Hyperniere

Hyperniere

Die Richtcharakteristik beschreibt die Winkelabhängigkeit der Stärke empfangener oder gesendeter Wellen.

Der Begriff ist geläufig in der Funktechnik (Sende- und Empfangsantennen), bei Lichtquellen (LEDs, Leuchten) und in der Akustik (Mikrofone, Lautsprecher) und wird üblicherweise als Polardiagramm dargestellt. Dessen radiale Skalierung ist entweder linear (z. B. in relativen Einheiten) oder auch logarithmisch (z. B. in Dezibel).

Inhaltsverzeichnis

Mikrofone

In der Mikrofontechnik beschreibt die Richtcharakteristik im Polardiagramm die Empfindlichkeit eines Mikrofons als Ausgangsspannung in Abhängigkeit vom Schalleinfallswinkel. Man kann dabei zwischen den Verhältnissen im Direktfeld und im Raumschallfeld (Diffusfeld) differenzieren[1]. Der Richtcharakter hängt ab von der Bauform der Mikrofonkapsel und von äußeren Formelementen (z. B. Richtrohrmikrofon). Die Stärke der Richtwirkung beschreibt man mit dem Bündelungsgrad bzw. dem Bündelungsfaktor[2].

Die Richtwirkung ist durch charakteristische Muster gekennzeichnet:

  • Kugel (Kugelcharakteristik = ungerichtet)
  • Acht (Achtercharakteristik = Dipol, vorne und hinten gegensätzliche Polarität)
  • Keule (Keulencharakteristik, Richtrohr)
Kugel

(Omnidirectional)
 

Acht

(Figure Eight,
Bidirectional)

Keule

(Directional)
 

Mischformen sind:

  • Niere (Mischung aus Kugel und Acht)
  • Breite Niere (Breite Nierencharakteristik)
  • Superniere (Supernierencharakteristik)
  • Hyperniere (Hypernierencharakteristik)
Breite Niere

(Subcardioid)
 

Niere

(Cardioid,
unidirectional)

Superniere

(Supercardioid)
 

Hyperniere

(Hypercardioid)
 

[3] [4]

reflexionsarmer Raum TU Dresden
Frequenzabhängigkeit der Richtwirkung

Die Richtcharakteristik von Mikrofonen wird in reflexionsarmen Räumen im Direktfeld gemessen, selbst wenn die Keulen-Mikrofonrichtcharakteristik, wie bei einem Richtrohrmikrofon nur im Raumschallfeld (Diffusfeld) angewendet wird. Im Diffusfeld verliert jedes Richtmikrofon seine bündelnde Richtcharakteristik. Das heißt: Die Wirksamkeit der schallbündelnden Richtcharakteristiken, so wie sie uns die Mikrofonhersteller zeigen, gilt nur innerhalb des Hallradius, außerhalb davon wird die Richtwirkung mit zunehmender Entfernung von der Schallquelle immer geringer[1].

Die Richtwirkung ist ausschließlich von der akustischen Bauform der Kapsel, nicht von dem zugrundeliegenden Wandlerprinzip abhängig.
Ein reines Druckmikrofon (auch: Druckempfänger) besitzt keine Richtwirkung, also eine kugelförmige Richtcharakteristik (omnidirektional). Ein Druckgradientenmikrofon (auch: Druckgradientenempfänger) in seiner reinen Form (z. B. Bändchenmikrofon) liefert als Richtcharakteristik eine Acht (die richtungsabhängige Kraft auf die Membran verläuft cosinusförmig; der Cosinus im Polardiagramm hat die Form einer Acht) [5]. Durch spezielle Konstruktion der Kapsel oder durch elektrische Mischung der Signale zweier dicht benachbarter Kapseln erhält man Richtcharakteristiken zwischen Kugel und Acht. Als standardisierte Zwischenformen zwischen Kugel- und Achtercharakteristik gibt es „breite Niere“, „Niere“, „Superniere“ und „Hyperniere“ [6].

Die Richtcharakteristik „Keule“ wird durch das Prinzip des Interferenzrohres gewonnen (Richtrohrmikrofon; Schallrichtungsabhängige Auslöschungen durch akustisch wirksame Laufzeitelemente). Die Keule nimmt nach vorne hin höhere Frequenzen nur in einem sehr engen Bereich auf. Diese Richtcharakteristik ist stark frequenzabhängig. Nach hinten ist die Aufnahmeempfindlichkeit geringer und diffus, d. h. „unbestimmbar“ [7].

Aufgrund der komplexen Verhältnisse des Schallfelds weicht der reale Richtcharakter in der Praxis von diesen theoretischen Mustern individuell ab. Starke Abweichungen der Muster sind dann zu beobachten, wenn die Wellenlänge der Signalfrequenz sich im Bereich des Kapseldurchmessers bewegt. Daher sind diese Musterverzerrungen desto geringer, je kleiner der Membrandurchmesser ist.

Bei Druckgradientenmikrofonen, deren Richtcharakter durch akustische Laufzeitelemente oder Doppelmembranbauweise von der reinen Acht etwa zur Niere modifiziert wurde, sind die größten Abweichungen zu erwarten.
Bei Druckempfängern führen etwa der Druckstaueffekt wie auch Schallabschattung durch den Mikrofonkörper zu einer Richtwirkung bei hohen Frequenzen [8].

Bekannt ist auch die Herstellung der Richtcharakteristik „Breite Niere“ als „Straus-Paket“ aus der Verwendung von zwei Kleinmikrofonen ganz dicht beieinander. Von Volker Straus kommt ein Mikrofon KM 83 (Kugel) und ein Mikrofon KM 84 (Niere) der Firma Georg Neumann gleichzeitig zur Anwendung, die in Serie auf einen Mikrofoneingang geschaltet sind.

Eine große Bedeutung bei der Erzeugung der Richtcharakteristik hat auch die Membranabstimmung, die häufig mit Mikrofonabstimmung bezeichnet wird.

Lautsprecher

Die Abstrahlcharakteristik von Lautsprechern ist wichtig für die Beschallung von Räumen, Bahnhöfen und Veranstaltungen.
Während Tieftonlautsprecher (geschlossene Boxen und auch sog. Subwoofer mit Bassreflex-Rohr) - bis auf wenige Ausnahmen - eine Rundstrahlcharakteristik aufweisen, verhalten sich Mittel- und Hochtöner sehr komplex und unterschiedlich:

  • Kalottenhochtöner habe eine breite Abstrahlung über einen weiten Frequenzbereich und sind daher gut für Wohnräume geeignet.
  • Hochtöner mit Trichter haben einen geringen Abstrahlungswinkel und werden - erhöht angebracht - zur Beschallung großer Flächen eingesetzt
  • Mitteltöner oder Breitbandlautsprecher mit kegeliger Membran weisen stark frequenzabhängige Abstrahlcharakteristiken auf
  • durch vertikale Stapelung lassen sich horizontal weite und vertikal begrenzte Abstrahlwinkel erreichen ("Fächer")

Antennen

Die Richtcharakteristik von Antennen wird auch als Antennendiagramm oder Richtdiagramm bezeichnet und bestimmt (unabhängig, ob gesendet oder empfangen wird) deren winkelabhängigen Gewinn sowie das VRV (Vor-/Rück-Verhältnis).
Wie oben bei Mikrofonen beschrieben, gibt es Rundstrahl-, Nieren- oder Achtercharakteristiken sowie (bei stark bündelnden Antennen) Keulencharakteristiken mit mehreren oder wenigen sog. „Nebenzipfeln“.
Die Richtcharakteristik von Antennen wird in einem Richtdiagramm oder Antennendiagramm horizontal und vertikal in Polarkoordinaten dargestellt. Sie gibt den winkelabhängigen Antennengewinn relativ zum maximalen Gewinn an.

Die Richtcharakteristik ist auch zur Vermeidung unerwünschter Empfangssignale von Bedeutung (z. B. Vermeidung von „Geisterbildern“ beim analogen Fernsehempfang).

Durch vertikale Antennen-Arrays lassen sich horizontal ausgerichtete, fächerförmige Charakteristiken (Fächerdiagramme) erzeugen, um möglichst große Flächen abzudecken.
Beispiele sind:

  • Funktelefon-Basisstationen
  • Rundfunksender (UKW und TV auf Fernsehtürmen und Umsetzern)

Ebenso lassen sich waagerechte Arrays zur Verringerung des waagerechten Abstrahlwinkels einsetzen, z. B. bei Schiffs-Radar-Antennen.
Ein- oder zweidimensionale Antennenarrays können zur elektronischen Beeinflussung der Richtcharakteristik mit unterschiedlichen Phasenlagen der Signale für die einzelnen Antennen gespeist werden (Radar-Anlagen ohne bewegte Antenne, Phased-Array-Antenne).
Große Antennenarrays werden in der Radioastronomie verwendet, um unter Auswertung der Phasenlage der einzelnen Signale mit extrem hoher Winkelauflösung den Himmel oder sogar benachbarte Planetenoberflächen zu untersuchen.

Lichtquellen

Die Richtcharakteristik von Lichtquellen (Leuchtmittel und Leuchten) beschreibt deren winkelabhängige Lichtstärke.
Das ist wichtig zur Charakterisierung von Lichtquellen, zur möglichst gleichmäßigen Ausleuchtung von Flächen oder dem Vermeiden einer Blendung.
Der Abstrahlwinkel beschreibt bei gerichteten Lichtquellen (z. B. bei Leuchtdioden oder Reflektorlampen, Kaltlichtspiegellampen) den Winkel, der von den seitlichen Punkten mit halber Maximal-Lichtstärke eingeschlossen wird.
Er kann bei Leuchten in verschiedenen Raumrichtungen unterschiedlich sein.

Zur Ausleuchtung von Straßen oder bei Hintergrundbeleuchtungen (engl. „backlight“) von Displays werden oft schmetterlingsförmige Abstrahlcharakteristiken (zwei seitlich gerichtete Keulen) verwendet.

Literatur

  • Thomas Görne: Tontechnik. 1. Auflage, Carl Hanser Verlag, Leipzig, 2006, ISBN 3-446-40198-9
  • Eberhard Spindlert: Das große Antennen-Buch. 11. Auflage, Franzis-Verlag GmbH, München, 1987, ISBN 3-7723-8761-6
  • Gregor Häberle, Heinz Häberle, Thomas Kleiber: Fachkunde Radio-, Fernseh-, und Funkelektronik. 3. Auflage, Verlag Europa Lehrmittel, Haan-Gruiten, 1996, ISBN 3-8085-3263-7
  • Hans R. Ris: Beleuchtungstechnik für Praktiker. 2. Auflage, VDE-Verlag GmbH, Berlin-Offenbach, 1997, ISBN 3-8007-2163-5

Einzelnachweise

  1. a b Michael Dickreiter, Handbuch der Tonstudiotechnik, 6. Auflage 1997, Band 1, Seite 160
  2. Michael Dickreiter, Handbuch der Tonstudiotechnik, 6. Auflage 1997, Band 1, Seite 159
  3. www.sengpielaudio.com Mikrofonrichtcharakteristiken und weitere Parameter - pdf
  4. www.sengpielaudio.com Unterschied zwischen Hyperniere und Superniere - pdf
  5. www.sengpielaudio.com Zusammenhang der Richtcharakteristiken - pdf
  6. Michael Dickreiter, Handbuch der Tonstudiotechnik, 6. Auflage 1997, Band 1, Seite 146, 161
  7. Michael Dickreiter, Handbuch der Tonstudiotechnik, 6. Auflage 1997, Band 1, Seite 172
  8. Thomas Görne, Mikrofone in Theorie und Praxis, 2. Auflage 1996, Seite 167 ff.

Siehe auch

Weblinks


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