung für Jugend und Familie, Referat für Gleichgeschlechtliche Lebensweisen, 1994, 1. Aufl.
  • Aspekte lesbischer und schwuler Emanzipation in Kommunalverwaltungen, Berlin : Senatsverwaltung für Frauen, Jugend und Familie, 1991
  • Geschichte und Perspektiven von Lesben und Schwulen in den neuen Bundesländern, Berlin : Senatsverwaltung für Jugend und Familie, 1991

Literatur

  • Ilse Lenz: Die Neue Frauenbewegung in Deutschland. Abschied vom kleinen Unterschied. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2008, ISBN 3-531-14729-3
  • Karen-Susan Fellse, Axel Schock: Out! 500 berühmte Lesben, Schwule & Bisexuelle. Querverlag, Berlin 1997, ISBN 3-89656-021-2
  • Madeleine Marti: Für sie soll’s lila Veilchen regnen… Ilse Kokula zum 60. Geburtstag. Blattgold, Berlin 2004
  • Madeleine Marti: Zu Gast in Zürich. Prof. Dr. Ilse Kokula - Berlin. Boa FrauenLesbenAgenda, Zürich 2009

Einzelnachweise

  1. Catalogus Professorum Academiae Rheno-Traiectinae (holländisch, gesichtet 2. September 2011)
  2. [1]. Website lesbengeschichte.de. Abgerufen am 31. August 2011.
  3. [2]. Website von Berlin.de - Das offizielle Hauptstadtporal.Abgerufen am 31. August 2011.
  4. Ilse Kokula: Was kann eine Landesbehörde für lesbische Frauen tun?. In: Querfeldein. Beiträge zur Lesbenforschung. Hg.: M.Marti, A.Schneider, I.Sgier, A.Wymann Bern, Zürich, Dortmund, 2004, S. 173-179.
  5. [3]. Website des Frauenzentrum Frieda. Abgerufen am 31. August 2011.
  6. [4]. Website von Berlin.de - Das offizielle Hauptstadtportal. Abgerufen am 31. August 2011.

Weblinks


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