Hrant Dink

Hrant Dink

Hrant Dink (* 15. September 1954 in Malatya; † 19. Januar 2007 in Istanbul; armenisch Հրանտ Դինք, in westarmenischer Aussprache [hǝ'ɹand tʰiŋkʰ], in der in Armenien üblichen ostarmenischen Aussprache [hǝ'ɹant diŋkʰ]) war Armenier und türkischer Staatsbürger,[1] Journalist und einer der Herausgeber der in Istanbul erscheinenden zweisprachigen Wochenzeitung Agos. Der von nationalistischen Kräften in Gesellschaft und Justiz seit Jahren verfolgte Redakteur wurde auf offener Straße erschossen.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Dink wurde als Christ in der Armenischen Apostolischen Kirche erzogen[2] und wuchs nach der Trennung seiner Eltern in armenischen Waisenhäusern in Istanbul auf.

Als Jugendlicher spielte er beim Istanbuler Verein Taksimspor aktiv Fußball. [3] Hrant Dink studierte Zoologie und Philosophie und war als Student politisch links engagiert, weswegen er nach dem Putsch von 1980 dreimal verhaftet wurde. Er saß mehrere Monate im Gefängnis und erhielt jahrelang keinen Pass von den türkischen Behörden.

Sein Leben änderte sich, als Mitte der 1980er Jahre der türkische Staat das armenische Ferienheim beschlagnahmte, in dem er die Sommer seiner Kindheit verbracht hatte und das er damals gemeinsam mit seiner Frau Rakel leitete. Es wurde wie tausende andere christliche Besitztümer (Kirchen, Krankenhäuser, Schulen usw.) konfisziert, in diesem Fall unter dem Vorwand, die armenische Kirche habe das Grundstück illegal gekauft. Daraufhin gründete er mit seinen Brüdern eine Buchhandlung und begann sich journalistisch zu betätigen. Buchrezensionen schrieb er meist unter dem Pseudonym Çutak (Violine). 1996 gründete er mit einigen Freunden „Agos“, eine armenische Zeitung, in der politisch heikle Themen offen diskutiert werden, und zwar in zwei Sprachen, Armenisch und Türkisch.

Hrant Dink wurde wegen „Agos“ unzählige Male vor Gericht gestellt, aus nichtigen Anlässen, wie international kritisiert wurde. Mehrfach wurde er wegen „Beleidigung des Türkentums“ vor Gericht zitiert, wie vor ihm auch der Träger des Literaturnobelpreises Orhan Pamuk. So wurde er im Oktober 2005 wegen angeblicher rassistischer Äußerungen gegen Türken angeklagt, da einer seiner Artikel impliziere, türkisches Blut sei „giftig“. Tatsächlich hatte Dink in dem fraglichen Artikel die Diaspora-Armenier dazu aufgerufen, sich von ihrem Hass auf die Türken zu befreien, der ihr Blut vergifte, und dieses „vergiftete Blut“ durch das „reine Blut“ einer normalen Beziehung zu ihrem Heimatland Armenien zu ersetzen. Aus dem Kontext gerissen, wurde der entsprechende Satz dahingehend missgedeutet, das Blut der Armenier sei durch den türkischen Anteil daran vergiftet worden. Entgegen dem Rat einer juristischen Sachverständigenkommission[4] wurde Dink aufgrund dieser Interpretation zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.[5][6] Seine Berufung wurde 2006 vom obersten Gerichtshof der Türkei abgewiesen. Drei weitere Verfahren waren bei seinem Tod noch anhängig, unter anderem weil er geschrieben hatte, dass der Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich dazu geführt habe, dass ein Volk, das 4000 Jahre auf diesem Boden gelebt hat, ausgemerzt worden ist.[7] Mit der Verurteilung erhielten die Angriffe auf Hrant Dink offiziellen Rückhalt, resümierte die NZZ.[8] Dink zog daraufhin im Oktober 2006 vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, vor einer Entscheidung wurde er jedoch ermordet.[9] In seinem letzten Artikel in der Zeitung „Agos“ beschreibt Dink, wie er von „bestimmten Kräften“ zur Zielscheibe gemacht und seine Äußerungen instrumentalisiert worden seien, und beklagt u.a., dass Personen wie der bekennende Nationalist und Rechtsanwalt Kemal Kerinçsiz ihn ständig mit neuen Prozessen überzögen, die Justiz in der Türkei nicht unabhängig sei und er mit Drohbriefen übersät werde.[10][11]

Ermordung

Am 19. Januar 2007 wurde Hrant Dink in Istanbul vor dem Verlagshaus der Agos erschossen.[12][13][14] Einem Augenzeugen, Muharrem Gözütok, zufolge, rief der Täter beim Weglaufen: „Ich habe den Ungläubigen erschossen“.[15][16]

Nach Angaben türkischer Quellen wurde der mutmaßliche Täter Ogün Samast in Samsun gefasst, mit ihm wurden zehn weitere Verdächtige festgenommen. Der Vater Samasts hatte seinen Sohn auf einem veröffentlichten Überwachungsvideo erkannt und der Polizei einen Hinweis gegeben.[17] Ministerpräsident Erdoğan bestätigte die Festnahme des Täters.[18] Der 16-Jährige, der die Tat inzwischen gestanden und keinerlei Reue gezeigt haben soll[17][19], stammt aus derselben türkischen Stadt Trabzon, in der vor knapp einem Jahr der katholische Priester Andrea Santoro ebenfalls von einem (16-jährigen) Jugendlichen ermordet worden war.[20] Frau Dink hat Parallelen zu dem Mord an dem katholischen Pater bestätigt. Sie mahnte an, dass man beim Mord an Santoro etwas genauer hätte hinschauen können, dann wäre vielleicht der Mord an ihrem Mann nicht geschehen. Der Prozess fand hinter verschlossenen Türen statt. Daher gab es fast keine Transparenz.[21]

CNN Türk zitierte Samast mit den Worten: „Ich habe ihn nach dem Freitagsgebet erschossen. Ich bedaure es nicht“.[22] Der als arbeitslos geltende Tatverdächtige soll in den beiden Wochen vor dem Attentat fünf Mal mit einer Privatfluggesellschaft nach Istanbul geflogen sein.[23] Als Motiv für seine Tat gab er an, sein Opfer habe das türkische Volk beleidigt. „Ich habe im Internet gelesen, dass er gesagt hat: ‚Ich bin aus der Türkei, aber türkisches Blut ist schmutzig‘", erklärte der geständige Täter.[24]

Die türkische Polizei untersuchte mögliche Verbindungen zwischen den Morden an Dink und an Santoro.[25] In Hinblick auf die Minderjährigkeit beider Attentäter sagte der Präsident der Istanbuler Anwaltskammer, Kazım Kolcuoğlu, dass in der Türkei Minderjährige für Morde benutzt werden, weil sie geringere Strafen als Volljährige erhalten.[25] Auch der nationalistische Anwalt Kemal Kerinçsiz, der Anklagen nach Artikel 301 gegen Dink, Orhan Pamuk und andere Autoren erhoben hatte, vermutet eine Verschwörung hinter dem Mord. Laut Zaman sagte er: “Ich glaube nicht, dass dies das Werk eines fanatischen Einzeltäters war, dem Dinks Ansichten nicht gefielen.”[26]

Laut der türkischen Zeitung Hürriyet gab der bereits wegen eines Anschlags auf ein McDonald’s-Restaurant im Jahr 2004 zu elf Monaten Haft verurteilte nationalistische Extremist Yasin Hayal zu, Ogün Samast eine Pistole und Geld beschafft zu haben.[27]

Der damalige Innenminister Abdülkadir Aksu gab nach einem Kondolenzbesuch bei der Gattin Hrant Dinks, Rakel Dink, bekannt, dass die wichtigsten Hintermänner des Attentates festgenommen wurden. [28]

Ogün Samast wurde am 25. Januar 2007 in das Gefängnis Bayrampaşa in Istanbul eingeliefert. Laut seinem Anwalt Levent Yıldırım hatte sein Klient keine Kontakte zu terroristischen Organisationen. Er betonte jedoch, dass Samast beeinflusst wurde. Yıldırım zufolge soll Samast, entgegen Berichten in den Zeitungen, die Tat bedauern.[29]

Dink hinterließ eine Frau und drei Kinder.

Reaktionen im Inland

Hrant Dink Poster der Künstlergruppe extrastruggle auf der 10. Istanbul Biennale. Der Text "Ne ölü 'Ermeniyim' diyen", zu deutsch "Wie tot, wer sich Armenier nennt", ist eine Variation des bekannten Mustafa-Kemal-Zitats Ne mutlu Türküm diyene.

Der türkische Ministerpräsident Erdoğan verurteilte den Anschlag als „abscheuliches Verbrechen“. An der Beerdigung nahm er jedoch nicht teil, obwohl er den Mord an Hrant Dink zuvor mit „Schüssen auf die Türkei“ umschrieben hatte. Er ließ sich entschuldigen, da er einen Autobahntunnel zu eröffnen hatte. Auch der türkische Präsident Ahmet Necdet Sezer verurteilte den Anschlag auf Dink scharf, nahm aber ebenfalls wie alle Spitzenpolitiker des Landes nicht an der Beerdigung teil.[30][31][32] Tausende Türken protestierten am Abend des 19. Januar 2007 bei spontanen Kundgebungen in Istanbul und Ankara gegen den Mord. Immer wieder skandierten die Sprechchöre mit „Wir sind alle Hrant Dink, wir sind alle Armenier“.[33] Nach seinem Tod wurde kritisiert, dass Dink trotz objektiver Anhaltspunkte für seine Gefährdung keinen Personenschutz erhalten habe.[34]

Den acht Kilometer langen Beerdigungszug mit dem Sarg Hrant Dinks begleiteten etwa hunderttausend Menschen, während aus mobilen Lautsprechern das Lied Sarı Gelin (Die blonde Braut) spielte. Das Lied, welches sowohl auf türkisch als auch auf armenisch gesungen wird, erzählt die Geschichte eines türkisch-muslimischen Jungen und eines armenisch-christlichen Mädchens, die trotz ihrer großen Liebe nicht zueinander finden und nicht heiraten dürfen.

Die türkische Medienlandschaft bezog geschlossen Stellung im Fall des ermordeten Hrant Dink. So schrieb die auflagenstärkste Tageszeitung Hürriyet, der Mörder habe die türkische Nation verraten und titelte in ihrer Online-Ausgabe: „Die Türkei hat ihr eigenes Kind begraben“, die liberale Milliyet schrieb „Die Menschen haben Hrant Dink bei der Beerdigung nicht alleingelassen“ sowie „Hrant Dink ist die Türkei“, die Sabah bezeichnete die Ermordung des Journalisten als den „größten Verrat an der Türkei“, und die links-nationale Cumhuriyet titelte: „Schüsse auf die Türkei!“. In einer groß angelegten Umfrage der Online-Ausgabe der Tageszeitung Hürriyet einige Tage nach dem Mord an Dink, ob der Slogan „Wir sind alle Armenier“ gerechtfertigt sei, bei der nach Angaben der Zeitung 463063 Leser teilnahmen, entschieden sich 52,2 % der Leser dagegen, 47 % dafür und 0,8 % gaben an sich nicht mit dem Thema zu beschäftigen.[35]

Der türkische Literaturnobelpreis-Träger Orhan Pamuk machte die türkische Regierung für den Mord mitverantwortlich. Bei einem Beileidsbesuch bei Dinks Familie wies er auf die Lynch-Mentalität in der Türkei hin. Dink sei wegen der Äußerungen zum Völkermord an den Armeniern zum Staatsfeind und zur Zielscheibe erklärt worden. Wie viele andere Intellektuelle in der Türkei forderte Pamuk die Abschaffung des „Türkentum“-Artikels des türkischen Strafgesetzbuches.[36][37]

Türkische Polizisten posierten nach der Festnahme des mutmaßlichen Mörders von Hrant Dink mit dem Verdächtigen für Fotos und ein Video. Auf den Bildern steht er vor einem Plakat mit der Nationalflagge, auf der Worte des Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk zu lesen sind: „Das Land der Nation ist heilig. Es darf nicht dem Schicksal überlassen werden.“ Auf dem Video ist eine Stimme zu hören, die fragt, ob der Spruch nicht direkt über den Kopf des Mordverdächtigen platziert werden könne. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen „Verherrlichung einer Straftat und eines Straftäters“. Auch die türkische Presse, z.B. die Zeitung Sabah, zeigte sich darüber empört.[38][39][40]

Reaktionen im Ausland

Die Frankfurter Rundschau stellt die offiziellen Beileidsbekundungen in den Kontext der als problematisch empfundenen Minderheitenpolitik der Türkei:. „Massenproteste kann Erdogan im Wahljahr 2007 nicht brauchen. Mit markigen Worten verurteilte er deshalb den Mord: Die Schüsse auf Dink ‚galten uns allen‘. Den toten Hrant Dink überhäuft die Regierung mit Solidaritätsbekundungen. Aber warum schwieg sie zu Hasskampagnen und Gerichtsverfahren gegen Dink, als dieser noch lebte? Auch in den Medien werden Krokodilstränen vergossen. Manche Blätter, die den Mord an Dink jetzt als ‚Verrat an der Türkei’ geißeln, brandmarkten den Unbequemen zu dessen Lebzeiten als Verräter.“[1]

Die armenische Zeitung „Arawot“ (Արավոտ, zu deutsch „Morgen“) schreibt: „Durch seine Tätigkeit bewies Hrant Dink eine sehr wichtige Sache: Man kann sowohl der armenischen Nation als auch dem türkischen Staat treu sein, und zwar ohne widersprüchlich zu handeln. Für Dink war die Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern nicht nur die Anerkennung der historischen Wahrheit, sondern auch jener Weg, der es ermöglichen würde, die Türkei in einen moderneren, zivilisierteren, ‚europäischeren‘ Staat zu verwandeln. Leider wehrt sich dieser Staat in Form seiner Eliten und Amtsträger mit allen Mitteln dagegen. Im Nachbarland ist eine Atmosphäre voller Rassismus und Intoleranz geschaffen worden, deren Opfer der armenische Journalist wurde. Und die Verantwortung für diese Atmosphäre trägt in erster Linie der türkische Staatsapparat.“ [2] (Anmerkung: Eine wesentliche Rechtfertigung für die Verfolgung der Armenier im Diskurs der Leugner des Völkermordes lautet, dass die Armenier Handlanger ausländischer, imperialistischer Mächte gewesen seien.)

Cem Özdemir schrieb über ihn: „Hrant Dink war einer der großen Intellektuellen der Türkei, ein überzeugter Demokrat, der sich für die Rechte von Minderheiten ebenso einsetzte wie für eine andere Erinnerungskultur seines Heimatlandes.“ [41]

Trauerfeier und Beisetzung

Am Tatort.

Am Sonntag nach dem Attentat wurden weltweit in armenischen Kirchen Gedenkgottesdienste für Hrant Dink gehalten. Die Trauerfeier zelebrierte der armenisch-orthodoxe Patriarch Mesrop II. Mutafyan in der Kirche Meryem Ana (Heilige Maria) in Kumkapı. In seiner Predigt rief der armenisch-orthodoxe Patriarch in armenischer und türkischer Sprache zu einem ehrlichen Dialog zwischen den Volksgruppen auf und erbat Gottes Segen für die Türkei. Nach der Trauerfeier begleiteten mehr als 100.000 Menschen den Leichenwagen über die Unkapanı-Brücke zum armenischen Friedhof Balıklı in Zeytinburnu, Istanbul. Rakel Dink, die Witwe des Ermordeten, verlas einen Brief an ihren Mann, in dem sie ihrer Gewissheit Ausdruck verlieh, ihren Mann im Himmel wiederzusehen. Dabei wurde deutlich, dass Dink zur christlichen Minderheit in der Türkei gehört hatte. An der von den Fernsehsendern CNN und NTV übertragenen Trauerfeier nahmen mehrere Minister der türkischen Regierung teil.[42] 40 Tage nach dem Mord fand der traditionelle Gottesdienstes zur Ehre des Toten in der Kirche zur Heiligen Maria im europäischen Teil Istanbuls statt. Auch an dieser Feier nahm neben Dinks Angehörigen auch Patriarch Mesrob II., der seit einiger Zeit Todesdrohungen erhält, teil. Dabei hat ein Unbekannter mehrere Schüsse in die Luft abgegeben.[43]

Der Trauerzug mit fast 100.000 Menschen auf der Halaskargazi-Straße, wo sich auch der Sitz der Zeitung Agos befindet (das Gebäude ganz rechts im Bild, an dessen Fassade ein großes Hrant-Dink-Plakat angebracht ist)
Der Trauerzug mit fast 100.000 Menschen auf der Halaskargazi-Straße, wo sich auch der Sitz der Zeitung Agos befindet (das Gebäude ganz rechts im Bild, an dessen Fassade ein großes Hrant-Dink-Plakat angebracht ist)

Prozess und Verurteilung des Haupttäters

Ein halbes Jahr nach der Ermordung Dinks begann am 2. Juli 2007 in Istanbul der Prozess gegen die mutmaßlichen Täter. Das Verfahren fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, weil der Hauptangeklagte, Ogün Samast, noch nicht volljährig war. Die Staatsanwaltschaft forderte für ihn 24 Jahre Haft, die Höchststrafe nach türkischem Jugendrecht. Zwei mutmaßliche Hintermänner der Tat, die volljährigen Erhan Tuncel und Yasin Hayal, sollen nach dem Willen der Anklage lebenslange Freiheitsstrafen verbüßen. Ihnen wird unter anderem die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Insgesamt müssen sich 18 Personen vor Gericht verantworten. Die Anwältin der Familie Dink, Fahriye Cetin, kritisierte dennoch am ersten Tag des Verfahrens, dass nicht alle Verantwortlichen angeklagt worden seien. Nach einer Information der Anwältin waren Videoaufzeichnungen aus den Überwachungskameras am Tatort verschwunden.[44] Vor dem Gerichtsgebäude versammelten sich bei Prozessbeginn 1000 Menschen, darunter die Witwe Dinks, um gegen Faschismus und Nationalismus zu demonstrieren.[45] [46] Am 1. Oktober 2007 fand die zweite Verhandlung statt. In seiner Aussage vor Gericht sagte der Angeklagte Ogün Samast, dass er von Yasin Hayal gezwungen wurden ist und die Tat bereue. Außerdem sagte er, dass er nicht wußte, dass Dink eine Familie habe. Hätte er dies gewußt, hätte er die Tat nicht begangen.[47]

Im Juli 2011 wurde Ogün Samast für schuldig befunden, Hrant Dink am 19. Januar 2007 ermordet zu haben. Der Täter wurde nach Artikel 82 des türkischen Strafgesetzbuches zu einer Haftstrafe von 22 Jahren und zehn Monaten verurteilt.[48][49] [50]

Werk

„Agos“ ist klein, wird aber in der Türkei viel beachtet. „Agos“ berichtet über die Schikanen der türkischen Bürokratie, mittels der der christlichen Minderheit in der Türkei das Leben schwer bis unerträglich gemacht wird. Die Zeitung berichtet über Enteignungen, über Diskriminierungen, über Gesetze, die sich gegen Presse- und Meinungsfreiheit richten. Die Zeitung prangert an, dass es in der kemalistischen und säkularen Türkei noch nie einen hochrangigen nichtmuslimischen Beamten oder Offizier gegeben hat. Nur an Universitäten können Mitglieder der Minderheiten im Staatsdienst Karriere machen. Auch der Völkermord an den Armeniern in den Jahren nach 1915 ist ein Thema in „Agos“. Hrant Dinks diesbezügliche Positionen wurden von verschiedenen Seiten kritisiert. So hielt er Debatten über Zahlen – starben damals „nur“ 300.000 oder 1,5 Millionen Armenier – sowie über den Begriff „Völkermord“ für nicht so wichtig. Darin widersprach er den Mitgliedern der armenischen Diaspora. Nach Dinks These ist nicht das Wort, sondern das Ereignis entscheidend, nämlich die Auslöschung der Armenier auf dem Gebiet der heutigen Türkei.

Hrant Dink lehnte Resolutionen ab, welche von Parlamenten bezüglich des Themas beschlossen wurden. Daher betrachtete er den Plan des französischen Parlaments, die Leugnung des Völkermords an den Armeniern unter Strafe zu stellen, als "idiotisch", weil dahinter dieselbe Mentalität stehe wie bei denen, die die freie Meinungsäußerung in der Türkei einschränken.[51] Laut Dink wolle jemand, der auf dem Begriff Genozid beharre, keine Lösung.[52]

Auszeichnungen

Im Jahr 2005 erhielt Hrant Dink den "Ayşe Nur Zarakolu Düşünce ve İfade Özgürlüğü Ödülü" (Ayşe-Nur-Zarakolu-Gedanken- und Meinungsfreiheitspreis).

Für sein Engagement wurde Dink am 12. Mai 2006 in Hamburg mit dem Henri-Nannen-Preis für Verdienste um die Pressefreiheit ausgezeichnet.

Auch erhielt er für seine Arbeit am 24. November 2006 den mit 100.000 Kronen dotierten norwegischen Björnson-Preis.

Für seine Arbeit wurde er außerdem im Dezember 2006 in Den Haag (Niederlande) mit dem Oxfam Pen Award ausgezeichnet.

Posthum erhielt Hrant Dink am 15. November 2007 - anlässlich des International Writers in Prison Day - für seinen Kampf um Meinungsfreiheit in der Türkei die Hermann-Kesten-Medaille, die vom P.E.N.-Zentrum Deutschland und dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst vergeben wird.[53]

Ehrung

In Wuppertal war am 2. April 2011 die Uraufführung des dreisprachigen (deutsch, türkisch, armenisch) Oratoriums für den ermordeten Journalisten Hrant Dink: „Wie eine Taube / bir güvercin gibi / aghavnii me neman“, vor einem internationalen Publikum und Ehrengästen aus Istanbul und Armenien. Musik: Ulrich Klan. Nach Worten von Hrant und Rakel Dink, aus Talmud, Bergpredigt und Koran sowie von west-östlichen Dichtern: Else Lasker-Schüler, Dschallaludin Rumi, Armin T. Wegner und Bertolt Brecht. Das Werk löste „stehende Ovationen“ aus, so die Westdeutsche Zeitung.[54] [55] [56]

Literatur

  • Hrant Dink: Von der Saat der Worte. Zusgest., aus dem Türk. übers. und hrsg. von Günter Seufert. Schiler, Berlin 2008, ISBN 978-3-89930-222-6

Weblinks

 Commons: Hrant Dink – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Interviews

Einzelnachweise

  1. a b Gerd Höhler: Eine Stimme der Toleranz ist verstummt, Frankfurter Rundschau, 21. Januar 2007 (Link nicht mehr abrufbar)
  2. Reuters: Turkey arrests suspect in death of Armenian editor, 20. Januar 2007
  3. Radikal: Bir zamanlar Hrant Dink vardı!.. (23. Januar 2011, Zugriff am 24. Januar 2011)
  4. Radikal: Hrant Dink'i 'yakan' yazılar, 10. Oktober 2005. Zugriff am 29. Januar 2007
  5. Üstün Bilgen-Reinart: Hrant Dink: forging an Armenian identity in Turkey, opendemocracy.net, 7. Februar 2006. Zugriff am 27. Januar 2007
  6. Yıldırım Türker: Hrant'ın hikâyesi, Radikal, 24. Juli 2006. Zugriff am 17. Januar 2007
  7. Ö1-Inforadio: Türkisch-armenischer Journalist ermordet, 19. Februar 2007. Zugriff am 27. Januar 2007
  8. NZZ Online: Politische Bluttat in der Türkei geklärt, 21. Januar 2007
  9. FAZ.net: Provokation für die türkischen Nationalisten, 22. Januar 2007
  10. Tagesspiegel-online: "Ich bin wie eine Taube", 22. Januar 2007
  11. FAZ.net: Provokation für die türkischen Nationalisten, 22. Januar 2007
  12. tagesschau.de: Türkisch-armenischer Journalist erschossen (nicht mehr online verfügbar), 19. Januar 2007
  13. Reuters: Türkisch-armenischer Journalist Hrant Dink erschossen, 19. Januar 2007
  14. ORF: Türkisch-armenischer Journalist erschossen, 19. Januar 2007
  15. Daily Telegraph: Pro-Armenian journalist shot dead in Turkey, 21. Januar 2007
  16. Reuters (via Yahoo): Turkish-Armenian editor shot dead in Istanbul, 19. Januar 2007
  17. a b FAZ: Jugendlicher gesteht Mord an Hrant Dink, 21. Januar 2007
  18. Hürriyet: İşte katil zanlısı - Das ist der mutmaßliche Mörder, 20. Januar 2007
  19. CNN: Turkey killing: 'Youth confesses', 21. Januar 2007
  20. AsiaNews: Fanatics filled Father Andrea's assassin with (wrong) ideas, 9. Februar 2006
  21. Radio Vatikan: Türkei: Bischof sieht Verbindungen zwischen Santoro und Dink, 5. Februar 2007
  22. AFP (via Yahoo): Turkish teenager confesses to killing journalist, 21. Januar 2007
  23. Journal of Turkish Weekly: Murderer of Hrant Dink Captured, 21. Januar 2007
  24. Die Presse: Jugendlicher gesteht Journalisten-Mord, 21. Januar 2007
  25. a b New York Times: Turkish Police Arrest Teenage Suspect in Editor’s Killing, 20. Januar 2007
  26. Zaman (via Today’s Zaman): Kemal Kerinçsiz, Dink’s prosecutor, condemns assassination, 20. Januar 2007
  27. Spiegel.de: Extremist soll Jugendlichen zu Journalistenmord angestiftet haben, 22. Januar 2007
  28. zaman.com.tr: İçişleri Bakanı Aksu: Cinayetin arkasındaki güçlerin önemli kısmı yakalandı, 22. Januar 2007
  29. todayszaman.com: Dink’s suspected murderer sent to jail todayszaman.com., 25. Januar 2007
  30. Der Standard: Türkisch-armenischer Journalist bei Anschlag in Istanbul getötet, 19. Januar 2007
  31. Der Spiegel: Wir sind alle Armenier, 23. Januar 2007
  32. Tagblatt: Die geleugnete Geschichte, 26. Januar 2007
  33. Die Welt: „Dink war die Stimme der Armenier in der Türkei“, 19. Januar 2007
  34. Die Welt: „Jugendlicher gesteht Mord an Journalisten“, 21. Januar 2007
  35. Hürriyet: İşte sonuçlar, 26. Januar 2007
  36. Wiener Zeitung: Hunderte zu Begräbnis von Hrant Dink erwartet, 22. Januar 2007
  37. Susanne Güsten: Pamuk sieht Mentalität des Lynchens, Der Tagesspiegel, 23. Januar 2007
  38. 20 Minuten: Türkische Polizisten machen aus Dink-Mörder einen Helden, 2. Februar 2007
  39. Spiegel: Polizisten posierten mit Dink-Mörder, 2. Februar 2007
  40. N-TV.de: Polizisten posieren mit Mörder , 2. Februar 2007
  41. Cem Özdemir: Zeit der Entscheidung. AI-Info, Nr. 3, 2007, S. 19
  42. Kath.net: Türkei: Trauer um Hrant Dink wurde zum Glaubenszeugnis, 27. Januar 2007
  43. Radio Vatikan: Schüsse in Istanbul, 5. März 2007
  44. Neue Zürcher Zeitung: Prozessbeginn im Mordfall Dink in Istanbul, 3. Juli 2007
  45. Der Standard: Mutmaßliche Mörder des Journalisten Dink in Istanbul vor Gericht, 2. Juli 2007
  46. Frankfurter Allgemeine Zeitung: Hrant Dinks Mörder vor Gericht, 2. Juli 2007
  47. Dink cinayeti zanlısı O.S: Beni Yasin zorladı, pişmanım Die Milliyet vom 1. Oktober 2007
  48. Dink-Mörder muss für fast 23 Jahre in Haft Tagesschau de. 25. Juli 2011, abgerufen am 25. Juli 2011
  49. Fast 23 Jahre Gefängnis für Mörder des Journalisten Dink dw-world.de. 25. Juli 2011, abgerufen am 25. Juli 2011
  50. spiegel.de: [1]
  51. Journal of Turkish Weekly: Hrant Dink, an Armenian who loved Turkey and the truth, 20. Januar 2007
  52. Rainer Hermann: Kein türkisches Zeichen der Versöhnung, Faz.net, 14. April 2005
  53. O-Ton-Dokumentation der Preisverleihung auf radio-luma.net
  54. Vgl. hierzu: Veronika Pantel, „Stehende Ovationen“. In: Westdeutsche Zeitung vom 4. April 2011
  55. In der türkisch-armenischen Zeitung Agos (Istanbul) erschien am 8. April 2011 eine positive Rezension über die Uraufführung des Oratoriums
  56. Autor: Martina Thöne. In einem Interview mit Ulrich Klan. In: Westdeutsche Zeitung vom 25. März 2011. Ulrich Klan u.a. über das Oratorium. Unter: „Ein Höhepunkt der Veranstaltungstage soll die Uraufführung Ihres Oratoriums werden. Wie entstand die Idee zum Werk?“. Abgerufen am 13. September 2011

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