Hyperfeinstruktur

Hyperfeinstruktur
Hyperfeinstruktur-Aufspaltung der Energieniveaus am Beispiel des Wasserstoffatoms

Die Hyperfeinstruktur ist die über die Feinstruktur hinausgehende Energieaufspaltung in den Spektrallinien der Atomspektren, die auf der Wechselwirkung der Hüllenelektronen mit höheren Kernmomenten (magnetische Dipol- und elektrische Quadrupolmomente) sowie auf der Isotopie der Elemente (= Zusammensetzung aus Isotopen) beruht.

Im engeren Sinne versteht man unter Hyperfeinstruktur die Aufspaltung der Energieniveaus eines Atomes aufgrund der Kopplung des magnetischen Kernmomentes \vec{\mu}_I mit dem von den Elektronen der Atomhülle am Kernort erzeugten Magnetfeld \vec{B}_J.

Die Kopplung bewirkt, dass der Gesamtdrehimpuls \vec{F} des Atoms, der die Summe des Hüllendrehimpulses \vec{J} und des Kernspins \vec{I} ist, gequantelt ist:

|\vec{F}|=\hbar\sqrt{F(F+1)}

Die Quantenzahl F ist halb- (Fermi-Dirac-Statistik) oder ganzzahlig (Bose-Einstein-Statistik) und kann die Werte \{J+I, \dots, |J-I|\} im Abstand von 1 annehmen. J und I sind die Quantenzahlen des Hüllendrehimpulses und des Kerndrehimpulses.

Die Wechselwirkungsenergie beträgt

V_{HFS} = - \vec{\mu}_I \cdot \vec{B}_J = \frac{g_I \mu_K B_J [F(F+1)-I(I+1)-J(J+1)]}{2\sqrt{J(J+1)}}

Dabei ist \mu_K = e\hbar/(2m_P) das Kernmagneton (mP=Protonenmasse) und gI der Kern-g-Faktor. Das magnetische Kernmoment und der Kerndrehimpuls stehen über gI in Beziehung:

\vec{\mu}_I=\frac{g_I \mu_K}{\hbar} \vec{I}

Zur Bestimmung von VHFS benötigt man die Größen gI und BJ. gI kann durch Kernspinresonanz-Messungen bestimmt werden. BJ kann man aus der Wellenfunktion der Hüllenelektronen bestimmen, die allerdings für Atome mit einer Ordnungszahl größer 1 nur numerisch zu berechnen ist. Die größte Hyperfeinstruktur-Aufspaltung zeigen s-Elektronen, weil nur sie eine größere Aufenthaltswahrscheinlichkeit am Ort des Kerns besitzen.

Die Größenordnung der Hyperfeinstrukturaufspaltung ist etwa 200-fach kleiner als die der Feinstruktur.

In einem schwachen äußeren Magnetfeld spalten die Energieniveaus weiter auf nach der magnetischen Quantenzahl der Hyperfeinstruktur mF (Zeeman-Effekt der Hyperfeinstruktur). In einem starken äußeren Magnetfeld entkoppeln der Kern- und der Hüllendrehimpuls, so dass man eine Aufspaltung nach der magnetischen Kernquantenzahl mI beobachtet (Paschen-Back-Effekt der Hyperfeinstruktur).

Übergänge zwischen Hyperfeinstrukturzuständen werden in Atomuhren verwendet, weil ihre Frequenz konstant ist (wie die aller atomarer Übergänge) und mit hoher Genauigkeit mit relativ einfachen Mitteln zu erzeugen und zu messen ist, da sie im Radiofrequenz- oder Mikrowellenbereich liegt.

Die Übergangsfrequenz des Grundzustandes des Wasserstoffatoms zwischen F=1 und F=0 beträgt 1,420 GHz. Dem entspricht eine Wellenlänge von 21 cm. Diese sog. HI-Linie ist von großer Bedeutung für die Radioastronomie. Durch Dopplerverschiebung dieser Linie lässt sich die Bewegung der Gaswolken relativ zur Erde bestimmen.

Neben diesem Kernspin-Effekt gibt es noch die Isotopen-Effekte. Anders als der Kernspin liefern diese keine Aufspaltung innerhalb eines einzelnen Atoms, sondern eine Verschiebung der Spektrallinien für verschiedene Isotope desselben Elements. Dadurch erhält man bei einem Isotopengemisch eine Aufspaltung der Linien. Die Isotopen-Effekte sind der Kernmassen-Effekt und der Kernvolumen-Effekt.

Der Kernmasseneffekt beruht auf der Mitbewegung des Atomkerns. Diese äußert sich in einer geringeren effektiven Masse des Elektrons. Da die Kerne verschiedener Isotope unterschiedliche Masse haben, ist die effektive Masse ihrer Elektronen ebenfalls leicht unterschiedlich, was sich in einer entsprechenden Verschiebung aller Zustände in Richtung höherer Energie äußert. Da die Kernmitbewegung mit steigender Masse des Kerns abnimmt, spielt dieser Effekt vor allem für leichte Atomkerne eine Rolle.

Der Kernvolumen-Effekt beruht auf der endlichen Ausdehnung des Atomkerns. Elektronen in s-Zuständen (also mit Bahndrehimpuls 0) haben eine nicht vernachlässigbare Aufenthaltswahrscheinlichkeit im Kern, wo das Potential nicht mehr die reine Coulomb-Form hat. Diese Abweichung vom Coulomb-Potential bedeutet eine Anhebung der Energien der Zustände, die vom Volumen des Kerns abhängt. Absolut gesehen ist dieser Effekt bei schweren Atomen am größten, da diese die größten Atomkerne haben. Die Aufspaltung ist jedoch wiederum bei den kleineren Atomkernen größer, da hier die Verhältnisse der Kernvolumina verschiedener Isotope größer ist.

Literatur

  • Stephanus Büttgenbach: Hyperfine structure in 4d- and 5d-shell atoms. Springer, Berlin 1982, ISBN 0-387-11740-7
  • Lloyd Armstrong: Theory of the hyperfine structure of free atoms. Wiley-Interscience, New York 1971, ISBN 0-471-03335-9

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