Ian Hacking

Ian Hacking
Ian Hacking

Ian Hacking, CC (* 18. Februar 1936 in Vancouver, British Columbia) ist ein kanadischer Wissenschaftstheoretiker und Sprachphilosoph, der vielrezipierte Beiträge zur Realismus-Debatte verfasst hat.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Nach dem Studium in British Columbia (mit B.A. 1956) sowie in Cambridge (mit B.A. Abschluss 1958) promovierte er in Cambridge im Jahre 1962. Er war seit 1982 Professor an der University of Toronto und war von 2001-2006 Honorarprofessor für Philosophie und Geschichte von wissenschaftlichen Konzepten an dem Collège de France. 1983 heiratete Hacking die Philosophin Judith Baker.[1]

Seine Schwerpunkte liegen in den Gebieten Wissenschaftstheorie, Sprachphilosophie, Philosophie der Mathematik, philosophische Fragen über Psychopathologie. Er ist ein Vertreter des Entitätsrealismus.

Hacking wird zusammen mit Nancy Cartwright, John Dupre und Patrick Suppes der Stanford-Schule in der Wissenschaftstheorie zugerechnet. Diese eint der kritische Umgang mit dem reduktionistischen Ideal der Einheitswissenschaft.

Werk

Darstellen und Eingreifen

Ian Hackings Beitrag zur wissenschaftstheoretischen Realismus-Debatte mit dem 1983 veröffentlichten Buch Einführung in die Philosophie der Naturwissenschaften (Originaltitel: Representing and Intervening) ist eine Verschiebung der Perspektive von Wissenschafts-Theorie zur Wissenschafts-Praxis.

The lesson is: think about practice, not theory.[2]

In seinen eigenen historischen Betrachtungen schildert Hacking anhand einer Vielzahl von Beispielen die Vielfältigkeit der Beziehungen zwischen Beobachtung, Experiment und Theorie; Dabei bemüht er sich auch, die nicht nachweisbare Vorherrschaft der Theorie in der experimentellen Praxis gegenüber der Darstellung einer "theoretischen" Geschichtsschreibung zu betonen.

Entitätsrealismus

Hacking liefert im Verlauf des Buches verschiedene Argumente gegen jedweden Theorien-Realismus. Dabei stellt er heraus, dass der klassische Realist an die Wahrheit oder Falschheit einer Theorie glaubt. Hacking selbst jedoch weicht dieser Frage aus, um die Frage nach der Realität von Entitäten, denen er einen hohen Grad von Unabhängigkeit von Theorien zugesteht, positiv zu beantworten. Dabei macht Hacking darauf aufmerksam, dass die Frage nach der Realität von Entitäten eine Existenzfrage und nicht eine Frage der Wahrheit oder Falschheit ist (wie im Falle von Theorien).

Sehen durch Mikroskope

Hacking negiert den Einwand von Relativisten wie Norwood Russell Hanson, Thomas Kuhn und Paul Feyerabend, alle Erfahrung sei theoriebeladen. Zwar bedürfe es zur Herstellung von physikalischen Instrumenten durchaus Theorie, der Blick durch das Mikroskop geschähe jedoch weitestgehend theoriefrei. Der Biologe brauche nicht die Theoriekenntnisse eines Physikers oder Ingenieurs, um sich eines Mikroskopes zu bedienen, ebenso wenig, wie der Laie nichts von dem Aufbau eines Fernsehgerätes verstehen müsse, um fern zu sehen.

Die Realität eines mit dem Mikroskop beobachteten Objektes generiert sich nach Hacking dadurch, dass dasselbe Objekt mittels Mikroskopen verschiedener Bauart beobachtet werden kann. Der Artefaktcharakter von kleinen Punkten in Thrombozyten - unter dem Elektronenmikroskop betrachtet - wird dadurch ausgeschlossen, dass ebendiese Punkte auch mittels eines Lichtmikroskop sichtbar sind. Die Koinzidenz müsste zu groß sein, um den Realitätsgehalt der Beobachtung in Frage zu stellen.

Ebenso wie Nancy Cartwright und entgegen dem Wissenschaftlichen Realismus lässt Hacking Erklärungen einen untergeordneten Wert zukommen. Der Nachweis der Existenz der oben genannten Punkte erklärt diese nicht. Ebenso wenig ist bei diesem einfachen Nachweis Theorie involviert.

Manipulierbarkeit als Realitätsindikator

Entitäten sind genau dann real, i.e. existent, wenn sie als Instrumente mit einem klaren kausalen Verhalten in Experimenten verwendet werden können.

Experimenting on an entity does not commit you to believing that it exists. Only manipulating an entity, in order to experiment on something else need do that.
Electrons are no longer ways of organizing our thoughts or saving the phenomena that have been observed. They are ways of creating phenomena in some other domain of nature. Electrons are tools.[3]

Von Entitäten, welche wir als kausale Agenten verwenden, haben wir umfassendes Wissen; sie sind Teil des instrumentellen Apparates geworden, mit dem wir die Welt erforschen. Elektronen sind Hacking zufolge solche kausalen Agenten.

The Social Construction of What

In dem Werk entwickelt der Philosoph einen Beitrag zur Kontroverse zwischen wissenschaftlichem Realismus und dessen postmoderner Kritik mittels einer Neubetrachtung der sozialen Konstruktion von Ideen. Hacking trennt in mehreren Schritten zwischen dem Objekt und dessen Idee und spielt dies anhand von in der Literatur einschlägigen Beispielen durch um seine Position zu untermauern.

Auszeichnungen

  • 2009: Holberg Preis der norwegischen Universität Bergen

Werke

  • Why Does Language Matter to Philosophy?
  • Logic of Statistical Inference
  • The Logic of Statistical Inference (1965)
  • The Emergence of Probability (1975)
  • Experimentation and Scientific Realism, in: Philosophical Topics 13 (1982), S. 71–87.
  • Representing and Intervening (1983), deutsch (1996): Einführung in die Philosophie der Naturwissenschaften, Reclam, Stuttgart, ISBN 3-15-009442-9
  • Making up People, in: T. Heller / M. Sosna / D. Wellbery (Hgg.): Reconstructing Individualism, Stanford University Press, Stanford 1986, S. 222-236.
  • The Taming of Chance (1990)
  • Scientific Revolutions (1990)
  • A Tradition of Natural Kinds, in: Philosophical Studies 61 (1991), S. 109–126.
  • Rewriting the Soul: Multiple Personality and the Sciences of Memory (1995)
  • Mad Travellers: Reflections on the Reality of Transient Mental Illness (1998)
  • The Social Construction of What? (1999)
  • Probability and Inductive Logic (2001)
  • Historical Ontology (2002)


Einzelnachweise

  1. [1] The International Who's Who 2004, S. 671
  2. Hacking: Representing and Intervening, 274
  3. Hacking: Representing and Intervening, 262f.

Weblinks


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