Ibrahim Böhme

Ibrahim Böhme
Ibrahim Böhme beim Parteitag der DDR-SPD in Leipzig, Februar 1990

Ibrahim Böhme (eigentlich: Manfred Otto Böhme) (* 18. November 1944 in Bad Dürrenberg; † 22. November 1999 in Neustrelitz) war ein deutscher Politiker (SDP bzw. SPD).[1]

Inhaltsverzeichnis

Ausbildung und Beruf

Böhme absolvierte eine Berufsausbildung als Maurer in den Leunawerken, war danach Jugendklubleiter. Nach einer Parteistrafe wegen seiner Haltung zur Niederschlagung des Prager Frühlings wurde er zur „Bewährung“ in die Produktion versetzt und arbeitete als Postangestellter. Von 1971 bis 1977 war er Kreissekretär des Kulturbundes in Greiz. Nach einem Fachschulfernstudium erwarb er 1972 einen Abschluss als Bibliothekar. Von 1978 bis 1982 arbeitete er als Dramaturg am Theater Neustrelitz, nach seiner Kündigung war er ebenfalls in Neustrelitz Bibliotheksangestellter. Nach seinem Umzug nach Ost-Berlin im Jahre 1985 arbeitete er zunächst als Kulturhausleiter, danach in verschiedenen Teilzeitjobs.

Familie und Leben

Manfred Otto Böhme war Sohn eines Industriemaurers, der in den Leuna-Werken arbeitete. Den Namen Ibrahim gab er sich später im Laufe seiner IM-Tätigkeit selbst.[2] Die angebliche jüdische Herkunft ist eine von ihm verbreitete Legende.[3]

Nach seinem erzwungenen Rückzug aus der Politik lebte Böhme die letzten Jahre zurückgezogen im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. Er erlitt mehrere Schlaganfälle. Seine Stasi-Enttarnung hatte er nie verwunden.

Sein Nachlass befindet sich im Archiv der Robert-Havemann-Gesellschaft.

Partei

Böhme war von 1962 bis 1978 Mitglied der SED.

Am 7. Oktober 1989 gehörte Böhme in Schwante zu den Mitbegründern der Sozialdemokratischen Partei in der DDR (SDP), zu deren Geschäftsführer er sogleich gewählt wurde. Am 23. Februar 1990 wurde er dann zum Vorsitzenden der mittlerweile in SPD umbenannten Partei gewählt. Böhme sah sich im Falle eines Wahlsieges der SPD bereits als künftiger Ministerpräsident der DDR, führte am 2. März 1990 ein politisches Sondierungsgespräch mit dem sowjetischen Außenminister Eduard Schewardnadse.[4]

Nach der Beschuldigung der inoffiziellen Stasi-Tätigkeit durch den Spiegel am 26. März 1990 ließ Böhme alle Ämter und sein Volkskammermandat ruhen[5] und trat dann schließlich am 2. April 1990 zurück.[1] Schon wenige Wochen später erlebte er nach Unschuldsbeteuerungen ein politisches Comeback und wurde im Juli 1990 von Oberbürgermeister Tino Schwierzina zum Polizeibeauftragten des Magistrats von (Ost-)Berlin ernannt. Auf dem Vereinigungsparteitag der Ost- und West-SPD am 26. und 27. September 1990 in Berlin wurde Böhme in den neuen Vorstand gewählt.

Stasi-Tätigkeit

Böhme wurde seit 1969 vom Ministerium für Staatssicherheit der DDR als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) unter mehreren Decknamen geführt. Unter dem Decknamen IM Maximilian infiltrierte er ab 1985 gezielt oppositionelle Kreise in Ost-Berlin. Im März 1990 tauchten Akten des Ministeriums für Staatssicherheit auf, die auf eine Zuordnung Böhmes zu IM Maximilian hinweisen. Der Autor Reiner Kunze, der in Greiz jahrelang von der Staatssicherheit observiert worden war, bezeichnete Böhme auf Grund seiner eigenen Stasi-Akte als denjenigen, der seine Familie und ihn ausgeforscht und verraten habe. Nach Veröffentlichung der Dokumentation Deckname Lyrik von Reiner Kunze im Dezember 1990 war Böhmes politische Karriere beendet. 1992 wurde er wegen „schweren parteischädigenden Verhaltens“ aus der SPD ausgeschlossen.[1]

Böhme hat zu Lebzeiten zahlreiche widersprüchliche Angaben zu seiner Biographie gemacht, die zum Teil ungeprüft von den Medien übernommen wurden. Das meiste davon ist mittlerweile widerlegt.[6]

Die Spitzeltätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit hat er bis zu seinem Tod bestritten.

Literatur

Literarische Bearbeitungen

Weblinks

 Commons: Ibrahim Böhme – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c Helmut Müller-Enbergs: Böhme, Ibrahim. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Ch. Links Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4, Band 1.
  2. Hans-Joachim Noack: Wir sind doch alle irgendwie beschädigt; Portrait in Der Spiegel, Ausgabe vom 4. Oktober 1999
  3. Buchrezension bei Otz.de
  4. Detlef Nakath, Gerd-Rüdiger Stephan: Countdown zur deutschen Einheit. Eine dokumentierte Geschichte der deutsch-deutschen Beziehungen 1987–1990; Berlin: Dietz, 1996; ISBN 3-320-01930-9; S. 313 ff.
  5. die tageszeitung vom 27. März 1990
  6. Obskures politisches Lügengerüst; Christiane Baumann über Böhmes gefälschten Lebenslauf, Deutschlandfunk, 8. März 2010
  7. Eintrag in Cinema

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