IQWIG

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Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) wurde 2004 im Zuge der Umsetzung des GKV-Modernisierungsgesetzes geschaffen, um die Qualität der Patientenversorgung in Deutschland zu verbessern.

Inhaltsverzeichnis

Aufgaben und Organisation

Die Aufgaben des Instituts sind:

  • Recherche, Darstellung und Bewertung des aktuellen medizinischen Wissensstandes zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren bei ausgewählten Krankheiten,
  • Erstellung von wissenschaftlichen Ausarbeitungen, Gutachten und Stellungnahmen zu Fragen der Qualität und Wirtschaftlichkeit der im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung erbrachten Leistungen unter Berücksichtigung alters-, geschlechts- und lebenslagenspezifischer Besonderheiten,
  • Bewertung evidenzbasierter Leitlinien für die epidemiologisch wichtigsten Erkrankungen,
  • Abgabe von Empfehlungen zu Disease-Management-Programmen,
  • Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln [1]
  • Bereitstellung von auch für alle Bürgerinnen und Bürger verständlichen allgemeinen Informationen zur Qualität und Effizienz in der Gesundheitsversorgung.

Das Institut mit Sitz in Köln wurde zum 1. Juni 2004 gegründet. Träger ist die Stiftung für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen mit Sitz in Berlin. Die Finanzierung erfolgt durch die Erhebung von Zuschlägen für abzurechnende Krankenhausfälle und zu Vergütungen für die ärztliche Versorgung, also vollständig aus Mitteln des öffentlichen Gesundheitswesens.[2] Das Institut bearbeitet die Aufgaben im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA), in dem Leistungserbringer und Kostenträger sowie Patientenbeauftragte und Selbsthilfeorganisationen vertreten sind, oder des Bundesgesundheitsministeriums. Es fasst keine Beschlüsse, sondern gibt Empfehlungen ab, die der Gemeinsame Bundesausschuss berücksichtigt. Als beratende Gremien gibt es ein Kuratorium und einen wissenschaftlicher Beirat.

Leiter des IQWiG ist seit 1. September 2004 Peter Sawicki. Der Diabetologe war zuvor Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin des St.-Franziskus-Hospitals in Köln und Mitherausgeber des pharmakritischen "Arznei-Telegramms".

Prüfung von Arzneimitteln

Die Prüfung des Nutzens neuer von der Pharmaindustrie entwickelter Produkte hat Vorbilder in vielen Ländern. Australien hat eine solche Einrichtung seit 1987, Kanada und die Schweiz seit 1994, danach folgten Finnland, Frankreich, Großbritannien, Neuseeland, die Niederlande und Österreich. Bis zur Einrichtung des IQWiG gab es in Deutschland keine solche Prüfung. Sobald die Zulassung für neue Medikamente nach Prüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit erteilt war, konnte die pharmazeutische Industrie die Preise frei festlegen und die Krankenkassen mussten die Kosten bei ärztlicher Verschreibung erstatten. Institutsleiter Sawicki fasst die Situation mit den Worten zusammen: „Die pharmazeutische Industrie betrachtet Deutschland als Selbstbedienungsladen.“

Sawicki tritt generell dafür ein, dass der Nutzen von Medikamenten durch empirische Studien nachgewiesen werden muss, statt lediglich festzustellen, dass sie nicht schädlich sind. Er wirbt dafür, dass diese Studien nicht von der interessegeleiteten pharmazeutischen Industrie durchgeführt werden, sondern von neutraler staatlicher Seite, beispielsweise durch länderübergreifende Zusammenarbeit der großen europäischen Staaten.[3]

Kritik

Auftragsvergabe

Ende 2007 wurden Vorwürfe geäußert, dass Sawicki Gutachtenaufträge an das Institut für evidenzbasierte Medizin (DIeM) erteilt habe, an dem seine Ehefrau beteiligt ist. In Deutschland gibt es nur wenige unabhängige Institute, die entsprechende Gutachten für das IQWiG erstellen können. Für den Fall einer möglichen Interessenkollision war in Sawickis Arbeitsvertrag vereinbart worden, dass über die Vergabe der Gutachten der gesamte Vorstand anstelle des Leiters entscheiden solle.

Die Vorwürfe wurden vom Wirtschaftsprüfungsunternehmen BDO Deutsche Warentreuhand AG überprüft. Dabei stellte sich heraus, dass Sawicki dreimal dem Deutschen Institut für evidenzbasierte Medizin (DIeM) einen Auftrag erteilt hatte, bei dem er früher Mitinhaber war, an dem seine Ehefrau weiterhin 40% Anteile hält und Geschäftsführerin ist. Weitere Gesellschafterin des DIeM ist Josefin Kaiser mit 20%, Ehefrau des Ressortleiters Arzneimittelbewertung beim IQWiG, Thomas Kaiser. Außerdem haben zwei vom IQWiG beauftragte Gutachter Unteraufträge an das DIeM vergeben. Die Wirtschaftsprüfer stellten erhebliche Verstöße Sawickis gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten fest, denn auch die indirekte Auftragsvergabe durch Dritte hätte rückgemeldet und vom Vorstand beschlossen werden müssen. Außerdem kritisierten die Prüfer Verstöße gegen geltendes EU-Vergaberecht. Persönliche Vorteilsnahme wurde nicht festgestellt. [4] Sawicki verteidigt sich, dass die Vorwürfe "ganz klar falsch (sind) und alle Vorwürfe entkräftet wurden"[5] Der IQWiG-Vorstand mahnte eine Verbesserung der Informationsabläufe an, sah aber das "Vertrauensverhältnis mit Professor Sawicki weiterhin gegeben"[6].

Finanzierung/Abhängigkeit

In der Kritik ist das IQWIG, weil es über Zwangabgaben der Krankenhäuser und Ärzte aus dem Budget der Krankenkassen finanziert wird und seine Aufträge über den Gemeinsamen Bundesausschuss erhält. Dadurch sei es nicht unabhängig und habe kein objektives Verständnis des Kosten-Nutzen-Verhältnisses von Medikamenten. Patienten-Selbsthilfegruppen werfen dem IQWiG vor, die Sicht der leidenden Menschen hinter ökonomische Aspekte zu stellen.

Zudem wird dem Institut immer wieder vorgeworfen, Ansprüche an medizinische Studien und Statistiken zu stellen, die der Realität des klinischen Alltags nur unzureichend Rechnung tragen - wie zuletzt im Fall des Gutachtens zur Knochenmarkspenden bei Leukämie-Patienten.

Methodik

Die Methodik der gesundheitsökonomischen Evaluation mit der neuen Methodik der Effizienzgrenzen[7] wird von vielen deutschen Gesundheitsökonomen kritisiert.

Das IQWiG wird für seine methodische Rigidität kritisiert[8] und gelobt.

Es wird die Auswahl der in den Berichten berücksichtigten Endpunkten kritisiert und mehr Beteiligung von Patienten gefordert.

Berichte

Kurzwirksame Insulinanaloga

In einem seiner ersten Gutachten stellte das IQWiG fest, dass kurzwirksame Insulin-Analoga keinen Vorteil gegenüber herkömmlichem Insulin bieten. Daraufhin schloss der Gemeinsame Bundesausschuss der gesetzlichen Krankenkassen die kurzwirksamen Analoga von der Erstattung für Typ-2-Diabetiker aus.[9] Dieses Gutachten ist besonders bekannt geworden, weil die Patientengruppen und die pharmazeutische Industrie die Entscheidung heftig kritisierten.[10]

Das Gutachten für die Verwendung von kurzwirksamen Insulin-Analoga in der Behandlung von Typ-1-Diabetikern fiel ebenfalls negativ für die Analoga aus. Die Empfehlung des IQWiG lautete, kurzwirksame Analoginsuline für Menschen mit Diabetes Typ 1 aus der Erstattung auszuschließen, solange sie teuerer seien als Humaninsulin. Ausnahmen sollte es nur für Patienten geben, die allergisch auf Humaninsulin reagieren oder nur mit Humaninsulinen keine stabile Stoffwechsellage erreichen.

Auch gegen dieses IQWiG-Gutachten gab es heftigen Protest. Das Bundesgesundheitsministerium widersprach teilweise dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vom 21. Februar 2008 auf der Grundlage des Berichtes des IGWiG. Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr erhalten daher weiterhin kurzwirksame Analoginsuline von den Gesetzlichen Krankenkassen erstattet[11].

Langwirksame Insulinanaloga bei Typ-2-Diabetes

Im März 2009 veröffentlichte das IQWIG seinen Abschlussbericht „Langwirksame Insulinanaloga zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2“. Dort heißt es: Für beide langwirksame Insulinanaloga ergaben sich dadurch bei einzelnen Therapievergleichen Vorteile"[12]. In der Zusammenfassung und in der Pressemeldung[13] erklärt das Institut, dass aufgrund der unzureichenden Datenlage ein Vorteil langwirksamer Insulinanaloga (Insulin detemir, Insulin glargin) gegenüber Humaninsulin nicht belegbar sei. Allerdings gäbe es "Hinweise", dass bei bestimmten Therapieschemata unter Insulin Detemir nicht schwere Unterzuckerungen seltener vorzukommen scheinen und dass unter Insulin Glargin schwere Unterzuckerungen weniger häufig als unter NPH-Insulin auftreten. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft wirft dem IQWiG vor, dass dieser Sicherheitsvorteil nicht klarer benannt und stärker gewichtet werde sowie in der Pressemitteilung verkürzt dargestellt werde.[14]

Einzelnachweise

  1. Das SGB verlangt eine "Kosten-Nutzen-Bewertung", doch muss zunächst die Methodik dafür erarbeitet werden, diese soll im Sommer 2009 vorgestellt werden http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=29731&type=0
  2. IQWiG: Über uns - Finanzierung
  3. Der Professor und das Institut sowie Interview "Ich habe Angst vor Ärzten", Die Tageszeitung, 6. Januar 2007
  4. [1] Handelsblatt 13. Februar 2008
  5. Kölnische Rundschau, 27. September 2008
  6. Freispruch für Pharmakontrolleur, die tageszeitung, 13. Februar 2008
  7. IQWiG Methodenvorschlag zur gesundheitsökonomischen Evaluation
  8. Martin Wehling (Direktor der Klinischen Pharmakologie der Universität Heidelberg, FAZ vom 21. März 2007 , Seite N2
  9. Die Kölner Pillenkontrolleure, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 3. September 2006 (Ausgabe 35/2006, Seite 31)
  10. Die Pillenprüfer, Stern, 8. August 2006
  11. Presseerklärung der Deutschen Diabetes Gesellschaft vom 9. Mai 2008
  12. [2] IQWIG, Abschlussbericht A05-03, Seite 332
  13. http://www.iqwig.de/langwirksame-insulinanaloga-bei-typ-2-diabetes.846.html
  14. http://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/redaktion/news/IQWIG_19_03_09.pdf

Weblinks

Siehe auch

Gesundheitspolitik, Gesundheitsreform, Gesundheitswesen


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