Hylozoismus

Hylozoismus

Der Begriff Hylozoismus (altgriech. ὕλη hyle: Stoff, Materie (usp.: Wald, Holz, Bauholz); griech.: zoe: Leben) wird Ende des 17. Jahrhunderts von Ralph Cudworth geprägt.[1] Mit diesem Begriff wird die kosmogonische Vorstellung bezeichnet, dass Leben oder die Fähigkeit der Selbstbewegung eine Eigenschaft von Materie sei. Er kann für folgende Auffassungen stehen:

  • Die Annahme, absolut alle Dinge seien in gewisser Weise belebt.
  • Die Vorstellung von einer von Leben durchdrungenen Welt, wobei augenscheinlich unbelebt erscheinende Dinge belebt sein können.
  • Die Auffassung von einer Welt, die als Ganzes einen lebenden Organismus bzw. eine Seele bildet.

Hylozoisten waren die ionischen Naturphilosophen, die die Entstehung von allen Dingen aus einem Urstoff (Arché) beschrieben, so Thales das Wasser, Anaximander das Apeiron (das Unendliche), Anaximenes die Luft oder Heraklit das Feuer. Insoweit Aristoteles einfache Körper als Gegenstände bestimmte (Phys. B1, 192b), die ihren Ursprung der Bewegung selbst in sich tragen, ist auch seine Philosophie vom Hylozoismus beeinflusst. In der Neuzeit werden die Auffassungen u.a. von Giordano Bruno und Denis Diderot als Hylozoismus charakterisiert.

Immanuel Kant urteilte über den H.: „Der Hylozoismus belebt alles, der Materialismus dagegen, wenn er genau erwogen wird, tötet alles.“[2] Kant beschrieb den Hylozoismus als physischen Realismus, nach dem „die Zwecke in der Natur auf dem Analogon eines nach Absicht handelnden Vermögens, dem Leben der Materie“ beruhen.[3] Kant selbst hielt diese Position allerdings für zirkulär.[4]

Seit dem 19. Jahrhundert wird der Begriff oft kritisch von der materialistisch-mechanistischen Philosophie für alle nicht-materialistische, nicht-mechanistische Philosophie gebraucht. Im 20. Jahrhundert wird noch F.C.S. Schiller dem Hylozoismus zugerechnet.

Siehe auch

Literatur

  • Ralph Cudworth: The True Intellectual System of the Universe, London 1678
  • Hugo Spitzer: Über Ursprung und Bedeutung des Hylozoismus. Eine philosophische Studie, Graz 1881
  • Olof Gigon: Der Ursprung der griechischen Philosophie. Von Hesiod bis Parmenides, 2. Aufl. Basel/Stuttgart 1968
  • Fritz-Peter Hager: Stichwort „Hylozoismus“ in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 9, 1237 – 1238
  • Jürgen Mittelstraß: Stichwort „Hylozoismus“ in: Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, Band 2, 155 – 156

Einzelnachweise

  1. Cudworth, 104ff
  2. in: Träume eines Geistersehers, erster Teil, zweites Hauptstück, A 33
  3. Kritik der Urteilskraft §72, Akademie Ausgabe, Band 5, 392
  4. Kritik der Urteilskraft §73, Akademie Ausgabe, Band 5, 394

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Hylozoismus — u. Hylozoisten, s.u. Hyle …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Hylozoïsmus — (griech.), die Ansicht, nach der die Materie (Hyle) nicht bloßer, der Empfindung und jedes innern Lebens entbehrender Stoff, sondern ihrem Wesen nach, also überall und immer, belebt und beseelt ist. Der H. nimmt eine Mittelstellung ein zwischen… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Hylozoísmus — (grch.), s. Hyle …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Hylozoismus — Hy|lo|zo|ịs|mus 〈m.; ; unz.; grch. Naturphilos.〉 Lehre von der ursprüngl. Belebtheit aller Materie [<grch. hyle „Stoff, Materie“ + zoon „Lebewesen“] * * * Hy|lo|zo|ịs|mus, der; [zu griech. zōe̅ = Leben] (Philos.): Lehre der ionischen… …   Universal-Lexikon

  • Hylozoismus — Hy|lo|zo|ịs|mus 〈m.; Gen.: ; Pl.: unz.; antike Naturphilos.〉 Lehre von der ursprüngl. Belebtheit, Beseeltheit aller Materie [Etym.: <grch. hyle »Stoff, Materie« + Zoon] …   Lexikalische Deutsches Wörterbuch

  • Hylozoismus — Hy|lo|zo|is|mus der; <zu gr. zōe̅ »Leben« u. ↑...ismus> Lehre der ionischen Naturphilosophen, die als Substanz aller Dinge einen belebten Urstoff, die ↑Hyle, annahmen; Lehre von der Beseeltheit der Materie …   Das große Fremdwörterbuch

  • Liste der Philosophen — …   Deutsch Wikipedia

  • Atheisten — Atheismus bezeichnet nach üblichem Sprachgebrauch die weltanschauliche Grundauffassung, dass es keinen Gott gibt. Es bestehen aber unterschiedliche Verwendungen des Wortes. Weit verbreitet ist heute eine doppelte Abgrenzung, sowohl vom… …   Deutsch Wikipedia

  • Atheistin — Atheismus bezeichnet nach üblichem Sprachgebrauch die weltanschauliche Grundauffassung, dass es keinen Gott gibt. Es bestehen aber unterschiedliche Verwendungen des Wortes. Weit verbreitet ist heute eine doppelte Abgrenzung, sowohl vom… …   Deutsch Wikipedia

  • Atheistisch — Atheismus bezeichnet nach üblichem Sprachgebrauch die weltanschauliche Grundauffassung, dass es keinen Gott gibt. Es bestehen aber unterschiedliche Verwendungen des Wortes. Weit verbreitet ist heute eine doppelte Abgrenzung, sowohl vom… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”