Altstadtrathaus (Braunschweig)

Altstadtrathaus (Braunschweig)
Das Braunschweiger Altstadtrathaus (Südostansicht), rechts der Altstadtmarktbrunnen, dahinter das rosafarbene Stechinelli-Haus

Das gotische Altstadtrathaus in Braunschweig ist eines der ältesten erhaltenen Rathäuser Deutschlands, dessen ältester Teil aus der Mitte des 13. Jahrhunderts stammt. Erbaut wurde es als Rathaus für das mächtigste und wohlhabendste der fünf Weichbilde Braunschweigs, die Altstadt. Es bildet zusammen mit der Martinikirche die eindrucksvolle Westseite des Altstadtmarktes.

Inhaltsverzeichnis

Bau- und Nutzungsgeschichte

Das älteste bekannte Foto des Altstadtrathauses, entstanden um 1865.

Bereits vor dem Jahr 1253 bestand in der Altstadt ein Rathaus als Sitz der städtischen Selbstverwaltung. In diesem Jahr wurde dieser Vorgängerbau südwestlich der Martinikirche verkauft, um einen größeren und repräsentativeren Neubau an der heutigen Stelle zu errichten. Zunächst wurde der Westflügel erbaut, in dem ein Holzbalken dendrochronologisch dem Jahr 1288 zugeordnet werden konnte. Im Jahre 1302 wird „dat Rathus“ erstmals erwähnt. In den Jahren 1393 bis 1396 wurden der Nordflügel und die Fassade des Westflügels erbaut. Die nördliche Fassade wurde zwischen 1447 und 1468 errichtet, wobei die Figuren an den Strebepfeilern aufgestellt wurden. Diese beiden größeren Bauphasen folgten jeweils nach innerstädtischen Unruhen („Braunschweiger Schichten“), der blutigen „Großen Schicht“ zwischen 1374 bis 1386 bzw. den Unruhen zur Zeit des „Großen Briefes“ 1445. Das Architekturensemble aus Altstadtrathaus und Martinikirche stellte das bürgerlich-selbstbewusste Gegenstück zum herzoglichen Burgbezirk aus Burg Dankwarderode und Dom dar.

Die Huldigungsordnung von 1345

Während des Mittelalters trat der welfische Stadt- und Landesherr aus Geldmangel immer mehr stadtherrliche Rechte durch Verpfändung, Verkauf oder Schenkung an die Stadt ab, die zusehends den Charakter einer unabhängigen Reichsstadt erhielt. Dem Regierungsantritt des neuen Herzogs folgte ein in der Huldigungsordnung von 1345 beschriebenes Zeremoniell, in welchem dieser in der Großen Dornse dem Gemeinen Rat der fünf Weichbilde die alten Privilegien bestätigte. Der Rat schwor daraufhin den Huldigungseid. Anschließend sprach der Große Bürgermeister der Altstadt vom Laubengang aus den auf dem Altstadtmarkt zusammengekommenen Bürgern die traditionelle Huldigungsformel vor, die von diesen wiederholt wurde.

Die „Große Schicht“ 1374 bis 1380

Während der innerstädtischen Unruhen wurden 1374 mehrere Ratsherren und der Bürgermeister der Altstadt, Tile von Damm, getötet. Die Stadt wurde daraufhin aus der Hanse ausgeschlossen und erst 1380 unter Auflagen wieder aufgenommen. Dazu gehörte auch die Errichtung einer Kapelle als Sühneleistung. Die dem Stadtheiligen geweihte St. Autor-Kapelle wurde um 1380 neben dem Altstadtrathaus an der Breiten Straße errichtet. Der Bau wurde im Jahre 1680 abgebrochen, woraufhin an dieser Stelle der zweigeschossige Autorshof für Messezwecke erbaut wurde. Dieser wurde nach teilweiser Zerstörung während des Zweiten Weltkrieges in den Jahren 1983 und 1984 wiedererrichtet.

Nutzung während Mittelalter und früher Neuzeit

Das Unter- und Erdgeschoss wurden als Zeughaus, das heißt als Lagerraum für Waffen und Pulver, sowie als Gefängnis, Folterkammer und zu wirtschaftlichen Zwecken genutzt. So wird 1355 ein Weinkeller erwähnt, ein Stand für Kleider- und Tuchhändler 1378 und eine Kämmerei im Jahre 1388. Die Ratsküche bestand seit 1354. Im Obergeschoss fanden die Ratssitzungen in der 1345 erstmals erwähnten und 1447 neu gestalteten „Großen Dornse“ statt. Im oberen Nordflügel befand sich die städtische Steuerverwaltung, die „Schotteldornse“.

Verlust der städtischen Selbständigkeit 1671

Nach Eroberung der Stadt durch den welfischen Landesherrn 1671 ging auch das Altstadtrathaus in herzoglichen Besitz über. Es folgten Zweckentfremdung durch Einrichtung von Messeständen und langsamer Verfall des Gebäudes. Erst durch den Casparivertrag wurde das Altstadtrathaus 1858 wieder Eigentum der Stadt.

Im Jahre 1786 beantragte der Weinhändler Rönckendorff den Abriss der Laubengänge, um dort eine Wohnung einzubauen. Dies verhinderte Wilhelm von Gebhardi († 1809), Leiter des herzoglichen Baudepartements und Vorgänger Peter Joseph Krahes, durch eine Intervention bei Herzog Karl Wilhelm Ferdinand.

19.–20. Jahrhundert

In den Jahren 1841 bis 1852 wurde der Bau durch Friedrich Maria Krahe umfassend restauriert, wobei das Nordflügeldach erhöht wurde. Durch die zahlreichen Bombenangriffe des Zweiten Weltkriegs brannte das Gebäude vollständig aus, jedoch blieben die Fassaden nahezu unbeschädigt erhalten.

Das Altstadtrathaus dient heute Repräsentationszwecken der Stadt, das Erdgeschoss wird als Ausstellungsfläche für das Städtische Museum genutzt. Im Bürgermeisterzimmer und im großen Saal des Hauptgebäudes, der Dornse, empfängt die Stadt ihre Gäste. Unter anderem beherbergt das Altstadtrathaus die im Krieg nicht zerstörten originalen Teile des Altstadtmarktbrunnens auf dem Altstadtmarkt.

Baubeschreibung

Außenbau

Der Bau besteht aus zwei Flügeln, die rechtwinklig aufeinanderstoßen. Besonders sehenswert sind die im 15. Jahrhundert vorgebauten Laubengänge mit ihrem hochgotischen Maßwerk.

An der Ost- und der Südseite befinden sich 17 fast lebensgroße, von Hans Hesse geschaffene Standbilder ottonischer und welfischer Kaiser, Könige und Herzöge, die dort um 1455 aufgestellt wurden. Eine der Besonderheiten dieser Statuen besteht darin, dass die ottonischen und welfischen Kaiser, Könige und Herzöge – bis auf den allein an einem Winkelpfeiler stehenden Kaiser Lothar von Süpplingenburg – jeweils mit ihren Frauen abgebildet wurden. Im Einzelnen handelt es sich um: König Heinrich I. und Mathilde die Heilige, Kaiser Otto I. und Adelheid von Burgund, Kaiser Otto II. und Theophanu, Kaiser Otto III. mit seiner Verlobten Zoe, Lothar von Süpplingenburg, Kaiser Otto IV. und Beatrix von Schwaben, Herzog Heinrich der Löwe und Mathilde von England, Wilhelm von Lüneburg und seine Gemahlin Helena von Dänemark, Herzog Otto das Kind und Mathilde von Brandenburg.

Am zweiten Pfeiler von links befindet sich noch heute die eiserne Braunschweiger Elle.

Innenräume

Im Obergeschoss befanden sich die Herrenstube, in welcher die Ratssitzungen stattfanden, die Schotteldornse als Sitz der Steuerverwaltung, die als Festraum genutzte Fastelabenddornse und die Große Dornse. Dieser 1960 renovierte repräsentative Festsaal wird noch heute für Empfänge genutzt. Als Raumschmuck dienen Bilder der Fürsten des Schmalkaldischen Bundes, die in den Jahren 1532 und 1538 Versammlungen in Braunschweig abhielten, sowie ein großer von Karl Wollermann († 1993) geschaffener Wandbild-Teppich. Ein weiterer Repräsentationsraum ist der 1977 renovierte Bürgermeistersaal.

Literatur

  • Günter Jahn: Altstadtrathaus, in: Braunschweiger Stadtlexikon, herausgegeben im Auftrag der Stadt Braunschweig von Luitgard Camerer, Manfred R. W. Garzmann und Wolf-Dieter Schuegraf unter besonderer Mitarbeit von Norman-Mathias Pingel, Braunschweig 1992, Seite 15–16, ISBN 3-926701-14-5
  • Horst-Rüdiger Jarck, Gerhard Schildt (Hrsg.): Braunschweigische Landesgeschichte. Jahrtausendrückblick einer Region, Braunschweig 2000, ISBN 3930292289
  • Georg Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bremen/Niedersachsen, Deutscher Kunstverlag, 1977
  • Richard Moderhack: Braunschweiger Stadtgeschichte, Braunschweig 1997

Weblinks

 Commons: Altstadtrathaus (Braunschweig) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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