Hubspeicherkraftwerk

Hubspeicherkraftwerk

Ein Hubspeicherkraftwerk (manchmal auch Lageenergiespeicherkraftwerk genannt) ist ein Speicherkraftwerk, in dem elektrische Energie in Form von potentieller Energie (Lageenergie) zwischengespeichert wird. Üblicherweise wird der Begriff nur verwendet, wenn hierbei ein Festkörper als Speichermasse dient. Wasserspeicherkraftwerke, insbesondere Pumpspeicherkraftwerke, die flüssiges Wasser als Speichermasse nutzen, fallen nicht unter den Begriff, obwohl sie ebenfalls Lageenergie speichern.

Inhaltsverzeichnis

Stand der Entwicklung

Obwohl die physikalischen Grundlagen sehr einfach sind und auch die erforderlichen Techniken aus anderen Anwendungen im kleineren Maßstab hinreichend erprobt und bewährt sind, befindet sich das Konzept eines großtechnischen Hubspeicherkraftwerkes, das hinsichtlich Leistung und Speicherkapazität mit anderen Speicherkraftwerkstypen konkurrieren kann, noch in der Konzeptphase. Es gibt diverse Ideen, Erfindungen und Patentanmeldungen[1][2][3] und auch Forschungsvorhaben[4], jedoch bisher weltweit keine kommerziell genutzte Anlage, nicht einmal einen Prototyp[Anm. 1].

Physikalischer Hintergrund

Die gespeicherte Lageenergie W beim Heben/Senken einer Speichermasse m gegen die Erdschwerebeschleunigung g um eine Höhendifferenz h berechnet sich vereinfacht als:

\mathbf W = m \cdot g \cdot h

Kennt man das Volumen V und die mittlere Dichte ρ der Speichermasse, kann man die Masse ersetzen:

\mathbf W = V \cdot \rho \cdot g \cdot h

Mit einer Erdbeschleunigung g von 9,81 m/s² ergibt sich eine spezifische Energiespeicherung von

\mathbf w = 2{,}725 \tfrac {\text {Wh}} {\text {t} \cdot \text {m}}

Hieraus ergibt sich beispielsweise für einen Block von 1 Kubikmeter Volumen, der aus massivem Stahl besteht (Dichte 7,85 t/m³) und der 500 Meter in die Höhe gehoben wird, eine Energiespeicherung von rund 10,7 Kilowattstunden.

Technisches Konzept

Förderturm aus dem Bergbau (Schacht 371 des Bergbaubetriebes Aue, ehemals tiefstes Bergwerk Europas, Teufe 1800 m; Leistung der Fördermaschine 2000 kVA)

Fördertechnik

Das technische Konzept entspricht grundsätzlich dem einer Förderanlage, die Güter in vertikaler Richtung bewegt. Die Vertikalbewegung kann dabei auf verschiedenem Wege erfolgen:

Als Förderanlage sind grundsätzlich fast alle Bauformen denkbar, die auch in der Fördertechnik oder bei Transportfahrzeugen eingesetzt werden. Die Auswahl der geeigneten Technik hängt vor allem von der zu bewältigenden Höhendifferenz und der zu hebenden Masse ab. Neben dem bei Kränen und Aufzügen sehr verbreiteten Drahtseil kommen auch Ketten oder Zahnstangen in Frage. Für sehr große Massen und kleine Hübe bieten sich eher Hebelmechanismen, Gewindespindeln oder Hydraulikzylinder an.[1] Das Heben großer Massen über beträchtliche Höhendifferenzen ist beispielsweise aus dem Bau von Schiffshebewerken erprobt. Eine Sonderfall der hydraulischen Hebetechnik ist die Verwendung von Wasser als Hydraulikflüssigkeit. Die Rückwandlung der Lageenergie in elektrische Energie kann dann mittels konventioneller Wasserturbinen geschehen; es entsteht eine Hybridform aus Hubspeicher- und Pumpspeicherkraftwerk[5][3][6].

Als Speichermasse kommt entweder ein einzelnes, fest angeschlagenes Gewicht in Frage oder eine größere Anzahl kleinerer Gewichte, die je nach Bedarf in den Förderer ein- und ausgeladen werden: Als Grenzfall auf Seiten der großen Einzelmassen gibt es Vorschläge, ganze Gebäude[7] oder riesige, aus der Erde ausgesägte Felsblöcke[5][3] anzuheben. Als Grenzfall auf Seiten der kleinen Massen sind Stetigförderer denkbar, die Schüttgüter fördern, welche sich fast wie eine Flüssigkeit verhalten. Hiermit wird die Abgrenzung zum Wasserspeicherkraftwerk unscharf.

Energierückspeisung

Der entscheidender Unterschied vom Hubspeicherkraftwerk zu normalen Förderanlagen ist die Tatsache, dass die gespeicherte Energie bei der Abwärtsbewegung nicht in einer konventionellen Bremse "vernichtet" (d. h. in Wärme umgesetzt) wird, sondern wieder in elektrische Energie zurückgewandelt wird. Diese Rückwandlung ist aus anderen Anwendungen erprobt und bewährt:

Aus der physikalischen Wirkung entsteht ein Vorteil gegenüber anderen Speicherkraftwerken: Da die Gewichtskraft der Speichermasse annähernd unabhängig von der Höhe ist, ist die Leistung des Kraftwerkes unabhängig vom "Füllstand". Zudem ist die Leistung jederzeit sehr schnell abrufbar, ein solches Speicherkraftwerk wäre auch als Notstromversorgung verwendbar. Begrenzend für die Startzeit und die Leistung des Kraftwerks ist die Baugröße des Generators und der resultierende Anlaufstrom bzw. die Rampe des vorgeschalteten Frequenzumrichters.

Aufstellungsort

Zur Maximierung der zur Verfügung stehenden Höhendifferenz, die direkt proportional in die Speicherkapazität des Kraftwerkes eingeht, wird häufig vorgeschlagen, den Hubspeicher in abgeworfene Bergbauschächte zu integrieren.[1][2] Solche Schächte, die normalerweise mehrere hundert, oft sogar weit über tausend Meter Höhe bieten, haben zudem den Vorteil, daß teilweise die Infrastruktur der ehemals vorhandenen Schachtförderung genutzt werden kann. Fördermaschinen mit bis zu 6000 kVA Leistung sind Stand der Technik[10], auch Netzrückspeisung gab es vereinzelt schon früher, z.B. im Kaiser-Wilhelm-Schacht[11]

Alternativ zu unterirdischen Schächten würde auch eine Installation auf dem offenen Meer Hübe von mehreren hundert Metern oder im Bereich von Tiefseegebieten bis weit über tausend Meter erlauben.[1] Wegen der Wassertiefe müsste das Kraftwerk auf einem großen Schwimmkörper errichtet werden, dessen Auftrieb das Gewicht von Kraftwerk und Speichermasse trägt. Das effektive Gewicht der Speichermasse reduziert sich durch den Auftrieb des Wassers, was zwar die erforderliche Größe des Schwimmkörpers reduziert, aber auch die gespeicherte Energiemenge mindert. Probleme entstehen, vergleichbar mit anderen schwimmenden Bauwerken, insbesondere Halbtaucherbohrinseln, durch hohen Seegang, Wind, Meeresströmungen und sonstige Witterungseinflüsse sowie die elektrische Verbindung zum Festland. Bei schwimmender Bauweise böte sich wegen Synergien die Kombination mit einer schwimmenden Windkraftanlage an.

Anmerkungen

  1. ein auf www.energiespektrum.de erwähnter Prototyp von 2009 ist vermutlich eine Falschmeldung

Einzelnachweise

  1. a b c d Werner Rau: Hubspeicherkraftwerke - Hubspeicher nutzen die Schwerkraft. Abgerufen am 25. März 2011.
  2. a b Patent DE102007057323: Hubspeicherkraftwerk als besondere Form eines Speicherkraftwerkes, welches der Speicherung von elektrischer Energie durch Umwandlung in potentielle Energie einer Hubmasse dient. Veröffentlicht am 4. Juni 2009, Erfinder: Jürgen Pesch.
  3. a b c Frank Escombe: LoganStone Energy Storage. Sure Insight, abgerufen am 29. März 2011 (englischsprachig).
  4. Achim Gottscheber: Hubspeicherkraftwerk - eine Alternative zur Speicherung elektrischer Energie. SRH Hochschule Heidelberg, abgerufen am 25. März 2011.
  5. a b Eduard Heindl: Hydraulische Energiespeicher für den Ausbau der Erneuerbaren. SolarServer, 14. September 2010, abgerufen am 25. März 2011.
  6. Gravity Power Grid-Scale Electricity Storage System. LaunchPoint Technologies, abgerufen am 29. März 2011 (englischsprachig).
  7. Eric Bloom: Potential Energy Storage. PikeResearch, abgerufen am 25. März 2011 (englisch).
  8. Jürg Nipkow; Schweizerische Agentur für Energieeffizienz (S.A.F.E.) (Hrsg.): Elektrizitätsverbrauch und Einspar-Potenziale bei Aufzügen. BFE-Programm Elektrizität, DIS-Projekt Nr. 101106, Schlussbericht November 2005. Bundesamt für Energie (Volltext auf hoststar.ch).
  9. Industrie-Service Argauer (Hrsg.): Energierückspeisung, ein Umweltbeitrag der sich bezahlt macht!. (Online auf www.henning-gmbh.de).
  10. Fördermaschinen und Schächte. RAG Mining Solutions, Februar 2011, abgerufen am 25. März 2011.
  11. Heinz - Rüdiger Lenk: Der Schacht Kaiser Wilhelm II. Abgerufen am 25. März 2011.

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