ISO 15924:Latf

ISO 15924:Latf
Unterschiede bei Bögen von runden und gebrochenen Schriftarten

Gebrochene Schrift (umgangssprachlich oft als altdeutsche Schrift oder ungenau nach einer ihrer Varianten Fraktur genannt) ist eine Sammelbezeichnung für eine Reihe lateinischer Schriftarten, bei denen die Bögen, aus denen die Grapheme der Buchstaben zusammengesetzt sind, ganz oder teilweise gebrochen sind, d. h. dass die Bögen der Buchstaben aus einer Schreibbewegung entstehen, in der ein oder mehrere erkennbare, abrupte Richtungswechsel in der Strichführung einen sichtbaren Knick in dem Bogen hinterlassen. Im Gegensatz dazu stehen die runden, nicht gebrochenen Schriftarten wie die Antiqua, bei denen die Bögen beim Schreiben aus einer gleichmäßig geschwungenen Bewegung entstehen.

Rudolf Koch schrieb einmal über die gebrochene Schrift: „Wie dunkler Tannen würziger Harzduft, wie wenn die Amsel weithin durch den Abend ruft, wie des Wiesengrases leichtschwankende Zierlichkeit, herrlichste, deutscheste Schrift, so lieben wir dich seit langer Zeit“[1].

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

In der Mitte des 12. Jahrhunderts entwickelte sich in Europa der Kunststil der Gotik. Eine der auffälligsten Änderungen im Schriftsatz war der Übergang von den romanischen Rundbögen zu den gebrochenen gotischen Spitzbögen. Dieses Stilelement der Bogenbrechung wurde im Folgenden auch auf die Bögen der Buchstaben angewendet. Dadurch entstand aus den runden karolingischen Minuskeln die erste gebrochene Schriftart, die gotischen Minuskeln.

Gebrochene Schriftarten

Übersicht über Unterschiede bei gebrochenen Schriften
Gebrochene Schriften

Zu den gebrochenen Schriften zählen:

Nach DIN 16518 werden die gebrochenen Schriften in die fünf Untergruppen Gotisch (Textura), Rundgotisch (Rotunda), Schwabacher, Fraktur und Fraktur-Varianten unterteilt.

Verwendung

Die gebrochenen Schriften sind ein tief verwurzelter Bestandteil europäischer Schriftkultur, verloren aber im Laufe des 19. Jahrhunderts an Bedeutung. Nur in Deutschland blieben gebrochene Schriften bis weit ins 20. Jahrhundert populär. An deutschsprachigen Schulen lernten alle Schüler gebrochene Schriften lesen und schreiben. 1941 verbannte der Normalschrifterlass die gebrochenen Schriften aus Schullehrplänen und offiziellem Schriftgebrauch. Danach verschwanden auch in Deutschland die gebrochenen Schriften rasch als Gebrauchsschriften aus dem Alltag. Letzte Reste finden sich heute nur noch bei Zeitungsköpfen, Schildern, Firmenlogos und Etiketten. Als typographisches Stilmittel stehen sie hier für Geschichtsträchtigkeit, Traditionsbewusstsein, bäuerliche Einfachheit und Volkstümlichkeit.

Seit den 1970ern erscheinen gebrochene Schriften auch bei Jugendkulturen wie Metal und Gothic. Hier symbolisieren die Schriften keine Traditionspflege, sondern den Bruch mit der vorherrschenden Gegenwartskultur. Sie beziehen sich äußerlich auf Darstellungen von Magie und Gewalt während der mittelalterlichen Hexenverfolgung und sind meist Ausdruck einer antichristlichen, zumindest aber antikirchlichen, Einstellung.

Gefängnis-Tätowierungen, insbesondere in der Schrift Old English, sind bei Skinheads und Gangsta-Rappern verbreitet. Sie knüpfen an eine Symbolik an, die der Wiener Historiker Heinrich Fichtenau 1942 in seiner Habilitationsschrift zusammenfasste: es sei „die Antiqua die Schrift des rationalen, kühlen objektiven Denkers; die Fraktur jenes des mehr subjektiven ‚Täters‘, zumindest des mit hoher Vitalkraft Begabten, der so häufig bloss am Rande einer verpflichtenden Gemeinschaft steht, ohne ihr dienend anzugehören".[2]

Wegen der geringen Nachfrage nach gebrochenen Schriften und den hohen Materialkosten für Bleilettern hatten Ende der 1980er nur noch wenige Druckereien Restbestände an gebrochenen Schriften. Die Situation änderte sich grundlegend mit der Entwicklung des Computersatzes. Kommerzielle Schrifthäuser und freie Typographen digitalisierten auch gebrochene Schriften. Heute ist eine Vielzahl hochwertiger Schriften für jeden Computerbenutzer erhältlich. Als Folge entdeckt heute die nächste Generation von Typographen diese jahrhundertealte Schriftfamilien wieder, nicht nur aus ideologischen Gründen, sondern aus Interesse an den ästhetischen und handwerklichen Qualitäten der gebrochenen Schriften.[3]

Literatur

  • Michael Gugel: Fokus Fraktur. veraltet verspottet - vergessen? Ein Portrait. Semesterarbeit (Freie Hochschule für Grafik Design Freiburg), 2006. ([1])

Siehe auch

Weblinks

Belege

  1. Zitiert nach Peter Rück: Die Sprache der Schrift – zur Geschichte des Frakturverbots von 1941, in: Jürgen Baurmann/Hartmut Günther/Ulrich Knoop (Hrsg.): homo scribens. Perspektiven der Schriftlichkeitsforschung, Tübingen, Niemeyer 1993, S. 232.
  2. Heinrich Fichtenau: Mensch und Schrift im Mittelalter. Wien 1946. zit. nach: Peter Rück: Paläographie und Ideologie (pdf)
  3. Peter Bain, Paul Shaw: Blackletter: Type and National Identity. 1998, Princeton Architectural Press. ISBN 1568981252

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