Alte Schmelz

Alte Schmelz
Die mechanische Werkstatt der Alten Schmelz, heute eine Veranstaltungshalle
Renovierte "Möller-Halle" auf der Alten Schmelz (erbeut 1750)
Gebäude des „Konsums“ mit renoviertem Arbeiterhaus im Hintergrund

Die St. Ingberter Alte Schmelz ist ein Ensemble der Industriekultur im südwestdeutschen Raum. Alle wichtigen Gebäudeteile sind heute unter Denkmalschutz gestellt (s. Liste der Baudenkmäler in St. Ingbert). Sie ist ein anschauliches Zeugnis unternehmerischer Wohnungsfürsorge und ein historisches Beispiel für die enge Nachbarschaft von Wohnen und Arbeiten in einem Eisenwerk im Laufe der letzten 250 Jahre. Die verschiedenen Phasen der Entwicklungsgeschichte des 1733 gegründeten Unternehmens lassen sich noch heute gut ablesen. Darüber hinaus werden die zeitgenössisch-klaren werksinternen sozialen Strukturen und Hierarchien des patriarchalisch geführten Großbetriebes deutlich: Hinter Mauern vom Werk abgetrennt liegen die beiden Direktorenvillen in einem großzügigen englischen Landschaftspark, unmittelbar neben dem Werk die Arbeitersiedlung mit den kleinen Gemüsegärten, das Schlafhaus für 144 Männer und das Konsumgeschäft mit den vom Werk vergünstigt abgegebenen Waren.[1]

Mit innovativen Fertigungstechniken konnte die Firma sich auf dem wandelnden Montan-Markt behaupten. Durch vielfachen Verkauf während der Stahlkrise der 1980er Jahre reduzierte sich die Zahl der Beschäftigten auf heute knapp unter 200 Mitarbeiter. Es gehört seit 1993 zur Saarstahl AG. Die Stadt St. Ingbert steht mit dem Unternehmen in Verhandlung, um den weitläufigen Park zur historischen Wiederherstellung ganz aufzukaufen, der beiden Partnern je zur Hälfte gehört und seit Jahrzehnten nicht bewirtschaftet wird.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das Eisenwerk wurde durch einen Vertrag aus dem Jahr 1732 zwischen Graf Carl-Caspar von der Leyen und einem Konsortium aus den Hüttenleuten Karl Gottbill und Conrad Lehnen, Hüttenbetreiber zu Nunkirchen und der Schmiedemeister Josef Loth aus Blieskastel gegründet. Ein Jahr darauf nahm es seinen Betrieb auf. Es umfasste Hammerwerk und Schmelze. Produkte zur damaligen Zeit waren Kaminplatten, Kanonenkugeln, Öfen, Töpfe, Vasen, Kandelaber und ähnliches. Nach dem Tode von Josef Loth im Jahr 1743 leitete seine Witwe Katharina Loth das Unternehmen. Die Möllerhalle wurde 1750 erbaut (erkennbar an einer Jahreszahl im Türsturz). Sie ist heute das älteste Industriedenkmal im Saarland.

Die Gräfliche Rentkammer (Finanzverwaltung) kündigte 1759 der Witwe Loth den Hüttenvertrag und übergab das Werk an Peter Lauer. Katharina Loth gründete das Rentrischer Hammerwerk. Im Jahr 1771 begann der Bau des ersten sogenannten Langhauses mit Arbeiterwohnungen. Der Kaufmann Philipp Heinrich Krämer (1754–1803) übernahm im Jahr 1788 einen Anteil an der Pacht und die Leitung des Werks. Ein Jahr darauf bestand die Belegschaft aus 18 Hüttenarbeitern mit ihren Familien sowie 18 Erz- bzw. Kohlengräbern und Köhlern. Philip Krämer wurde 1791 Alleinpächter des Werkes. Neun Jahre später pachtete Krämer auch den Rentrischer Hammer. In den Jahren 1800 bis 1804 erfolgte der Bau von vier weiteren Arbeiterhäusern.

Ehemalige Werkstatt und Lager mit Industriegleis

Frau Sophie Krämer (1763–1833), die Witwe Philipp Heinrich Krämers, übernahm im Jahr 1804 zu einem Kaufpreis von 47.000 Franc das Werk und macht es in 30 Jahren zum räumlich und wirtschaftlich bedeutenden Unternehmen. Circa 1806 wurden die ersten Häuser der noch bestehenden Siedlung errichtet. Ein Jahr darauf wurde das Herrenhaus gebaut, circa 1810 folgten die beiden Meisterhäuser. Im selben Jahr erhielt die Möllerhalle Uhr und Glocke. Zwischen 1816 und 1919 gehörte St. Ingbert zum Königreich Bayern, Rentrisch zu Preußen. Dies hatte zur Konsequenz, dass für innerbetrieblichen Verkehr mit dem Rentrischer Eisenhammer Zoll entrichtet werden musste.

Im Jahr 1829 erhielt St. Ingbert die Stadtrechte und zählte 2.500 Einwohner. Vier Jahre später wurde der Puddelofen mit Steinkohlefeuerung in Betrieb genommen und im St. Ingberter Eisenwerk die erste Dampfmaschine im Saarrevier aufgestellt. 1852 die inzwischen abgerissene Gießerei errichtet. Im Jahr darauf richtete das Eisenwerk eine Hilfs- und Krankenkasse ein.

St. Ingbert hatte im Jahr 1858 6.000 Einwohner und war der wichtigste Industriestandort der Pfalz. Sechs Jahre später wurde die Hüttenfeuerwehr gegründet. St. Ingbert erhielt 1865 Anschluss an die Eisenbahn, drei Jahre darauf wurde ein neues Puddelwerkes mit 16 Öfen und zwei Dampfhämmern errichtet sowie ein Verwaltungsgebäude gebaut. Nach zwei weiteren Jahren wurde das 1971 abgerissene sogenannte „Krämers Schlößchen“ errichtet. 1873 richtete man ein werkseigenenes Spital in der Kohlenstraße ein. Zwölf Jahre später, 1885, wurden die Hochöfen stillgelegt und zwei weitere Jahre darauf richtete man im gesamten Werk elektrische Beleuchtung ein. 1888 wurde der Hüttenverein und die Hüttenkapelle gegründet. Ein Jahr später wurde die Kommanditgesellschaft (KG) in das „Eisenwerk Krämer AG“ umgewandelt.

1890 wurde der Konsumverein gegründet. Im Jahr 1892 begann man mit dem Bau der ersten Direktorenvilla, ein Jahr darauf wurden die vier Angestelltenhäuser errichtet. Das Thomasstahlwerk nahm 1894 den Betrieb auf. Nun konnte Stahl in großen Mengen hergestellt werden. Im Jahr 1895 zählte St. Ingbert 12.000 Einwohner. Zehn Jahre später fusionierte das „Eisenwerk Kraemer AG“ mit der „Rümelinger Hochofen AG“ zur „Rümelinger und St. Ingberter Hohöfen und Stahlwerke AG“. Die Fläche des Werkes betrug jetzt einschließlich Park 68 Hektar. Im selben Jahr wurde die zweite Direktorenvilla errichtet.

Schiene, 1908 im Eisenwerk Kraemer gewalzt

Im Jahr 1907 wurden das Arbeiterheim (Schlafhaus mit Speiseanstalt) und das Konsumgebäude errichtet, zudem begann man mit der Erweiterung und der Mordernisierung des Werks. Das Stahlwerk und die Walzwerksanlagen wurden erweitert, die Drahtverarbeitung ausgebaut. In dieser Zeit entstanden und unter anderem die Mechanische Werkstatt, die Elektrozentrale mit Umformerstation, die Glüherei, die Beizerei und Feinzug, die Modellschreinerei und die sog. Plastikanlage. Die Werksmauer wurde errichtet und eine Abgrenzung zum städtischen Gelände geschaffen. Drei Jahre später wurde der Rentrische Hammer stillgelegt und mit dem Bau des Universalwalzwerks und der Drahtverzinkung begonnen. Im Jahr 1911 bildeten die „Rümelinger und St. Ingberter Hohöfen und Stahlwerke AG“ eine Interessengemeinschaft mit der „Deutsch-Luxemburgischen Bergwerks- und Hütten-AG“.

Die sogenannte „Franzosenschule“

1913 beschäftigte das Eisenwerk etwa 2.200 Arbeiter. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 wurde die Stahlproduktion eingestellt und auf Rüstungsgüter umgestellt. Das Stahlwerks wurde 1916 wegen unsicherer Rohstoffversorgung abgebrochen und das Blockwalzwerk nach Differdingen in Luxemburg verlegt. Am Ende des Ersten Weltkrieges 1918 stellten Frauen circa 22 Prozent der Belegschaft.

St. Ingbert wurde 1919 in das Saargebiet eingegliedert, die werksinternen Zölle entfielen daraufhin wieder. Ein Jahr darauf wurde das Unternehmen durch die „Société des Hauts Fourneaux et Aciéries de Differdange-St. Ingbert-Rumelange (HADIR)“ übernommen, man spezialisierte sich in Folge auf Drahtprodukte und Bandeisen. Im Jahr 1926 kommt es bei den 200 Beschäftigten des Drahtzugs vom 4. August bis zum 24. September zum Streik für höhere Löhne. Die Werksleitung sagte lediglich eine Prüfung der Einzelakkorde zu.

Im Eisenwerk waren 1932 etwa 1.300 Arbeiter beschäftigt. Zwischen 1942 und 1944 hielten Zwangsarbeiter, darunter sowohl Kriegsgefangene als auch Zivilisten, die Produktion aufrecht. Sie waren in Baracken auf der Alten Schmelz untergebracht. Nach dem Zweiten Weltkrieg streikten im Februar 1955 die Hüttenarbeiter im ganzen Saarland gegen eine von der Regierung beschlossene Zwangsschlichtung im Lohnkonflikt.

Im Jahr 1962 betrug die Belegschaft 1.100 Arbeiter und 136 Angestellte. Das Unternehmen hatte eine Jahresproduktion von etwa 200.000 to Draht- und Walzprodukten. Fünf Jahre darauf fusionierte HADIR mit der Luxemburger ARBED. 1974 musste erstmals Kurzarbeit für 400 Beschäftigte in der Bandweiterverarbeitung und der Drahtverarbeitung angemeldet werden. Sechs Jahre darauf wurden die Walzenstraßen stillgelegt, damit einher ging ein Verlust von ca. 300 Arbeitsplätzen. Seither wurde nur noch Draht weiterverarbeitet. Im Jahr 1981 beschäftigte das Werk etwa 860 Beschäftigte. Es wurden vorwiegend Grubenmatten und Baustahlgewebe, Drahtgeflechte sowie gezogener Draht für Hausgeräte und die Automobilindustrie produziert. 1984 bildete man die Firma „Drahtwerk St. Ingbert“, Anteilseigner war TechnoARBED Deutschland, aus dem später Saarstahl hervorging.

1988 wurden Werksgebäude und Siedlung – insgesamt 12 Einzelgebäude, 30 Häuser unter Ensembleschutz – unter Denkmalschutz gestellt. Im Jahr 1992 folgte ein Eigentums- und planungsrechtliches Auseinanderfallen der territorialen Einheit von Werk und Siedlung „Alte Schmelz“. Es wurde mit dem Verkauf des Schlafhauses begonnen. Ein Jahr darauf meldete die Saarstahl AG, inzwischen Werkseigner, Konkurs an. Im selben Jahr wurde auf der Alten Schmelz ein Straßenfest veranstaltet und der Arbeiterverein gegründet. Im Jahr 1994 übernahm eine städtische Verwaltungsgesellschaft vorübergehend die Siedlung und begann mit den Sanierungsarbeiten. Die 1995 Wohnungsbaugenossenschaft wurde 1996 Eigentümerin der Siedlung. Die Produktion im oberen Werk (Drahtwerk Nord Areal) wurde stillgelegt, dort wurden zuletzt Baustahlmatten hergestellt. Die Wohnungsbaugenossenschaft begann 2000 mit dem fünften Sanierungsabschnitt. Ein Jahr später, 2001, zählte das Drahtwerk St. Ingbert 191 Beschäftigte. Der Draht wird überwiegend aus Saarbrücken-Burbach, zum Teil auch aus Neunkirchen bezogen (beides Saarstahl) und in St. Ingbert weiterverarbeitet. Zur Produktionspalette gehören blanker, verkupferter und verzinkter Draht, Automatenstahl, gerichtete Stäbe, PVC-Draht, Viereckgeflechte und Knotengeflechte.

Literatur

  • Nimmesgern, Susanne: Die Schmelzerinnen. Unternehmerfrauen, Hüttenfrauen, Zwangarbeiterinnen auf dem St. Ingberter Eisenwerk. Hrsg.: Initiative Alte Schmelz St. Ingbert e.V. St. Ingbert: Röhrig Universitätsverl., 2010. 220 S., zahlr. Abb. ISBN 978-3-86110-485-8

Einzelnachweise

  1. „Aufbruch statt Abbruch“, Stadt St. Ingbert, Initiative Alte Schmelz, Imagebroschüre, 2006

Weblinks


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